Karlsruhe/Hamburg. Das 1:1 beim Karlsruher SC war schon das achte Unentschieden für die Hamburger. Die Statistiken täuschen über Missstände hinweg.
Um 6 Uhr waren die Hamburger am Sonntagmorgen wieder zu Hause. Sechs Stunden lang saßen die HSV-Fans im Sonderzug auf der Rückreise aus Karlsruhe. Eine Tour, die am Sonnabend mit einem Problem begann: Oberleitungsschaden am Zug. Innerhalb weniger Stunden mussten Sven Freese, Chef des Supporter Clubs, und seine ehrenamtlichen Helfer einen Ersatzzug organisieren.
Am Ende starteten die 550 Fans mit einem von der Deutschen Bahn gestellten Regionalzug und einstündiger Verzögerung. Ohne Tanz- und Barwagen, dafür mit einer Menge Spaß und Improvisation. „Es war eine legendäre Tour, von der wir uns noch in Jahren erzählen werden“, sagte Freese nach der Rückkehr. „Dieses Gefühl der Gemeinschaft schweißt total zusammen. Man hat gemerkt, welche Kraft der HSV und seine Fans entwickeln können.“
HSV hat nur halb so viele Siege wie St. Pauli
Fast gleichzeitig und nach ähnlich langer Fahrt erreichte auch der Teambus des HSV die Heimat. Die Stimmung im Bus war allerdings deutlich weniger euphorisiert als die Stimmung im Sonderzug. Das war schon zu spüren, als sich die Mannschaft und die Fans kurz vor ihrer Rückreise im Karlsruher BBBank Wildpark gegenüberstanden. Die Köpfe der Spieler waren leicht gesenkt, die Schultern hängend. Die Hamburger waren nicht glücklich mit dem 1:1 beim starken KSC, der von seinen Anhängern gefeiert wurde.
Es gibt Momente, da ist die Sprache der Bilder stärker als die Sprache der Zahlen. Am späten Sonnabend war mal wieder so ein Moment.
Die Sprache der Zahlen liest sich gar nicht so schlecht für den HSV. Seit zehn Spielen ist die Mannschaft in der Zweiten Liga ungeschlagen. Kein anderes Team hat seltener verloren. Doch die Spitzenzahlen reichen aktuell nur für einen Platz im oberen Drittel. Weil die Sprache der Zahlen auch anders gelesen werden kann: Spitzenreiter St. Pauli hat doppelt so oft gewonnen wie der Stadtrivale. Acht Unentschieden sind Ligahöchstwert – obwohl der HSV oft das 1:0 macht. Nach eigener Führung ließen die Rothosen in dieser Spielzeit bereits zehn Punkte liegen. „Es ist immer wieder mehr drin. Da können uns diese Unentschieden natürlich nicht zufriedenstellen“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau.
KSC-Torjäger Hofmann zeigt, warum der HSV ihn wollte
Auch in Karlsruhe waren die Hamburger mal wieder mit 1:0 in Führung gegangen. Mitten in die erste Drangphase des mutigen KSC traf Sonny Kittel mit einem sehenswerten Kunstschuss in den Winkel (14.). Doch die Karlsruher hatten an diesem Abend nicht nur eine Druckphase zu bieten. Schon in der zweiten glich der im Frühjahr vom HSV umworbene Philipp Hofmann per Kopf aus (18.). Der Mittelstürmer zeigte, warum ihn Sportdirektor Michael Mutzel schon im Jahr zuvor holen wollte.
Hofmann aber wollte nicht zu HSV-Trainer Tim Walter. Dass der 28-Jährige dem HSV hätte helfen können, zeigte er nicht nur beim 1:1. Den Hamburgern fehlt oft die richtige Strafraumbesetzung, weil sich Angreifer Robert Glatzel häufig weit zurückfallen lässt.
So blieben die Chancen von Bakery Jatta (23.), Moritz Heyer (46.) und Kittel (64.) die einzigen Hochkaräter. Der KSC verpasste eine Vielzahl an Großchancen. Auch, weil Hamburgs Ersatztorhüter Marko Johansson erneut einen guten Tag erwischte. Der Schwede vertrat Daniel Heuer Fernandes, der am Spieltag signalisierte, noch nicht spielen zu können. Weil sich zudem noch Leo Oppermann über Nacht einen Magen-Darm-Infekt zuzog, reiste A-Jugend-Torwart Finn Böhmker (17) kurzfristig nach.
HSV fehlt Qualität im zentralen Mittelfeld
Der KSC konnte sich trotz 22:14 Torschüssen nicht mehr belohnen. Ein Satz, den man zuletzt häufig von HSV-Coach Walter gehört hatte. Doch an diesem Abend waren die Hamburger mit dem 1:1 gut bedient. Der HSV punktet und punktet weiter, aber er kommt in der Tabelle nicht von der Stelle. Den Hamburgern fehlt offensichtlich auch Qualität im Kader, etwa im zentralen Mittelfeld. Der HSV ist in vielen Statistiken spitze, ein Spitzenteam ist er aktuell nicht, wie Sky-Experte Torsten Mattuschka schon nach dem 1:1 gegen Holstein Kiel sagte.
Und der HSV? „Wir stehen leistungstechnisch und von der Entwicklung her da, wo ich uns mit dem jüngsten Kader der Liga erwartet habe“, sagte Trainer Walter. „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Dass dieser Weg nach oben führt, ist angesichts der jüngsten Leistungen fraglich.
„Nie mehr Erste Liga, HSV“, sangen die KSC-Fans im Wildpark. Unter den 20.000 Fans waren auch wieder die Karlsruher Ultras. In der Fankurve der Hamburger fehlte die aktive Fanszene. Gegen Regensburg nach der Länderspielpause könnten die Ultras erstmals wieder dabei sein, weil die von den Fans kritisierte Personalisierung der Tickets entfällt.
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Bei der Organisation des Sonderzugs half die aktive Fanszene mit. In der Rückrunde soll es die nächsten Touren geben. Möglicherweise wieder mit den Ultras. Und hoffentlich für die Fans auch wieder mit einem besseren HSV.