Wie Andreas C. Wankum seine Vision vom Stadion verwirklichte - und am Ende trotzdem alles verlor.

Hamburg. Andreas C. Wankum weiß noch ganz genau, wo das Unheil seinen Lauf genommen hat. Bei einem Italiener in der Wandsbeker Zollstraße bestellte er sich eine große Portion Gnocchi - und sein Frustessen begann. "Im Laufe der Stadiongeschichte bis heute habe ich 30 Kilo zugenommen", schätzt er. "Was mir an Geld verloren ging, habe ich an Kilos zugenommen."

30 bis 35 Millionen Euro Privatvermögen will Wankum allein am HSV-Stadion verloren haben. Sein Insolvenzverfahren und das seiner Firmengruppe Deuteron sind bis heute nicht abgeschlossen. "Von angemeldeten 250 Millionen Euro sind etwa ein Fünftel anerkannt worden."

Vor dem Stadionbau befand sich Wankum auf dem Höhepunkt seines Wirkens. Kurz vor Ende der Schulzeit hatte er sich am Eppendorfer Baum als Blumenhändler Geld für seine Ausbildung verdient. In den 90er-Jahren baute und entwickelte er mit diversen Partnern in Hamburg Projekte wie die Kehrwiederspitze oder die Umweltbehörde. Wankum war der größte Lieferant von Behördenbauten für die Stadt. In den USA baute er 25 Bürogebäude (Atlanta, Minneapolis). Am HSV-Stadion war Wankum mit 20 Prozent beteiligt, ihm gehörte die beste Loge des VIP-Bereichs. Aber Wankums Vision ging noch viel weiter. "Drei bis vier WM-Stadien in Deutschland wollte ich bauen", sagt er. Der HSV-Bau sollte für den CDU-Schatzmeister der Türöffner sein.

"Ich war so was von wild auf das Projekt, ich wollte es unbedingt machen." Der Preis, den er für seine unternehmerische Vision, seine Abenteuerlust zahlte, war hoch - weil der Preis für das Stadion zu niedrig angesetzt war.

Der Anfang war vielversprechend. "Ursprünglich sollte sich Deuteron zusammen mit Holzmann nur für die Multifunktionshalle bewerben. Doch Berater Volker Lange riet uns, das Stadion besonders zu berücksichtigen." Über das angeforderte Gutachten wusste Wankum, dass die Stadt für ein neues Stadion 150 Millionen Euro veranschlagte.

Wankum hoffte auf 20 Millionen Euro Zuschuss von der Stadt, am Ende ließ sich Holzmann auf 10,9 Millionen Euro herunterhandeln - die erste Niederlage.

Wankums Clou war die Finanzierung. Wer würde die Millionen zum Bau ohne Sicherheit geben? Keine Bank der Welt. Wankum sprach mit der Deutschen Städtereklame (Vermarkter im Volksparkstadion). Ihm kam die Idee, dass ein Vermarkter eine Bürgschaft geben könnte. Als er Verleger John Jahr bei einem Kuratorium der Deutschen Sporthilfe traf, bat er diesen, ihm einen Termin bei Ufa Sports zu besorgen. Jahr half. Investieren musste Wankum in der Planungsphase für das Gesamtkonzept der Finanzierung Beratungskosten in Höhe von 375 000 Euro.

"Danach ging ich zur Landesbank und sagte: Wenn Bertelsmann mit 6,5 Millionen Euro bürgt, was könnt ihr an Geld geben?" Mit dem Zuschuss der Stadt kam man auf 159 Millionen Mark (81,5 Millionen Euro).

"Mit dieser Summe bin ich zu Siegfried Greve, der von Holzmann als Generalunternehmer empfohlen worden war, und fragte: Welches Stadion können wir mit diesem Geld bauen? Daraus ergab sich die Konfiguration."

Es war eine wilde Zeit. Wankum: "Ich hatte keinen Kaufvertrag, keinen Bauvertrag, keinen Finanzierungsvertrag. Nur Vertrauen in die Partner und heftige Verhandlungen." Mit jeder Partei. "Die Ufa forderte plötzlich für die VIPs einen staufreien Zugang von der Autobahn." Der Ausbau der Osttribüne wurde aufwändiger als geplant. Dass noch völlig unklar war, welches Dach (kostete schließlich 16,5 Millionen Euro) gebaut werden sollte - eines von tausend Problemen.

Warum der Rasen im Stadion um 90 Grad gedreht wurde, ist dabei purer Zufall. "Ich sehe Jehuda Geldmann, meinen Mitgesellschafter, noch genau vor mir. Er rauchte und stützte sich mit der Hand auf dem Tisch mit den durchsichtigen Architektenplänen ab. Dabei verrutschte ein Schnipsel, und wir bemerkten: Hey, der Rasen passt ja gedreht genau rein!"

Noch heute ärgert sich Wankum, dass er nicht auf Holger Hieronymus hörte, der ihm geraten hatte, nebenan ein neues Stadion zu bauen statt bei laufendem Betrieb. "Ich bin nie aus der Fehler-Situation herausgekommen. Dabei hätte ich sagen müssen: Entweder ihr spielt nach meiner Musik. Oder ihr spielt in Hannover." Immer wieder wurde umgeplant. Allein die Umplanungen im im Eingangsbereich für die VIPs (Osttribüne) habe 4,5 Millionen Euro Mehrkosten verursacht. "Aber Greve sagte nur: Kein Problem. Das bekommen wir hin."

Er bekam es nicht hin. 1999 trennte sich Wankum von Greve, mit dem HSV einigte er sich, Mehrkosten hälftig zu übernehmen. Später ging er in die private Haftung. Doch weitere Baumängel und Verzögerungen ließen die Kosten weiter steigen.

Unbezahlte Handwerker-Rechnungen in Höhe von über fünf Millionen Euro türmten sich auf. Es gab groteske Situationen, als Handwerker vor der Filiale der Vereins- und Westbank am Jungfernstieg standen und Schecks in Höhe von 30 000 Euro einlösten, die eilig von Wankum ausgestellt worden waren, damit die Arbeiter nicht streiken und die Durchführung des Wolfgang-Petry-Konzerts gefährden.

Am 22. Dezember 2000 musste Wankum private Insolvenz anmelden, im Januar auch für Deuteron. Er verlor seinen Anteil am Stadion, seine Loge. Rückblickend sagt er: "Ich war der Meinung, dass wir ein gemeinsames Ziel gemeinsam erreichen wollen. Aber Werner Hackmann, das sage ich ganz nüchtern, hatte ein anderes Ziel. Er wollte für den HSV am meisten rausholen."

Wirtschaftlich hat sich Wankum bis heute nicht erholt. Die Immobilienentwicklungsfirma oneVest gehört seiner Frau. Für die CDU sitzt er seit 2004 in der Bürgerschaft. Aber das Scheitern seiner Vision schmerzt. Besonders krass war es bei der WM 2006. Als Abgeordneter konnte er Karten bestellen - letzte Reihe, C-Rang, Westtribüne. Die Alt-HSVer Uwe Seeler, Willi Schulz und Harry Bähre sowie Kurt Krägel (Stadion-Management) luden ihn in die HSV-Loge ein.