Ziel des HSV ist, dass der Argentinier den Klub als Interimscoach auch ohne die nötige Fußball-Lehrerlizenz vorerst weiter betreuen darf.

Hamburg. Der Hamburger SV bemüht sich nach der Absage an Huub Stevens um eine Sondergenehmigung für Rodolfo Cardoso. Ziel ist, dass der Argentinier den Club als Interimscoach auch ohne die nötige Fußball-Lehrerlizenz vorerst weiter betreuen darf. „Es gibt feste Regeln. Ich will den offiziellen Weg über DFB und DFL gehen. Dann sehen wir weiter“, sagte HSV-Sportdirektor Frank Arnesen am Montag.

Nach den Regeln dürfte Cardoso maximal 15 Tage das Zepter in der Hand halten, das wäre bis zum Mittwoch nach dem Schalke-Spiel. Doch auch wenn die Verbände grünes Licht erteilten, dürfte diese Sondergenehmigung nicht für allzu lange Zeit gelten.

Arnesen ist zumindest angetan von der bisherigen Arbeit des Argentiniers. "Ich bin sehr überzeugt von Cardosos Arbeit, sowohl vor als auch nach dem Spiel gegen Stuttgart. Er ist in der Halbzeit sehr sachlich mit dem Rückstand umgegangen und hat das Geschehen gut analysiert. Ich würde gerne länger mit ihm zusammenarbeiten."

Zu in Medien gehandelten Nachfolge-Kandidaten für Ex-Coach Michael Oenning wollte der Sportchef nichts sagen.

Barbarez bringt sich ins Gespräch

Der ehemalige HSV-Profi Sergej Barbarez bricht eine Lanze für Rodolfo Esteban Cardoso als Trainer auf Dauer beim Hamburger Fußball-Bundesligisten. „Ich könnte Rodolfo als Partner zur Seite stehen. Wir waren nicht nur Teamkollegen, wir sind enge Freunde - und wir vertreten eine Philosophie. Das würde passen“, sagte Barbarez der Tageszeitung „Die Welt“ (Dienstag).

Anders als Cardoso, der lediglich als Interimstrainer berufen wurde, besitzt der 40-jährige Barbarez die Fußballlehrer-Lizenz. „Sollte Rodolfo im Sommer seinen Schein machen, würde ich ihm den Rücken freihalten“, sagte der Bosnier. In finanzieller Hinsicht wolle er Abstriche machen: „Ich weiß um die wirtschaftliche Lage des Vereins, daher spielt Geld in diesem Zusammenhang für mich keine Rolle.“

Stevens reagiert überrascht auf Absage

Trainer Huub Stevens hat überrascht auf die Absage vom Fußball-Bundesligisten Hamburger SV reagiert. In seiner Kolumne im Internetportal Sport1 räumte der niederländische Fußballlehrer zudem Gespräche mit Schalke ein. „Horst Heldt (Schalkes Manager, d.Red.) hat mich am Wochenende angerufen, wir haben kurz gesprochen. Ich bin ein freier Trainer, ich höre mir alles an. Der HSV spricht ja auch nicht nur mit einem Kandidaten“, schrieb Stevens: „Wenn die Hamburger das jetzt als Grund für die Absage nennen, dann ist das ihre Entscheidung und die muss ich akzeptieren.“

Stevens, der die Norddeutschen bereits im Jahr 2007 im Abstiegskampf erfolgreich als Trainer übernommen hatte, galt beim HSV als erster Anwärter auf die Nachfolge des in der vergangenen Woche beurlaubten Michael Oenning. Außerdem gab Stevens in seiner Kolumne an, dass er sich eine Rückkehr zum HSV sehr gut hätte vorstellen können. Nach der Absage an ihn nannte er seine Landsleute Louis von Gaal und Marco van Basten als Favoriten. „Van Gaal hat bereits bei Bayern gezeigt, dass er ein guter Bundesliga-Trainer sein kann, van Basten hat die Erfahrung in der Liga noch nicht gesammelt“, sagte Stevens.

(dpa/sid/abendblatt.de)

Der HSV will Stevens nicht

Carl-Edgar Jarchow nutzte den trainingsfreien, sonnigen Sonntag zu stundenlangen Gesprächen - mit der Familie auf der Terrasse seiner Schwiegereltern in Halstenbek. Bestens gelaunt teilte der HSV-Vorsitzende mit, dass es nichts mitzuteilen gebe in der Trainersuche. Außer dass sicher sei, dass Huub Stevens am Montag um 15 Uhr nicht das Training der Profis an der Arena leiten werde.

Dass der Niederländer in den kommenden Tagen als neuer Cheftrainer der Hamburger vorgestellt wird, schien am Nachmittag indes durchaus noch weiter möglich, obwohl sich Meldungen vom Wochenende, die Einigung mit dem 57-Jährigen wäre beschlossene Sache, als vorschnell entpuppt hatten. Erst am Abend sickerte dann durch, dass der HSV von einer Verpflichtung Stevens' Abstand nimmt.

Aber der Reihe nach: Am Sonnabend nach dem 2:1-Erfolg beim VfB Stuttgart machte sich HSV-Sportchef Frank Arnesen direkt aus der schwäbischen Hauptstadt nach Eindhoven auf, um sich mit dem früheren HSV-Trainer zu treffen. Dort tauschte man Vorstellungen und Positionen in einer entspannten Atmosphäre aus. "Es war ein nettes, ausführliches Gespräch", sagte Stevens, dem am Sonntag am Telefon deutlich anzumerken war, dass er sehr gerne sein Comeback in Hamburg geben würde. "Wir haben über alles gesprochen. Ich warte jetzt auf eine Reaktion aus Hamburg." Übersetzt hieß das in etwa: Gibt der HSV sein Jawort, sitzt Stevens schon am nächsten Tag im Auto Richtung Hamburg.

Auch über die Mannschaft des HSV fand er schon lobende Worte, nachdem er das Spiel in Stuttgart am Fernseher verfolgt hatte: "Nur mit jungen Spielern geht es natürlich nicht, das war nie anders", urteilte er in gewohnter Manier, um aber hinzuzufügen: "Wenn ich mir die zweite Halbzeit anschaue, was ein Töre und natürlich Lam aufgezogen haben, weil sie mutig waren, dann muss ich sagen: So geht das. So kannst du was erreichen."

Allerdings war offensichtlich auch die Nachricht bis zu Stevens durchgedrungen, dass auch er beim FC Schalke 04 auf der Liste der Kandidaten für die Nachfolge von Ralf Rangnick steht, der am Donnerstag sein Amt aufgegeben hatte. Ein hundertprozentiges Bekenntnis nur zum HSV gab es von Stevens nicht, was für Arnesen reichte, um den Daumen zu senken: Am Abend informierte der Däne den Berater von Stevens darüber, dass dieser gerade von der Kandidatenliste der Hamburger gestrichen worden sei.

Sollte sich nicht eine ähnlich überraschende Wende ergeben wie bei der Entlassung von Michael Oenning vor einer Woche, sitzt nun gegen Schalke am kommenden Sonntag Rodolfo Cardoso auf der HSV-Bank (siehe auch Bericht Seite 24). Und es wäre in diesen verrückten Tagen nicht wirklich verwunderlich, würde Stevens auf der Bank des Gegners Platz nehmen.

Die Trainersuche muss der HSV nun allerdings nicht von vorne beginnen. Schon bevor die Absage an Stevens publik wurde, hatte der HSV-Vorsitzende Carl-Edgar Jarchow durchblicken lassen, dass Stevens nur eine Option gewesen sei: "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir eine Entscheidung bis zur zweiwöchigen Länderspielpause nach dem Spiel gegen Schalke haben wollen, daran hat sich nichts geändert", sagte der HSV-Boss. "Wir sprechen mit mehreren Trainern, auch Huub Stevens und Marco van Basten stehen auf der Liste." Es könne aber durchaus sein, dass Interimstrainer Cardoso auch gegen die Gelsenkirchener noch auf der Bank sitze. Dieser Fall tritt nun ein.

Von Anfang an war zudem fraglich, ob Stevens und Arnesen überhaupt zusammenpassen würden. Schließlich will der Sportchef des HSV einen Übungsleiter finden, der die ähnliche Philosophie vom Fußball wie er vertritt, mit dem er vertrauensvoll zusammenarbeiten kann und mit dem er im Einzelfall auch sportliche Entscheidungen besprechen kann. Ob sich da ein knorriger Trainertyp der alten Schule wie Stevens hätte reinreden lassen?

Wohl kaum. Zudem glänzte Stevens bei früheren Trainerstationen zwar häufig durch Erfolg durch sein sicherheitsorientiertes Spiel, aber nicht unbedingt damit, dass er jüngere Spieler förderte und entwickelte. Genau das soll aber der neue Trainer beim HSV vorantreiben. Die 90 Minuten in Stuttgart haben den Bossen den Glauben zurückgegeben, dass der vor der Saison eingeschlagene Weg doch der richtige ist.

So wird es wohl noch mehrere Tage dauern, bis Arnesen die Trainerfrage geklärt hat und sie auch vom Aufsichtsrat hat absegnen lassen, da der Trainervertrag zustimmungspflichtig ist. In der Liste der Kandidaten steht der Niederländer Marco van Basten nun weit oben. Auszuschließen ist allerdings nicht ganz, dass am Ende doch noch ein Trainer das Rennen macht, den der Vorstand vor der Öffentlichkeit noch geheim hält. Fest steht nur, dass es nicht der gerade entlassene Nationaltrainer Bulgariens, Lothar Matthäus, sein wird - auch wenn sich das der eine oder andere Fan des Lokalrivalen FC St. Pauli wünschen würde.