Hamburg. Boldt oder Wüstefeld? Der HSV-Aufsichtsrat plant weitere Gespräche. Kühnes Mail war derweil an Rainer Calmund adressiert.
Am Mittwochabend stand Marcell Jansen Rede und Antwort. Der Präsident und Aufsichtsratsvorsitzende des HSV war gemeinsam mit Vizepräsident Bernd Wehmeyer zu Gast bei der Sitzung der Abteilungsleitung des Supporters Clubs im Fanhaus an der Stresemannstraße. Und dabei ging es auch um die Differenzen in der HSV-Führung.
Am Dienstag hatte Sportvorstand Jonas Boldt mit seinen Aussagen vor dem Arbeitsgericht im Fall des freigestellten Sportdirektors Michael Mutzel öffentlich gemacht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Interimsvorstand Thomas Wüstefeld zerrüttet und kaum noch zu retten ist.
Boldt vs. Wüstefeld beim HSV: Jetzt spricht Jansen
Wie reagiert nun der Aufsichtsrat? „Es sind keine neuen Streitigkeiten. Wir nehmen sie sehr ernst und befragen die Vorstände dazu“, sagte Jansen einen Tag später. Der 36-Jährige wird in den kommenden Tagen einige kritische Fragen stellen müssen, wenn er als Vorsitzender des Aufsichtsrats mit den Vorständen der HSV Fußball AG über die Zukunft des Clubs spricht.
Boldt warf Mutzel am Dienstag mehrfach vor, gemeinsam mit Wüstefeld versucht zu haben, sich an ihm vorbei als möglicher Nachfolger in Position zu bringen, und nannte dafür verschiedene Beispiele. Mutzel bestritt die Vorwürfe und bekam mit seiner Klage recht. Die Freistellung wurde für unwirksam erklärt. Der HSV muss Mutzel nun weiter beschäftigen. Boldt aber lehnt es ab, den bisherigen Sportdirektor wieder im Sport zu integrieren. Gut möglich, dass es am Ende doch zur Zahlung einer Abfindung kommt.
HSV: Setzt Jansen Boldt vor die Tür?
Viel entscheidender aber ist die Frage, wie die Zukunft der Vorstände aussieht. Dass es keine gemeinsame Zukunft mit Boldt und Wüstefeld geben kann, wurde spätestens mit den Aussagen von Boldt deutlich. Zumal Boldt vor Gericht betonte, dass gegenseitiges Vertrauen im Sport wichtiger sei als in anderen Bereichen. Jansen hatte kürzlich noch beiden Vorständen eine Vertragsverlängerung in Aussicht gestellt. Und nun?
„Wir haben beiden Vorständen das Vertrauen ausgesprochen. Jetzt geht es auch darum, dass es gelebt wird. Es scheint dort Themen zu geben und die werden wir sachlich aufarbeiten. Mein Appell: Es muss dabei immer um den HSV gehen.“
Aktuell läuft hinter den Kulissen ein Prozess, wie Jansen bestätigte. Die Kontrolleure machen sich in verschiedenen Gesprächen ein Bild, um die Lage zu bewerten. Zuletzt hatten Boldt und Wüstefeld vor dem Aufsichtsrat betont, dass sie kein grundsätzliches Problem miteinander hätten. Die beiden arbeiten in ihren Bereichen eigenverantwortlich.
HSV-Aufsichtsrat verwundert über Walter
Ganz ohne gemeinsame Kommunikation wird es aber nicht gehen, insbesondere bei der Frage nach weiteren Investitionen für den Kader. Trainer Tim Walter hatte am Tag nach der 0:1-Niederlage gegen Hansa Rostock öffentlich den Wunsch geäußert, weitere Gelder zu generieren, um die Qualität in der Mannschaft zu erhöhen.
In Teilen des Aufsichtsrats soll diese Aussage auf Unverständnis gestoßen sein. Schließlich hat der HSV für die neue Saison bereits mehr als acht Millionen Euro in den Kader investiert – weit mehr als alle anderen Zweitligisten. Zum Vergleich: Hansa Rostock zahlte für seine zehn Neuzugänge 100.000 Euro Ablöse.
Weil der HSV Geld braucht, um sein Stadion zu sanieren, hatte der Aufsichtsrat zuletzt einen Ausgabenstopp verhängt. Nach dem Abgang von Robin Meißner (22), der für ein Jahr zum Drittligisten Viktoria Köln geht, sucht der HSV aber noch eine Sturmalternative zu Robert Glatzel.
HSV: Kühne-Mail ging an Calmund
Zu allem Überfluss veröffentlichte die „Bild“-Zeitung nun auch noch eine Aussage von HSV-Investor Klaus-Michael Kühne. Der habe in einem „vertraulichen Schreiben“ im Zusammenhang mit der Umbenennung des Volksparkstadions von der „schwachen Vereinsführung“ gesprochen. Nach Abendblatt-Informationen war das Schreiben eine Mail von Kühne an seinen Freund und früheren Bundesliga-Manager Reiner Calmund, die öffentlich wurde.
Calmund hatte Kühne per Mail gefragt, ob das HSV-Stadion künftig den Namen des verstorbenen Vereinsidols Uwe Seeler tragen könne. Kühne schrieb zunächst dem Abendblatt, dass er „voll dabei“ wäre. In der Mail an Calmund ergänzte er: „Entscheidend ist, ob die schwache Vereinsführung dies aufnimmt.“ Was solche Aussagen von Kühne beim HSV nach sich ziehen können, hat der Club in den vergangenen Jahren oft erlebt.
Die Führung selbst muss nun aufpassen, dass die Probleme auf der Geschäftsstelle nicht die Leistung der Mannschaft beeinflussen. Glaubt man Toptorjäger Glatzel, lässt die Spieler das Gerangel unter den Managern kalt. „Was im Vorstand passiert, können wir nullkommanull beeinflussen, von daher interessiert es uns auch nicht“, sagte der Torschützenkönig der vergangenen Pokalsaison drei Tage vor dem Pokalspiel in Bayreuth. „Uns tut weh, wenn wir kein gutes Spiel machen oder verlieren. Das färbt auf uns ab. Darüber machen wir uns Gedanken.“ Über alles andere muss nun der Aufsichtsrat entscheiden.