Hamburg. Der junge Franzose gewinnt sein erstes ATP-500er-Turnier. Zverev hatte Probleme mit dem Blutzuckerspiegel, musste sich behandeln lassen.
Der junge Franzose Arthur Fils (20) hat nach einem dramatischen Match am Rothenbaum den größten Erfolg seiner Karriere gefeiert und Titelverteidiger Alexander Zverev entthront. Fils gewann das Finale der Hamburg Open vor 10.000 Zuschauern auf dem ausverkauften Center Court mit 6:3, 3:6, 7:6 (7:1). Die 3:33 Stunden lange Partie war eines der besten Endspiele in Hamburg seit Jahren.
Fils kassiert 353.000 Euro für den Sieg und klettert in der Weltrangliste das erste Mal in seiner Karriere auf Platz 20. „Ich habe lange und hart dafür gearbeitet“, sagte er nach der Siegerehrung durch Sportstaatsrat Christoph Holstein, „ich habe heute alles dafür getan zu gewinnen.“
Zverev plagen im Rothenbaum-Finale gegen Fils körperliche Probleme
Zverev war zunächst aber ganz offensichtlich von körperlichen Problemen geplagt. Beim Stand von 4:2 und 40:40 aus Sicht des Franzosen musste Zverev eine „Auszeit“ nehmen. Mitten im Match setzte er sich auf seine Bank und ließ Turnierarzt Volker Carrero und einen Physiotherapeuten kommen. „Ich kann mich nicht aufrecht halten, mein Bauch zieht mich runter“, klagte er.
„Ich hatte Probleme mit meinem Blutzuckerspiegel“ erklärte der Typ-1-Diabetiker nach dem Spiel: „Ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen.“ Mit Elektrolyten halfen ihm die Ärzte – „ab Mitte des zweiten Satzes war es okay“, so Zverev.
Zverevs Knieverletzung klingt allmählich ab
Die Knieverletzung, die er in Wimbledon erlitten hatte, war erneut kein Faktor. „Es wird nicht schlimmer werden“, sagte er zu der kleinen Fraktur im Knochen, „die Frage ist nur, wie ich die Schmerzen wegstecken kann.“
Das war ihm über die Woche sehr gut gelungen. Im Halbfinale am Sonnabend gegen den Spanier Pedro Martinez (6:2, 6:4) war von einer Einschränkung gar nichts zu sehen. Zverev schien absolut fit für das Finale. „Es ist mit jedem Match besser geworden“, sagte er, „ich hätte auch fünf Sätze spielen können.“ Olympia kann also kommen, Dienstag reist er nach Paris.
Zverev fand nur schwer in das Match
Allerdings stach am Sonntagnachmittag die Sonne, es waren über 30 Grad, auf dem Platz wahrscheinlich noch mehr. In den Wechselpausen nutzen die Spieler „Eiskragen“ zur Abkühlung. Zverev wirkte gleich zu Beginn des Matches weniger agil als sein 20 Jahre junger Gegner und gab gleich seinen Aufschlag zum 0:2 ab.
Diesen Rückstand konnte er im ersten Satz nicht mehr aufholen, obwohl es reichlich Gelegenheiten gab. Insgesamt wehrte Fils 21 von 22 Breakbällen ab. Teilweise mit Glück, wenn die Kugel die Linie berührte, meist aber entschlossen durch gute Aufschläge und mutige Angriffsschläge. „Es hilft nicht, wenn man nur eine Breakchance verwandelt“, kritisierte Zverev sich selbst.
Vor dem dritten Satz kam der strömende Regen
Zverev blieb im zweiten Satz dran, die Elektrolyte begannen zu wirken. In jedem Aufschlagspiel des Franzosen im zweiten Satzes hatte er die Möglichkeit, seinem Gegner den Aufschlag abzunehmen. Der wehrte sich jedoch erstklassig, erst mit Zverevs insgesamt 17. Breakball war es so weit, Zverev ging 4:2 in Führung und glich anschließend aus.
Vor dem dritten Satz musste wegen eines heranziehenden Gewitters dann das Dach geschlossen werden. Es entwickelte sich bei am Ende strömendem Regen ein erbarmungsloser Schlagabtausch auf allerhöchstem Niveau, bei dem auch die Nerven der Spieler schließlich bloßlagen. Der Tiebreak war der logische Schluss eines unglaublichen Spiels. „Da war Arthur bei jedem Schlag besser als ich“, gab Zverev zu.
Krawietz/Pütz siegten im Doppel
Teil eins des deutsch-französischen Vergleichs auf dem Center Court ging zuvor an die Gastgeber. Im Doppelfinale verteidigte das deutsche Topduo Kevin Krawietz (32/Coburg) und Tim Pütz (35/Frankfurt am Main) seinen Vorjahrestitel erfolgreich. Es setzte sich 7:6 (10:8), 6:2 gegen die französische Paarung Fabien Reboul (28) und Edouard Roger-Vasselin (40) durch.
Mit Fils setzt sich eine kleine Tradition in Hamburg fort. Viele junge Spieler haben in den vergangenen Jahren hier ihren Durchbruch gefeiert. Unter anderem spielte Alexander Zverev in Hamburg vor zehn Jahren mit 17 Jahren erstmals das Halbfinale eines ATP-Turniers.
Fils in der Tradition von Federer und Nadal
Vor zwei Jahren besiegte der Italiener Lorenzo Musetti als 20-Jähriger den damals 19 Jahre jungen Carlos Alcaraz. Tatsächlich haben in Hamburg im 21. Jahrhundert schon sechs Spieler unter 21 Jahren das Finale erreicht, darunter auch Rafael Nadal und Roger Federer. „Das wusste ich nicht“, sagte Fils, „aber es ist toll, in einer Reihe mit solchen Legenden zu stehen.“
„Arthur ist einer der talentiertesten Spieler auf der Tour und hat das Potenzial, einer der besten Spieler der Welt zu sein“, wusste Zverev auch nach zwei von ihm gewonnenen Vergleichen mit dem Toptalent: „Es liegt an ihm, was er daraus macht. Wenn er den Ball im Schläger hat, ist er einer der Besten.“
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Dabei musste der Champion praktisch zu seinem Glück gezwungen werden. „Ich wollte nicht hierherkommen, sondern in den zwei Wochen vor den Olympischen Spielen nur trainieren“, erzählte Fils ganz offen, „aber mein Management hat gefragt, ob ich nicht in Hamburg spielen möchte.“
Nun ist der französische Shootingstar Vertragsspieler bei der Agentur Tennium, die seit diesem Jahr auch Ausrichter der Hamburg Open ist. Da wird man schon mit dem notwendigen Nachdruck argumentiert haben, um das Spielerfeld mit nur drei Top-20-Profis etwas aufzuwerten. Ähnliches wird für den Dänen Holger Rune gelten, der ebenfalls von Tennium gemanagt wird.