Hamburg. Hockey-Idol Moritz Fürste spricht vorm Bundesligastart über Neuerungen und die Aussichten der Hamburger Clubs.

Sein Abschiedsspiel ist vier Jahre her, den Überblick über seinen Sport hat Moritz Fürste aber nicht verloren. Im Gegenteil: Für den neuen Streamingdienst Dyn, der von dieser Saison an alle Partien der Hockey-Bundesligen überträgt, ist der 38-Jährige, der mit seiner Agentur Upsolut Sports die von ihm ins Leben gerufene Fitnesssportart Hyrox vermarktet, als Experte im Einsatz.

Mit seinem langjährigen Hamburger Nationalteamkollegen Tobias Hauke (35) bespricht er alle drei Wochen in einem 40-minütigen Videoformat aktuelle Themen. Für das Abendblatt blickt der Welthockeyspieler von 2012 und zweimalige Olympiasieger auf die an diesem Sonnabend beginnende Feldsaison 2023/24 voraus.

Die wichtigste sportliche Veränderung

Die Hockey-Bundesliga hat die schon von 2008 bis 2010 praktizierte Regel wieder eingeführt, dass Spiele, die unentschieden enden, in einem Penaltyschießen einen Sieger finden müssen, der einen Extrapunkt erhält.

Zehn von zwölf Teams bei den Herren und acht von zwölf bei den Damen waren dagegen, dennoch wurde es beschlossen. Das kann vor allem für die kleineren Clubs eine große Chance sein, wichtige Punkte zu sammeln, entsprechend ernst muss man es nehmen und auch trainieren.

Die wichtigste strukturelle Veränderung

Dass Dyn Hockey in sein Portfolio aufgenommen hat, ist für unseren Sport eine riesige Chance. In der Grundversorgung ändert sich zwar nicht allzu viel, denn die meisten Vereine haben bislang ja schon Livestreaming ihrer Spiele angeboten. Aber die entscheidende Neuerung ist, dass man professionell aufbereiteten Content gebündelt über die ganze Woche hinweg bekommt.

Und weil die Hockeyspiele nicht auf einer separaten Plattform, sondern über dyn.sport abrufbar sind, haben wir die Möglichkeit, auch Fans aus dem Basketball, Handball, Volleyball oder Tischtennis abzuholen. Ich hoffe, dass dadurch auch mal das schönste Tor des Spieltags viral geht, anstatt in der Hockey-Blase zu versickern.

Der spannendste Transfer

Tatsächlich finde ich, dass es auf Spielerseite keine herausragenden Wechsel gegeben hat. Der Abgang von Nationalstürmer Michel Struthoff von meinem Heimatverein Uhlenhorster HC zu Rot-Weiß Köln ist wahrscheinlich der spektakulärste Transfer. Insofern sehe ich die spannendste Personalie auf der Trainerbank des Hamburger Polo Clubs.

Ich halte Matthias Witthaus, der trotz laufenden Vertrags nach dem Viertelfinalaus in der vergangenen Saison entlassen wurde, für einen sehr guten Bundesligatrainer. So jemanden freiwillig gehen zu lassen ist ein sehr interessanter Move.

Die neue Konstellation mit dem Niederländer Robert Tigges und Christoph Bechmann, der vom Harvestehuder THC zu Polo gewechselt ist, birgt einigen Zündstoff. Ich bin sehr gespannt, wie sich die beiden aufteilen. Das kann extrem gut, aber auch richtig schiefgehen.

Die besten Titelchancen

Die haben bei den Damen Titelverteidiger Mannheimer HC, der sich sehr gut verstärkt und in Pauline Heinz eine der besten Nationalstürmerinnen geholt hat, und der Club an der Alster, der in weiten Teilen zusammengeblieben ist und in Jule Bleuel vom Münchner SC ebenfalls einen interessanten Neuzugang zu verzeichnen hat.

Bei den Herren sehe ich Titelverteidiger Köln auch in dieser Saison ein Stück weit vor den anderen, aber auch der Mannheimer HC, Uhlenhorst Mülheim und Polo werden um den Titel mitspielen.

Die Aussichten der Hamburger Clubs

Was die Titel angeht, habe ich meine Kandidaten ja bereits genannt. Bei den Damen sehe ich eine Dreiklassen-Gesellschaft: Ganz vorn Alster und Mannheim, dahinter ein breiteres Mittelfeld, in das sich der UHC und der HTHC einsortieren, wobei meine Hoffnung als natürlich nicht objektives UHC-Mitglied ist, dass unsere Mädels, die nur einen Abgang haben, ein Final-Four-Kandidat sind, während ich den HTHC etwas dahinter sehe.

Für den Großflottbeker THGC wird es wieder nur gegen den Abstieg gehen. Cool finde ich, dass Flottbeks Nationalstürmerin Jette Fleschütz ihrem Team treu bleibt. Für so etwas habe ich große Sympathie.

Bei den Herren sehe ich auf den HTHC Probleme zukommen. Und das nicht, weil sie eine schlechte Mannschaft hätten oder weil ich noch immer sauer bin, dass sie meinem UHC im Juni den Europapokalplatz weggeschnappt haben. Sondern weil die Gruppe mit Köln, Polo, Mülheim und dem Berliner HC wirklich hart ist. Da ist nur Aufsteiger Frankfurt 80 klarer Außenseiter, die anderen fünf werden sich hart um die vier Viertelfinalplätze streiten.

Und der HTHC muss nach dem Abgang von Christoph Bechmann den Umbruch schaffen. Allerdings haben sie auch schon oft bewiesen, dass sie Stehaufmännchen-Qualitäten haben. Dem UHC und Alster traue ich in der Gruppe mit den beiden Mannheimer Teams, Krefeld und Aufsteiger Gladbach das Viertelfinale nicht nur zu, sondern rechne fest damit.

Die größte Herausforderung

Die stellt sich dadurch, dass die Nationalspielerinnen und -spieler im Januar die Olympiaqualifikation und im Februar in der Pro League spielen müssen. Dadurch haben sie keine Pausen, sind auch mental extrem belastet. Das kann Mannschaften wie den MHC, Köln und Mülheim bei den Herren oder Alster und Düsseldorf bei den Damen schwächen, die müssen schauen, wie sie deren Belastung steuern.

Die offene Frage

Bei der Heim-EM in Mönchengladbach standen bei den Herren die Niederlande und England im Finale; zwei Teams, die auf Manndeckung setzen, die im Welthockey von der Raumdeckung verdrängt worden war. Ich bin der Überzeugung, dass die Entwicklung hin zu einer Kombination gehen muss, um in heiklen Spielphasen schnell umschalten zu können. Ich bin sehr gespannt, ob wir das schon in dieser Saison sehen.