Der Trainerverschleiß lässt die Frage zu, ob dieser HSV überhaupt ordentlich zu führen ist. Eine Antwort sollte lieber schnell gefunden werden.

Hamburg. Wer im Lexikon auf den Seiten mit den Buchstaben "un" nachschlägt, findet so allerhand interessante Wortkonstrukte. Unpaarhufer (Säugetiere mit stark entwickelter Mittelzehe), die Unstrut (linker Nebenfluss der Saale in Thüringen) und Unitarier (Angehörige protestantischer Gruppen, die die Einheit Gottes betonen) werden dort erklärt, das Wort "untrainierbar" sucht man im altehrwürdigen Brockhaus allerdings genauso vergeblich wie im Duden. Vielleicht hätte man auch einfach Kaiser Franz fragen sollen, der zur gesuchten Fußballvokabel bereits am Wochenende seine ganz eigenen Gedanken artikuliert hat. "Ich kenne keinen Trainer auf der Welt, der dem HSV helfen könnte", antwortete Beckenbauer in der wöchentlichen Stammtischsendung "Sky90" auf die Frage, ob dieser HSV tatsächlich untrainierbar sei. Beckenbauers niederschmetterndes Fazit: "Ein normaler Mensch hätte kurzfristig keine Chance."

Die einfache Frage, warum das eigentlich so ist, verdient eine etwas komplexere Antwort. Dabei greift der reflexartige Erklärungsversuch der HSV-Verantwortlichen, dass die Krise eine Folge des nicht vermeidbaren Umbruchs im Sommer sei, viel zu kurz. Tatsächlich stehen noch immer 18 aktuelle oder ehemalige Nationalspieler im HSV-Kader, der laut transfermarkt.de einen Wert von 91,45 Millionen Euro hat. Die mit 26,6 Jahren fünftälteste Mannschaft der Bundesliga, die der geschasste Michael Oenning am Sonnabend gegen Gladbach ins Rennen schickte, ist auch keinesfalls zu unerfahren. Viel mehr scheint sie unfit (fünf Gegentore in der Schlussviertelstunde), unmotiviert (kaum ein Bundesligateam läuft weniger), unbelehrbar (acht Standardgegentore), undiszipliniert (taktische Vorgaben wurden wiederholt missachtet), kurzum: unqualifiziert und, ganz bitter, tatsächlich untrainierbar.

In den vergangenen vier Jahren versuchten mit Thomas Doll (der Newcomer), Huub Stevens (der Knorrige), Martin Jol (der General), Bruno Labbadia (der Akribische), Ricardo Moniz (der Motivator), Armin Veh (der Erfahrene) und eben Michael Oenning (der Theoretiker) sieben unterschiedliche Trainertypen, die Profis nach ihren Vorstellungen zu führen. Der Erfolg war mal größer, mal kleiner - für Kontinuität hat letztlich keiner gesorgt.

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Sportchef Frank Arnesen sucht nun also einen Trainer, der die Untrainierbaren trainieren soll, nicht mehr und nicht weniger. Nach Angaben der dänischen Zeitung "Ekstrabladet" ist Dänemarks Nationaltrainer Morten Olsen weiterhin ein Kandidat. Arnesen hatte Olsen, den er sehr schätzt, bereits im Frühling zum Gedankenaustausch in Dubai getroffen, eine mögliche Doppelfunktion sei denkbar: "Ähnliches habe ich mit Guus Hiddink in Chelsea erlebt, der damals ja auch die russische Nationalmannschaft trainierte", sagt Arnesen. Eine tatsächliche Verpflichtung Olsens gilt aber aufgrund der laufenden EM-Qualifikation als unwahrscheinlich. Marco van Basten und Huub Stevens dürfen sich dagegen weiter als Mitglieder im erweiterten Kandidatenkreis fühlen, auch wenn Stevens gegenüber dem Abendblatt betont, noch immer nicht kontaktiert worden zu sein. Drei bis vier Wochen, das versicherte HSV-Chef Carl Jarchow, soll die Suche jedenfalls nicht dauern.

Wie denn der Neue so sein soll, wurde Heiko Westermann gestern gefragt. Der HSV-Kapitän, der sich auf seinen vierten Trainer freuen darf, zuckt mit den Schultern. "Nach 13 saisonübergreifenden Spielen ohne Sieg und sechs Spielen mit nur einem Punkt in dieser Spielzeit ist der Schritt des HSV nachvollziehbar. Was wir jetzt brauchen ist ein stabiler Trainer, ein echter Typ", sagt Westermann, "wir Spieler haben eine Teilschuld an der Misere."

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Zumindest beim letzten Satz möchte man dem früheren Schalker uneingeschränkt zustimmen. Auf fast allen Positionen, das ist die zwangsläufige Erkenntnis der ersten sechs Spiele, fehlt es dem Team an Klasse. Ganz offensichtlich sucht die Mannschaft noch immer eine funktionierende Hierarchie. Lediglich Westermann erfüllte bislang den Anspruch eines Führungsspielers. Torhüter Jaroslav Drobny (125 Bundesligaspiele/6 Länderspiele), Linksverteidiger Dennis Aogo (95/7), Mittelfeldroutinier David Jarolim (301/24) und Stürmer Mladen Petric (107/36) scheinen dagegen viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein.

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"Wir können uns jetzt nicht mehr verstecken", sagt Westermann, "so geht es ganz einfach nicht weiter." Von Interimstrainer Rodolfo Cardoso erhofft er sich einen echten Schub beim Spiel am Freitag in Stuttgart, schließlich hätten die meisten Trainerwechsel eine positive Wirkung, zumindest kurzfristig. Die Frage, wer langfristig die Untrainierbaren trainieren soll, bleibt vorerst unbeantwortet.

Mitarbeit: fhe, sm