Hamburg. Trainer Tim Walter soll sich mit Thomas Wüstefeld gezofft haben. Der Vorstandsstreit droht dem HSV zu entgleiten.
Tim Walter war gut gelaunt, als er das Podium im Presseraum der ersten Etage des Volksparkstadions betrat. „Hier ist ja gar nichts los“, scherzte der Trainer des HSV beim flüchtigen Abscannen der anwesenden Medienvertreter. Wohl wissend, dass es bei dieser Pressekonferenz vor der 1. Pokalrunde gegen Drittliga-Aufsteiger SpVgg Bayreuth (Sa., 15.30 Uhr/Sky und im Abendblatt-Liveticker) nicht nur um sportliche Themen gehen sollte.
Nach ein paar Fragen zum Warmwerden über die Personallage – Stephan Ambrosius, Bakery Jatta, Xavier Amaechi, Elijah Krahn und Anssi Suhonen fallen aus, der unverwüstliche Mario Vuskovic spielt dagegen mit einer Daumenschiene („Er hat keine Schmerzen mehr“) – und den Gegner („Man muss jeden Gegner so nehmen, als wäre er der stärkste, und so gehen wir dieses Spiel auch an.“) sorgte das Geschehen abseits des Fußballplatzes für das erwartbar größere Interesse.
HSV-Streit zwischen Walter und Wüstefeld
Nachdem die „Bild“ über einen neuen Streit zwischen Walter und HSV-Finanzvorstand Thomas Wüstefeld berichtete, bei dem es unter anderem um den von den Spielern versteuerten Anteil für Familientickets gegangen sein soll, wollte das Abendblatt wissen, ob Walter das Gefühl habe, das Problem, das in erster Linie innerhalb des HSV-Vorstands zwischen Wüstefeld und Jonas Boldt existiert, von der Mannschaft fernhalten zu müssen.
„Ich bin der Trainer dieses Vereins“, begann Walter seine mit 73 Sekunden recht ausführliche Antwort, bei der er zunächst seine Jobbeschreibung vortrug. „Als Trainer habe ich die Aufgabe, meine Mannschaft zu trainieren.“ So weit, so gut. Mit seinen Worten will Walter signalisieren, dass er der falsche Ansprechpartner für die gravierenden Risse auf Vorstandsebene ist.
Doch inzwischen sind die spätestens mit dem Gerichtsprozess um Sportdirektor Michael Mutzel, der nach seiner Freistellung erfolgreich auf seine Weiterbeschäftigung klagte, breit nach außen getragenen Streitigkeiten auch bei der Mannschaft gelandet. Das hat natürlich auch Walter mitbekommen, weshalb er es nicht nur bei der Definition seines Berufs beließ. Der Trainer nutzte die Chance, um Werbung für die sportliche Abteilung um das Trainerteam und seinen Vertrauten Boldt zu betreiben.
HSV-Streit: Walters klares Signal pro Boldt
„Wir haben in der vergangenen Saison sehr gute Spiele gemacht, um in der Stadt eine Euphorie um den Verein auszulösen. Das war ein Verdienst des Sports und ein Verdienst meiner Mannschaft. Deshalb haben wir 23.000 Dauerkarten für diese Saison verkauft“, fuhr Walter fort und wiederholte: „Das ist ein Verdienst des Sports.“
Anschließend legte der HSV-Trainer einen klaren Appell an alle streitenden Verantwortlichen des HSV nach. „Wir heißen nicht umsonst Hamburger Sportverein. Darum sollte sich das Ganze auch um den Sport drehen. Das (der Sport; d. Red.) ist meine Aufgabe und alles andere ist nicht meine Aufgabe. Darum konzentriere ich mich auf den Sport“, sagte Walter, der noch einen letzten und vor allem signifikanten Nachschub loswerden wollte: „So, wie es alle machen sollten.“ Auch innerhalb des Clubs dürfte sich der eine oder andere Entscheidungsträger mit diesem Nachsatz angesprochen fühlen.
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Der Vorstandsstreit ist auch an Walter nicht spurlos vorbeigegangen. Auf der Pressekonferenz am Donnerstag versuchte er mit seinen Aussagen, das Thema nicht noch mehr an seine Mannschaft herantragen zu lassen. Eine wenig überraschende Reaktion, schließlich stellt sich Walter seit seinem Amtsantritt vor rund einem Jahr nach außen wie eine Löwenmutter vor seine Spieler.
Mit seiner Werbung für die Leistung der für den Sport verantwortlichen Personen, zu denen in erster Linie Boldt und Walter gehören, unterstreicht der Coach aber auch, auf welche Schultern der HSV seine Zukunft aufbauen sollte. Auch Walter dürfte längst mitbekommen haben, dass es kein gemeinsames Miteinander des zerstrittenen Vorstandsduos mehr geben kann. Auf welcher Seite der Trainer steht, war ohnehin längst klar – nun auch für die Öffentlichkeit.