Mönchengladbach. Bei der Heim-EM in Mönchengladbach verpassen beide Hockey-Nationalteams ihre Ziele und müssen um die Qualifikation für Olympia bangen.

Die Medaille, die bronzefarben vor ihrer Brust baumelte, entlockte Charlotte Stapenhorst zwar ein Lächeln, aus tiefstem Herzen kam dieses jedoch nicht. „Ich gebe ehrlich zu, dass ich mich jetzt auch lieber erst warm machen würde“, sagte die Nationalstürmerin von den Zehlendorfer Wespen aus Berlin.

Dabei blickte sie auf die Hockeydamen aus den Niederlanden und Belgien, die sich im Mönchengladbacher Hockeypark auf ihr Finale vorbereiteten – das Titelverteidiger Niederlande 3:1 gewann und damit zum vierten Mal in Serie und zum zwölften Mal bei bislang 16 Austragungen triumphierte.

Hockey-EM: Bronze für Damen

Dass die deutschen Damen bei der Heim-EM immerhin ihr Minimalziel erreichten und ihr letztes Spiel bei einem internationalen Großturnier gewannen, daran hatte Stapenhorst ihren Anteil. Die 28-Jährige war beim 0:1 im Halbfinale gegen Belgien am Donnerstagabend mit zwei vergebenen Großchancen noch tragische Figur gewesen.

Nun trug sie zum 3:0-Sieg im Spiel um Platz drei am Sonnabend gegen England das Tor zum 2:0 (26.) bei. Außerdem trafen Kapitänin Sonja Zimmermann (HC Bloemendaal/12.) per Strafecke und Jette Fleschütz (Großflottbeker THGC/58.) nach herausragender Vorarbeit von Amelie Wortmann (Uhlenhorster HC).

Bundestrainer mit Turnier nicht zufrieden

In Anbetracht der Tatsache, dass der bis dato letzte Sieg in einem Medaillenspiel vor sieben Jahren bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro ebenfalls im Bronzematch gelungen war, zeigte sich Bundestrainer Valentin Altenburg „mit dem Abschluss zufrieden, aber nicht mit dem gesamten Turnier, denn grundsätzlich haben wir unser Ziel nicht erreicht.“

Dennoch könne er dem Auftreten seines Teams, für das acht Hamburgerinnen nominiert waren, viel Positives abgewinnen. „Wir haben viel mehr Selbstverständnis in unseren Aktionen, haben eine starke Defensivleistung gezeigt und uns als geschlossene Einheit präsentiert.“

17:1 Tore aus fünf Spielen

Tatsächlich war es angesichts einer Gesamtbilanz von vier Siegen und 17:1 Toren aus fünf EM-Spielen fast tragisch, dass das einzige Gegentor zum Verpassen beider Ziele – erster EM-Triumph seit 2013 und damit verbunden die direkte Qualifikation für Olympia 2024 in Paris – führte. Aber genau daraus gilt es, Schlüsse zu ziehen.

„Wir brauchen eine noch bessere Chancenverwertung, größere Dominanz im Auftreten, das gleiche Energielevel von Anfang bis Ende. Und wir müssen Lösungen erarbeiten, wie wir gegen Mannschaften ohne eigenen Spielanspruch, gegen die wir als Favorit das Spiel machen müssen, mehr Durchschlagskraft entwickeln können“, sagte der Hamburger Coach.

Herren verpassen Medaille

Deutlich bedrückter, aber letztlich mit ähnlicher Schlussfolgerung gingen die deutschen Herren aus dem Turnier. Mit den gleichen Zielen wie die Damen gestartet, musste sich die Auswahl von Bundestrainer André Henning am Sonntagmittag nach einem 0:2 gegen Olympiasieger Belgien mit Rang vier begnügen. Europameister wurden die Niederlande, die ihren Titel dank eines 2:1 gegen England erfolgreich verteidigten.

Die deutschen Herren mussten konstatieren, dass es ihnen in zwei K.-o.-Spielen über insgesamt 120 Minuten nicht gelungen war, Zählbares auf die Anzeigetafel zu bringen. Auf die Frage, ob ein Halbfinalaus bei der Kontinentalmeisterschaft für einen amtierenden Weltmeister mehr als nur ein aufs Ergebnis bezogener Rückschritt ist, fand Henning eine klare Antwort.

Im Penaltyschießen fehlte Glück

„Wir haben vor dem Turnier gesagt, dass die Top vier in Europa, die hier im Halbfinale standen, auf Augenhöhe sind. Deshalb sehe ich nicht, dass wir in unserer Entwicklung hier einen Rückschritt gemacht haben.“

Man kann dieser Argumentation folgen, wenn man den überraschenden WM-Triumph richtig einordnet. In Indien hatte Hennings Auswahl Ende Januar gegen die Engländer noch drei Minuten vor Schluss 0:2 zurückgelegen, sich dank ihrer Comebackqualitäten ins Penaltyschießen gerettet und dort das Glück auf ihrer Seite gehabt, das ihnen am Freitagabend beim 4:5 im Shoot-out gefehlt hatte.

Angriff war nicht torgefährlich genug

Weil der Krefelder Niklas Wellen, in Indien mit sieben Treffern Torschützenkönig, nur einmal traf; weil die hoch veranlagten Angreifer Thies Prinz (25/RW Köln) und Timm Herzbruch (26/Mülheim) zu selten Weltklasseansprüchen genügten; und auch weil die Strafeckenausbeute zu schwach war, fehlte es an Torgefahr.

Nun müssen beide Teams das Olympiaticket Mitte Januar bei Qualifikationsturnieren lösen, die Damen wahrscheinlich in China, die Herren wohl in Pakistan. Endgültige Klarheit darüber gibt es Anfang November, wenn alle Kontinentalmeister feststehen. Für beide Bundestrainer steht aber fest: „Wir holen uns die Tickets, egal wo und gegen wen.“

Verband zieht positive Bilanz

Abseits des Sportlichen war der Deutsche Hockey-Bund (DHB) mit der Ausrichtung des ersten Heimturniers seit 2011 vollends zufrieden. Trotz eines für den klammen Verband nicht einfach zu stemmenden Etats von drei Millionen Euro sei die finanzielle Lage im grünen Bereich.

„Wir hatten an sechs der zehn Turniertage ein fast ausverkauftes Stadion und haben mit dem Rahmenprogramm für Hockey in Deutschland neue Maßstäbe gesetzt“, sagte DHB-Sportdirektor Martin Schultze, der für die Jahre 2025 bis 2027 Bewerbungen für Spiele des Nationenwettbewerbs Pro League ankündigte.

Sportlich ordnete der langjährige Trainer der UHC-Herren das Turnier als enttäuschend ein. „Wir hatten schon die klare Erwartungshaltung, dass beide Mannschaften die Finals erreichen.“ Mit der Arbeit der beiden Bundestrainer sei man aber absolut zufrieden. „Ich würde mir wünschen, dass wir sie auch über 2024 hinaus binden“, sagte der 51-Jährige.