Hamburg. Im siebten Anlauf können die Hamburger den Nordrivalen wieder nicht bezwingen. Trainer Tim Walter liefert eine Erklärung.
Der HSV kann gegen Holstein Kiel offenbar nicht mehr gewinnen. Im Topspiel der 2. Bundesliga kamen die Hamburger am Sonnabend nicht über ein 1:1-Unentschieden (1:0) hinaus und haben den Anschluss an die Aufstiegsplätze verpasst. Es war für den HSV der siebte vergebliche Anlauf in einem Punktspiel gegen den Nordrivalen. Immerhin: Es war auch das zehnte Pflichtspiel nacheinander ohne Niederlage.
"Es ist extrem bitter und tut uns leid für die Fans", sagte HSV-Stürmer Robert Glatzel nach dem Spiel bei Sport1. "Wir müssen mit dem Punkt leben, weil wir nach dem Gegentor nicht mehr genug für das Spiel getan haben."
HSV-Trainer Tim Walter musste nach dem dramatischen Pokalerfolg in Nürnberg auf zwei Positionen umstellen. Anstelle von Tim Leibold, der nach seinem Kreuzbandriss wohl erst nächste Saison wieder spielen kann, begann Miro Muheim auf der linken Abwehrseite. Auch Stammtorwart Daniel Heuer Fernandes fiel wegen seiner Kapselverletzung im Knie wie befürchtet aus – die Entscheidung fiel nach einem letzten Belastungstest im Stadion.
Holstein Kiel startet mit zwei Ex-HSVern
Neuzugang Marko Johansson kam so zu seinem Ligadebüt. "Marko ist ein bisschen schlaksiger als Ferro, aber von seiner Spielweise her ganz ähnlich", sagte Walter vor dem Anpfiff am Sport1-Mikrofon.
Zwei weitere Personalwechsel waren sportlich begründet: Bakery Jatta und Faride Alidou kehrten in die Startelf zurück, für sie mussten Mikkel Kaufmann und Tommy Doyle weichen.
Holstein Kiel begann mit den früheren HSVern Finn Porath und Lewis Holtby – Letzterer auf der für ihn seltenen Sechserposition vor der Abwehr. Hamburgs einstiges Toptalent Fiete Arp war zunächst Ersatz.
Und es waren auch die Kieler, die für den ersten Aufreger der Partie sorgten: Benedikt Pichler versuchte es im Strafraum aus spitzen Winkel, traf aber zum Glück des HSV nur den Außenpfosten (7. Minute).
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Alidou fällt, Kittel trifft – und Harnik lobt
Von ihrem Angriffspressing ließen die Hamburger trotz des Schreckmoments aber nicht ab – und wurden schon kurz darauf belohnt. Sonny Kittel schickte Alidou in den Strafraum, Kiels Julian Korb traf den HSV-Newcomer bei seinem Rettungsversuch am Fuß (10.). Den fälligen Elfmeter verwandelte dann Kittel sicher zur Führung – und ließ sich zum Jubeln von der HSV-Bank Leibolds Trikot reichen (12.). Eine schöne Geste an den gebeutelten Teamkollegen.
Dass der HSV sich gleich um eine Zugabe bemühte, war nicht überraschend – wohl aber, dass er dabei das eigene Tor kaum in Gefahr brachte. Ein Distanzschuss von Pichler blieb lange Zeit das Gefährlichste, was die Kieler vor dem Hamburger Tor zustande brachten (25.). "Ich habe das Gefühl, dass Walter an der Restverteidigung gearbeitet hat und die Defensive kompakter steht", attestierte Ex-HSV-Stürmer und Sport1-Experte Martin Harnik. Er hatte die Konteranfälligkeit seiner einstigen Kollegen noch beim 1:1 gegen Düsseldorf mit deutlichen Worten bemängelt.
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Geradezu begeistert war Harnik und mit ihm das Hamburger Publikum – von Alidou. Nach einem tollen Solo war er nur mit einem Gelb-würdigen Foul zu stoppen (28.) – diesmal kurz vor dem Strafraum. Den folgenden Freistoß verzog Kittel knapp.
Kurz vor der Pause wäre es dann trotzdem fast passiert: Nach Pass von Pichler stand plötzlich Fin Bartels frei vor dem Hamburger Tor, doch Johansson warf sich spektakulär in dessen Schuss (42.). "Gut gehalten, trotzdem muss ich den reinmachen", ärgerte sich Bartels später bei Sport1.
Pichler erwischt den HSV eiskalt
Der HSV sollte zur Pause also gewarnt sein. Sollte. "Wir hatten uns fest vorgenommen, nicht wieder ein Tor zu kassieren", sagte HSV-Stürmer Glatzel später. Doch gleichsam mit der ersten Aktion der zweiten Halbzeit passierte genau das: Bartels bediente Pichler an der Strafraumkante, und der Österreicher traf durch Johanssons Beine zum Ausgleich (46.).
"Kiel war in der ersten Halbzeit mausetot, und wir haben sie durch dieses Gegentor wieder aufstehen lassen", ärgerte sich HSV-Kapitän Sebastian Schonlau.
Plötzlich war es ein anderes Spiel: Kiel setzte nach, der HSV musste den Schock erst einmal verarbeiten. Der Prozess war spätestens in der 60. Minute abgeschlossen, als der inzwischen für Jatta eingewechselte Kaufmann knapp am Kieler Tor vorbeischoss. Von der Szene könnte der junge Däne noch eine Weile schlecht träumen.
Arp und Holtby verpassen den Siegtreffer
Was aber soll erst Fiete Arp sagen? Als der einstige HSV-Liebling in der 70. Minute für Pichler eingewechselt wurde, bedachten ihn viele der fast 40.000 Fans mit Pfiffen, wie sie es zuvor schon bei Holtby gemacht hatten. Um ein Haar hätte sich Arp nur eine Minute später revanchiert, doch sein Abschluss aus fünf Metern prallte am gut postierten Johansson ab.
Dass die Mannschaften tabellarisch vor dem Anpfiff neun Plätze trennten, war längst nicht mehr zu sehen. Der HSV bemühte sich weiter um den zweiten Heimsieg, doch auch die erste Heimniederlage blieb eine realistische Option, zumal als Holtby in der Nachspielzeit im Strafraum zum Schuss kam. "Schade, dass ich uns da nicht belohnen konnte", ärgerte sich Holtby später, "aber es war ein geiles Spiel."
HSV-Trainer Walter beklagt Müdigkeit
Am Ende wurde es also ein Unentschieden, wie schon bei den vier Duellen der beiden Mannschaften zuvor. Holstein wird damit besser leben können. "Wenn wir so weitermachen, werden auch die Siege kommen", sagte Bartels.
Vom HSV lässt sich das vor dem Spiel am kommenden Sonnabend beim Karlsruher SC nicht unbedingt behaupten. "Wir müssen lernen, solche Spiele durchzuziehen", sagte Walter: "Aber am Ende hat nach 120 Pokalminuten unter der Woche auch die Kraft gefehlt. Es ist nur zu verständlich, dass uns dann nicht wieder der Lucky Punch gelingt."
Die Mannschaft müsse nun erst einmal durchatmen und brauche eine Pause. Die bekommt sie: Am Montag haben die Profis frei.