Hamburg. Mit einem neuen Leistungssportkonzept stellt der Verband die Weichen für die Zukunft. Die bessere Förderung kostet zwei Millionen Euro.

Neben der Bewunderung für die ATP-Stars können die Zuschauer seit diesem Freitag auf den Außenplätzen am Rothenbaum schon einen Blick in die Tennis-Zukunft werfen. Bis einschließlich Sonntag findet die Qualifikationsrunde des European Summer Cup der Junioren U16 parallel zum ATP-Turnier statt.

In Hamburg können sich die besten Youngster aus acht Nationen für die Europameisterschafts-Endrunde im französischen Le Touquet qualifizieren.

Tennis: Alster-Talent trainiert mit Topspieler Rune

Dabei ist auch das deutsche Team, das von Bundestrainer Philipp Petzschner, dem einstigen Weltklasse-Doppelspieler, betreut wird. Der Hamburger Mika Petkovic (17) vom Club an der Alster hatte in den vergangenen Tagen während der Hamburg Open die Möglichkeit, mit dem Dänen Holger Rune zu trainieren.

„Er war völlig geflasht“, berichtet Veronika Rücker (54), im Vorstand des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) verantwortlich für den Nachwuchsleistungs- und Spitzensport. „Wegen dieser Erfahrungen sind solche Wettbewerbe für die Jungs wichtig.“

Seidel und Noha Akugue verlassen Hamburg

Wie Mika Petkovic gehören auch Ella Seidel (19) und Noma Noha Akugue (20) vom Club an der Alster zu den deutschen Hoffnungsträgerinnen für die Zukunft. Das gilt aber schon länger, so richtig voran geht es in der Weltrangliste nicht. Seidel wurde in dieser Woche auf Platz 166 notiert, Noha Akugue auf 197. Da verdient man noch kein Geld, da trägt sich der Job noch nicht. Zeit, etwas zu verändern.

Beide werden deshalb die Hansestadt demnächst verlassen, neues Umfeld, neue Trainer, neuer Anfang. Ella Seidel zieht zum Bundesstützpunkt Oberhaching, Noha Akugue geht nach Hannover. „Wir müssen die Athleten und Athletinnen mit ihren individuellen Bedürfnissen künftig besser fördern“, sagt Rücker.

Leistungssportkonzept mit 80 Experten erarbeitet

Tatsächlich ist der Blick auf die aktuellen Weltranglisten bei Damen und Herren aus Sicht des DTB gerade wenig verheißungsvoll. Vier Herren sind unter den Top 100 notiert, keiner davon ist jünger als 25 Jahre, zwei sind älter als 30. Bei den Damen ist es noch auffälliger: Ebenfalls vier Top-100-Spielerinnen, darunter in Tatjana Maria und Laura Siegemund zwei 36-Jährige, die die derzeit besten Deutschen sind. Die Hamburger Olympiateilnehmerin Tamara Korpatsch ist 29 – das sieht nicht gerade zukunftsträchtig aus.

„Wir haben als größter Tennisverband der Welt aber den Anspruch, wieder und dauerhaft in der absoluten Weltspitze vertreten zu sein“, erklärt Rücker: „Jetzt ist der Moment, dafür die Weichen zu stellen.“ Die Grundlage dafür soll ein neues Leistungssportkonzept leisten, das mit rund 80 internen und externen Experten einschließlich Kritikern des bisherigen Weges erarbeitet wurde.

Ziel: Bis 2032 acht bis zehn Spieler in den Top-100

„Das Ziel ist es, bis 2032 jeweils acht bis zehn Spieler und Spielerinnen in den Top 100 der Welt zu haben“, sagt Rücker, und – wichtiger noch: „Zehn Spielerinnen unter 21 Jahren in den Top 400 sowie zehn Spieler unter 23 Jahren in den Top 500.“

Um das zu erreichen, wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket erarbeitet, das zunächst einmal Geld kostet, wenn man es denn komplett umsetzen möchte. Der DTB geht von zwei Millionen Euro jährlich aus. Auch vom Staat erhofft man sich mehr als die bisherige eine Million Euro, mit der die Nachwuchsförderung im Tennis bislang unterstützt wird.

Talentförderung soll früher beginnen

„Ich denke, wir haben da angesichts der Größe unseres Verbandes gute Argumente“, sagt Rücker. Ein wesentlicher Punkt in dem von allen Landesverbänden mitgetragenen Konzept ist ein besseres Eingehen auf die Bedürfnisse und Charaktere Einzelner. Dafür soll eine Laufbahnberater oder -beraterin sorgen. Auch wird der Weg an US Colleges als Fördermöglichkeit aktiv unterstützt und nicht mehr links liegengelassen. Der DTB versucht deshalb, Hochschulen mit einem ambitionierten Tennisprogramm zu identifizieren.

„Ganz wichtig ist es aber auch, dass wir mit der Förderung junger Spieler und Spielerinnen früher beginnen“, sagt Rücker. Die Teilnahme an Turnieren ist schon für Jugendliche essenziell wichtig, und für den späteren Übergang in den Erwachsenenbereich erst recht. Das ist aber mit erheblichen Reisekosten verbunden, die sich manche Familien eben nicht leisten können.

„Diese Talente dürfen wir nicht mehr verlieren“, fordert Rücker. Idealerweise beginnt diese Unterstützung schon im Alter von zwölf, 14 Jahren. Über mögliche Rückzahlungsmodelle dieser Förderung bei einem Durchbruch als Profi wird dabei noch nachgedacht.

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Um die Reisekosten zu reduzieren, möchte der Verband auch das Erfolgsmodell aus Italien kopieren, die aktuell neun Männer unter den Top 100 im ATP-Ranking haben. Und das heißt: viele Turniere im eigenen Land ausrichten. Dabei geht es nicht um die Top-Veranstaltungen auf professionellem Tourniveau, sondern um die „dritte Liga“ mit Preisgelder zwischen 15.000 und 25.000 Euro.

Bei diesen Veranstaltungen gibt es neben Wettkampferfahrung auch Weltranglistenpunkte. „Wir wünschen uns, dass es in Zukunft weitere 30 dieser Turniere in Deutschland gibt, 18 als Freiluftveranstaltung und zwölf in der Halle“, sagt Rücker.

Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, heißt es. Den scheint der DTB nun gemacht zu haben. Ob er ans erhoffte Ziel führt, das kann erst die Zukunft zeigen.