Als Lichtgestalt auf der glamourösen Bühne des europäischen Fußballs taugt er nicht. Will er auch nicht. Der Mann, der das stolze Spanien vor einer weiteren Demütigung bewahren soll, wirkt in der Öffentlichkeit verbittert und schlecht gelaunt. Und ob auf dem Platz oder bei Pressekonferenzen - er sieht aus wie ein Großteil der Klientel, die beim allmorgendlichen Frühschwimmen Hamburgs Hallenbäder füllt. Wer zeitig aufsteht, dem begegnen alte Männer in Trainingsanzügen. Luis Aragones allerdings ist ein vom Fußball Besessener. Sein halbes Leben hat der fast 70-Jährige als Fußballtrainer verbracht und stand bei über 1000 Partien an jener Linie, die so weiß ist wie sein gescheiteltes Haupthaar. Zuvor hatte er als Profi selbst in Spaniens höchster Liga (u.a. 265 Spiele und 123 Tore für Atletico Madrid) gegen den Ball getreten.

Auf der Iberischen Halbinsel gilt er als Inbegriff ehrlicher Arbeit. Aragones ist einer, der das Leistungsprinzip predigt. Wer den Trainer, der sein Trainingsanzug-Outfit bei den Übungseinheiten um eine umgehängte Trillerpfeife erweitert, und seine Spieler bei der Arbeit beobachtet, merkt schnell, dass Disziplinlosigkeiten selten an der Tagesordnung sind. Entscheidend ist für ihn der Fußball. Auf dem Platz.

Zu rhetorischen Spielzügen mit den Medien hat Aragones, der sich als Trainer des FC Barcelona einmal auf der Flucht vor Journalisten in der Kabine einschloss, weder Lust noch Geduld. Auftritte in der Öffentlichkeit sind ihm zuwider. Er weiß, dass er dieses Spiel nicht beherrscht.

Infrage gestellt wird er dennoch nicht. Selbst der verbale Fehlpass, als er 2004 dem bei Arsenal zum Reservisten degradierten Jose Antonio Reyes Mut zusprechen wollte, wurde nach Zahlung einer Buße von 3000 Euro übersehen. Mit den Worten "Sagen Sie diesem Scheißneger, dass Sie besser sind als er", hatte Aragones seinen Spieler gegen dessen Kollegen Thierry Henry aufgehetzt.

Die Empörung aus dem Ausland prallte an Aragones nahezu wortlos ab. Verhasst und als Rassist abgestempelt ging er in stoischer Gelassenheit seiner Arbeit nach. Vielleicht hätte er einfach die Geschichte erzählen sollen, wie er Kameruns Top-Stürmer Samuel Eto'o einmal auf einem Flughafen gegen pöbelnde Rassisten zur Hilfe gekommen war. Doch sein eigenes Image interessierte den Sturkopf noch nie. Die eigenen Spieler sind dagegen voll des Lobes, wenn sie auf ihren Trainer angesprochen werden. Es entsteht das Profil eines Fachmanns, der für sein Team Lehrer und beschützender Vater gleichermaßen ist.

Die nötigen fußballerischen Qualitäten sind ohnehin vorhanden. Auch ohne Raul und den 17-jährigen Shootingstar Bojan Krkic. Das Mittelfeld um die Barca-Dauerbrenner Xavi und Andres Iniesta sowie Arsenals Cesc Fabregas verspricht höchste Klasse und befördert die Spanier in die Favoritenrolle auf den Gruppensieg. Herausschießen soll diesen Fernando Torres (24). Mit der Form des einzigen echten Stürmers in Aragones' System steht und fällt der Erfolg.

Wie "El Nino" (das Kind) verdienen auch Ersatztorhüter Pepe Reina, Alvaro Arbeloa und Xabi Alonso ihr Geld in Liverpool. Dass der englische Klub die meisten spanischen Auswahlspieler unter Vertrag hat, zeigt, dass die Spanier diesmal über mehr Erfahrung im Umgang mit anderen Spielformen verfügen als bei den letzten Turnieren - vielleicht die entscheidende Komponente auf dem Weg zum Titel. Auch wenn Aragones wohl selbst nach dem Triumph den Gang zur Pressekonferenz als lästige Pflichtaufgabe empfinden würde.

Prognose: Der Titel ist möglich.