Papadopoulos erklärt ausgelassenen Jubel gegen seinen Hauptarbeitgeber Leverkusen. Adler verdrängt Mathenia und spricht von Phänomen.
Hamburg. Lass das mal den Papa machen! Der HSV siegt nach einem kampfbetonten Spiel durchaus verdient mit 1:0 gegen Bayer Leverkusen. Die Leihgabe der Werkself, Kyriakos "Papa" Papadopoulos, erzielte das Tor des Tages (76.) und machte seiner Rückennummer 9 damit alle Ehre. Nach einer eigentlich verunglückten Flanke von Nicolai Müller stieg der Grieche als einziger hoch und düpiert die komplette Hintermannschaft der Gäste mit seinem Kopfballtor.
Papadopoulos, der noch bis 2020 bei Leverkusen unter Vertrag steht, feierte den Treffer gegen seinen Hauptarbeitgeber ausgelassen – ein eher seltenes Schauspiel. Bezeichnend dafür schlug er sich bei seinem Jubellauf sogar auf die HSV-Raute auf seiner Brust, um seine offenbar bereits vorhandene Verbundenheit zum Club zu demonstrieren. "Ich freu mich richtig für ihn. Er war vor dem Spiel schon auf 180 und konnte sich nach seiner Leidenszeit belohnen", sagte Holtby über den Torschützen, der in der Hinrunde bei seiner Leihstation RB Leipzig nicht über die Reservistenrolle hinauskam. "Wenn wir einen Spieler verpflichten, dann muss er 100 Prozent und mit Herzblut alles für den Verein geben. Das tut er", freute sich Markus Gisdol.
HSV gegen Leverkusen – die besten Bilder
"Wir sind eine richtig geile Truppe, es freut mich, hier zu sein. Wir waren über 90 Minuten die klar die bessere Mannschaft", sagte Papadopoulos bei "Sky" und erhielt bei seiner Analyse Unterstützung von seinem Torhüter. "Wir haben verdient gewonnen durch eine Geschichte, die nur der Fußball schreibt", sagte ein schmunzelnder René Adler, der im Tor Christian Mathenia verdrängte und auch gleich die Binde des gelb-gesperrten Kapitäns Gotoku Sakai übernahm. Auch Vorlagengeber Müller war voll des Lobes über den Spieler des Spiels, der mit einer Quote von 72 Prozent bester Zweikämpfer auf dem Platz war. "So einen brutal guten Kopfballspieler habe ich noch nie erlebt. Er ist ein positiv verrückter Typ."
HSV klettert auf Relegationsplatz
Die Hanseaten verlassen durch die drei Punkte die direkten Abstiegsplätze und verbessern sich auf den Relegationsplatz 16. Während der Torschütze des Tages sich getreu seiner Hauptaufgabe auf dem Platz im Interview eher defensiv gab ("Es ist kein Tag zum Jubeln, wir müssen weiterarbeiten."), zeigte sich Holtby deutlich euphorischer. "Wenn wir so weiterspielen, mache ich mir keine Sorgen", sagte der Sohn eines Engländers über den Abstiegskampf. Leverkusen bleibt hingegen im Tabellen-Mittelfeld stecken. "Vom internationalen Geschäft brauchen wir nicht reden", sagte ein enttäuschter Kießling.
Douglas Santos erstmals auf der Bank
Vor 45.653 Zuschauern im Volksparkstadion sorgte HSV-Trainer Gisdol schon vor dem Anpfiff für eine Überraschung. Hamburgs Trainer vertraute links hinten in der Viererkette auf die Dienste von Matthias Ostrzolek und setzte den Brasilianer Douglas Santos erstmals auf die Bank. Seit seinem Wechsel im Sommer hatte der 22-Jährige keine Bundesliga-Minute verpasst.
Einzelkritik: Kostic unermüdlich – aber was hatte Holtby denn genommen?
Doch Santos wirkte zuletzt nicht immer souverän und leistete sich vor allem in der Defensive einige Patzer, die zu Gegentoren führten. Ostrzolek gefiel hingegen in seiner neuen Rolle im defensiven Mittelfeld – mit Ausnahme des Ingolstadt-Spiels (1:3), als die komplette Mannschaft neben sich stand. Auf der Sechs spielten diesmal Albin Ekdal, der nach seiner Gelb-Rot-Sperre zurückkehrt und Gideon Jung. Wie erwartet, vertrat Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier den gesperrten Sakai. Im Vergleich zur Pleite in Ingolstadt nahm Gisdol damit fünf Personalwechsel vor.
Auf der Gegenseite spielte ein alter Bekannter im Abwehrzentrum. Jonathan Tah kehrte mit Leverkusen an seine alte Wirkungsstätte zurück. Das wollte eigentlich auch Hakan Calhanoglu von sich behaupten, doch der türkische Nationalspieler wurde wegen einer Vertragsverlängerung als 17-Jähriger beim KSC von der Fifa für vier Monate und damit den Rest der Saison gesperrt.
Gregoritsch fällt länger aus
Eine erste Hiobsbotschaft musste der HSV bereits wenige Stunden vor der Partie hinnehmen. Angreifer Michael Gregoritsch zog sich dabei einen Bänderriss im linken Sprunggelenk zu, nachdem er am Donnerstag im Training umgeknickt war. Der Österreicher wird mehrere Wochen ausfallen.
Holtby mit offener Wunde
Die erste Halbzeit war von vielen Nickligkeiten geprägt. Kurz vor der Pause zählten die Statistiker bereits 22 Fouls, Lewis Holtby zog sich sogar eine offene Wunde am Schienbein zu. Der Mittelfeld-Kämpfer konnte aber bis kurz vor Schluss weiterspielen, als er aus taktischen Gründen für Abwehrspieler Johan Djourou weichen musste (87.).
Während die Gäste versuchten, das Spiel zu machen, beschränkte sich der HSV zunächst auf aggressives Pressing und schnelle Konter. Für Torgefahr konnten aber beide Angriffsreihen nicht sorgen. Einzig Mergim Mavraj prüfte Leno mit einem harmlosen Versuch nach einem Freistoß von Lewis Holtby aus dem linken Halbfeld (11.). Es war der einzige Schuss aufs Tor in den ersten 45 Minuten.
Nach einer knappen halben Stunde hätte es fast die erste Großchance gegeben. Müller behauptete einen langen Ball gegen Nationalspieler Benjamin Henrichs und steckte exzellent durch auf Wood, der eigentlich freie Bahn zum Tor, doch Probleme bei der Ballkontrolle hatte, weshalb Kevin Kampl herbeieilen und klären konnte. Zur Pause gab es dennoch verhaltenen Applaus von den leidgeprägten Fans, gefolgt von "HSV, HSV"-Anfeuerungsrufen.
HSV-Schreck Kießling scheitert an Latte
Schon kurz nach dem Seitenwechsel hätten die Hanseaten in Führung gehen müssen. Müller sah im Augenwinkel den startenden Bobby Wood und steckte mustergültig mit der Hacke durch. Der US-Stürmer nahm den Ball technisch einwandfrei mit, war schneller als Tah, doch scheiterte frei vor Bayer-Keeper Bernd Leno am Außennetz.
Überhaupt schien Markus Gisdol mit seiner Kabinenansprache genau den richtigen Ton getroffen zu haben. Der HSV war plötzlich die bessere Mannschaft, agierte mit mehr Leidenschaft und drängte auf den Führungstreffer. Kurz nach Woods Großchance profitierte Müller von einem haarsträubenden Fehlpass in der Spieleröffnung von Leverkusens Abwehrchef Ömer Toprak. Hamburgs Rechtsaußen schien bereits durch, doch der Türke konnte mit einer Grätsche seinen Fehler wieder wettmachen.
HSV sendet Zeichen an die Konkurrenz
Besser machte es dann Papadopoulos, der zuletzt – natürlich für Leverkusen – am 29. September 2015 in der Gruppenphase der Champions League beim FC Barcelona (1:2) zur zwischenzeitlichen Führung getroffen hatte. Dass sein Tor das einzige des Freitagabends blieb und dem HSV somit das 1000. Jubiläums-Heimgegentor erspart blieb, hatte auch mit Glück zu tun. In der Schlussphase scheiterte der zur Halbzeit eingewechselte Stefan Kießling mit einem Kopfball am Querbalken (85.). Es wäre das 11. Tor gegen seinen Lieblingsgegner gewesen.
So aber feiern die Hamburger den dritten Saisonsieg im Volksparkstadion und klettern in der Heimtabelle vom letzten auf den 13. Platz. Viel wichtiger sind jedoch die drei Punkte im Abstiegskampf und das Zeichen an die Konkurrenz: der HSV lebt noch und kämpft um den Klassenerhalt.
Die Aufstellungen
HSV: Adler - Diekmeier, Papadopoulos, Mavraj, Ostrzolek - Ekdal, Gideon Jung - Nicolai Müller (86. Waldschmidt), Holtby (87. Djourou), Kostic (90.+1 Hunt) - Wood. - Trainer: Gisdol
Leverkusen: Leno - Henrichs, Tah, Toprak, Wendell - Aranguiz, Baumgartlinger (46. Kießling) - Bellarabi (64. Brandt), Kampl - Mehmedi (82. Bailey), Volland. - Trainer: Schmidt
Schiedsrichter: Jochen Drees (Münster-Sarmsheim)
Tor: 1:0 Papadopoulos (76.)
Zuschauer: 45.653
Gelbe Karten: Bellarabi (2), Kampl (3), Wendell (4)
Torschüsse: 11:5
Ecken: 4:3
Ballbesitz: 44:56 %
Zweikämpfe: 131:125