Hamburg. Vor dem Pokal-Achtelfinale gegen den 1. FC Köln bangt der HSV um sein neues Abwehrbollwerk und weitere Profis. Mavraj wird pathetisch.
Das medizinische Bulletin, das HSV-Trainer Markus Gisdol am Sonntagmorgen vor dem Training von Mannschaftsarzt Götz Welsch überreicht bekam, hätte umfangreicher nicht sein können. Dennis Diekmeier? Wurde oberhalb des Knies genäht, kann aber vorsichtig trainieren. Albin Ekdal? Muskuläre Probleme. Lewis Holtby? Ebenfalls muskuläre Probleme, dazu die Fleischwunde am Schienbein. „Die war ziemlich eklig“, so Gisdol. „Die musste in der Halbzeitpause am Freitag mit sieben Stichen genäht werden.“ Und die beiden Innenverteidiger Mergim Mavraj und Kyriakos Papadopoulos? „Bei beiden ist der Einsatz im Pokal offen“, sagt Gisdol. Der eine (Mavraj) hat Rücken und Probleme mit dem Oberschenkel. Der andere (Papadopoulos) hat alles. „Der ist ein Totalschaden“, sagt Gisdol, und lacht.
Wirklich lustig ist die personelle Situation vor dem Pokal-Achtelfinale am Dienstag gegen den 1. FC Köln (18.30 Uhr/Sky) eigentlich nicht, aber dank des verdienten 1:0-Siegs gegen Leverkusen ist die gute Laune im Volkspark zurück. „So ein Wochenende nach einem Sieg macht einfach Spaß“, sagt Mavraj, nachdem er seinen ramponierten Körper vier Stunden lang am Sonntagvormittag behandeln ließ.
Auch Holtby und Ekdal sind fraglich
Ob denn der Ex-Kölner gegen den FC auslaufen könnte, wurde Mavraj in den Katakomben des Volksparkstadions gefragt. „Heute war ein Rehabilitationstag“, antwortet der Albaner, der nicht zufällig im Besitz eines Diplomatenpasses ist. „Aber wenn heute Meisterschaft wäre, dann hätte ich gespielt.“
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Heute ist aber nicht Meisterschaft – und morgen auch nicht. Der HSV, der nach dem hart umkämpften Sieg gegen Leverkusen buchstäblich auf dem Zahnfleisch läuft, muss viel mehr an diesem Dienstag im Achtelfinale des Pokals antreten – und darf sich nun die Luxusfrage stellen, ob man nicht besser angesichts des Abstiegskampfes den einen oder anderen Versehrten schonen sollte oder nicht. „Schonen ist der falsche Ausdruck“, sagt Gisdol, der keinen Diplomatenausweis besitzt, diesen aber durchaus verdient hätte: „Wir werden die bestmögliche Mannschaft unter Berücksichtigung von allen Aspekten auf den Platz bringen.“ Noch Fragen?
"Matz ab" nach Leverkusen:
Mavraj übt sich im Pathos
Nun, tatsächlich drängt sich trotz Gisdols diplomatischen Geschicks weiterhin die Nachfrage auf, wer sich am Dienstag im Duell mit dem FC überhaupt fit meldet. Dabei ist der Fokus besonders auf das mutmaßlich unverwüstliche Abwehrduo um den Albaner Mavraj und den Griechen Papadopoulos gerichtet. „Wir sind vom gleichen Schlag. Unsere Völker haben in der Geschichte schon einige Schlachten gegeneinander geschlagen, da kennt man dann auch auf dem Fußballfeld irgendwann keine Angst oder Furcht mehr“, drückt es Hobby-Diplomat Mavraj blumig und ganz schön pathetisch aus.
Im Pokal wird allerdings keine Schlacht geschlagen, sondern nur ein Fußballspiel gespielt. Aber auch dieses will gewonnen werden. „Natürlich würde ich jubeln, wenn ich treffe“, sagt der Ex-Kölner Mavraj, der genau wie Abwehrpartner Papadopoulos bis zum Anpfiff am Dienstagabend rund um die Uhr medizinisch behandelt werden soll. „Nachdem Papa gegen seinen Ex-Club getroffen hat, würde ich gegen Köln gern nachziehen“, frohlockt Mavraj.
Müller staunt über "Papa"
Mit zwei Torschüssen hatte der frühere Kölner am Freitagabend gegen Leverkusen schon einmal die zweitmeisten Versuche. Geschlagen wurde er dabei nur von Abwehrkollege Papadopoulos, der beeindruckende viermal auf das Bayer-Tor schoss oder köpfte. „Ich bin schon lange dabei, aber so einen guten Kopfballspieler habe ich noch nie gesehen“, zollte Nicolai Müller, der eigentlich für das Toreschießen zuständig ist, Anerkennung. „Papa hat mir gesagt, ich soll die Ecken einfach hoch reinschießen, er kriegt jeden Ball.“
Jeden ist wohl etwas übertrieben, aber für einen hat es am Ende gereicht. „Er wollte das Tor unbedingt machen. Es war ein Tor des Willens“, sagte Gisdol, der ungern einzelne Spieler hervorhebt, bei Papadopoulos aber eine Ausnahme machte. „Genau diese Mentalität brauchen wir in unserem Team“, lobte der Coach. „Vom ersten Tag der Bemühungen an wusste ich, was wir da bekommen. Dass der eine oder andere skeptisch war bei seiner Verpflichtung, war mir egal. Papa ist ein Spieler, der das abliefert, was ich mir wünsche.“
Bilder vom Sieg gegen Leverkusen:
HSV feiert wichtigen Sieg im Abstiegskampf gegen Leverkusen
Gisdol erwähnt auch Djourou
Weil Ähnliches auch für Papadopoulos’ Abwehrpartner Mavraj gilt, hat der HSV, als dessen Problemzone bis vor Kurzem die Innenverteidigung galt, plötzlich eine echte Luxussituation. „Mit Papadopoulos, Mavraj und Johan Djourou haben wir jetzt drei Innenverteidiger, von denen wir problemlos jeden einzelnen aufstellen können – egal, in welcher Kombination“, freute sich Gisdol, der im Pokal gegen Köln „aus Gesamtabwägungsgründen“ wohl Djourou spielen lassen wird. Für den Rücken- und Oberschenkel-kaputten Mavraj. Oder den Ganzkörper-kaputten Papadopoulos.
Walace vor dem Debüt?
Wirklich exzessiven Gebrauch bekam das Wörtchen „kaputt“ zwei Tage nach dem intensiven Spiel gegen Leverkusen allerdings erst, als Trainer Gisdol am Sonntag nach dem Wohlbefinden von Lewis Holtby befragt wurde. „Das war schon ein kleines Wunder, dass er gegen Leverkusen 90 Minuten lang durchspielen konnte“, antwortete der Coach. „Der Lewis musste so richtig auf die Zähne beißen.“
Ob der Lewis aber auch gegen Köln auf die Zähne beißen darf, sei vorerst noch genauso offen wie ein Einsatz des fast schon chronisch kaputten Ekdals. Immerhin: Als Ekdal-Ersatz würde der neue Zehn-Millionen-Euro-Brasilianer Walace bereitstehen: „Wenn es notwendig wird, kann er spielen“, sagte Gisdol. Eine Entscheidung wolle er erst an diesem Montag treffen. Er – und Mannschaftsarzt Götz Welsch.