Hamburg. Emma Davidsmeyer vom Club an der Alster ist die Hockey-Nationalspielerin, die sich im vergangenen Jahr am meisten weiterentwickelt hat.

Sonnenschein; so nennt der Volksmund Menschen, die mit einem Strahlen im Gesicht immer gute Laune verbreiten. Emma Davidsmeyer ist so ein Mensch, und es fällt wirklich nicht leicht, sich die Hockey-Nationalspielerin dabei vorzustellen, wie sie die Beherrschung verliert.

„Kommt auch nur sehr selten vor. Wenn ich Sachen verpeile, weil ich meinen Kopf nicht richtig anstelle, zum Beispiel“, sagt sie. Oder, wenn sie mit ihrer Mannschaft wichtige Spiele verliert. „Das beschäftigt mich lange, weil ich weiß, wie intensiv und hart wir uns vorbereitet haben. Sich dann nicht zu belohnen, das nervt mich kolossal“, sagt die 24-Jährige.

Davidsmeyer kam 2019 aus Bremen nach Hamburg

In dieser Feldsaison soll das nicht passieren. Seit die Außenverteidigerin im Sommer 2019 vom Bremer HC zum Club an der Alster kam, hat sie mit dem Hamburger Traditionsverein nur einen deutschen Hallenmeistertitel gewinnen können.

„Nur“ muss es heißen, weil die geballte Qualität im mit Nationalspielerinnen gespickten Kader deutlich mehr Erfolgspotenzial bietet. „Irgendwie war es in den vergangenen Jahren verhext. Ich finde, in dieser Saison sind wir endlich mal dran“, sagt sie.

Club an der Alster will am Sonnabend die Endrundenteilnahme klarmachen

Die erste Hürde auf dem Weg zur Final-4-Endrunde in Mannheim am 3./4. Juni hat Alster überzeugend genommen, der 6:2-Sieg im ersten Spiel der Best-of-3-Viertelfinalserie gegen den Harvestehuder THC am vergangenen Sonnabend war eine Machtdemonstration.

Ein weiterer Erfolg an diesem Sonnabend (12.30 Uhr) auf eigener Anlage am Pfeilshof in Wellingsbüttel würde zum Halbfinaleinzug genügen, eine mögliche Entscheidungspartie würde am Sonntag (12.30 Uhr) ebenfalls bei Alster ausgetragen.

Emma Davidsmeyer wäre jedoch nicht die Spielerin, zu der sie über die Jahre geworden ist, wenn sie nicht auch im Triumph den Blick für das Verbesserungspotenzial bewahren würde. „Nach dem 5:0 hatten wir eine Schwächephase, die wir uns bei einem engeren Spielstand nicht erlauben dürfen. Den Fokus zu verlieren, das ist immer gefährlich, und gerade den HTHC darf man niemals unterschätzen“, sagt sie.

Bundestrainer Altenburg lobt Weiterentwicklung

Sätze sind das, die Trainer gern hören, weil sie von Reife und Verantwortungsbewusstsein zeugen. Aber Emma Davidsmeyer sagt sie nicht, um den Coaches zu gefallen, sondern weil sie genauso denkt und fühlt. Und das ist es, was sie im deutschen Damenhockey zu einer derjenigen gemacht hat, die in den vergangenen zwölf Monaten die größte Weiterentwicklung vorweisen können.

Wenn Valentin Altenburg sich daran erinnert, wie er Emma Davidsmeyer vor vier Jahren kennen lernte, kommt dem Damen-Bundestrainer sofort der Spitzname in den Sinn, den er ihr damals gab: Emma mit der Eisenstange. „Sie lief mit ihrem steifen Handgelenk etwas verkrampft über das Spielfeld. Inzwischen ist ihre Ballbehandlung viel runder geworden. Wenn sie so weitermacht, wird sie noch ‚Emma, die Elegante‘ genannt werden“, sagt der Hamburger.

Eine anspruchsvolle Bescheidenheit zeichne die Abwehrspielerin aus, in deren Spiel „sehr viel kreative Power“ stecke. „Sie hilft uns durch ihre starke Zweikampfführung, ist im vergangenen Jahr viel intuitiver und selbstbewusster in ihrem Spiel geworden“, sagt er.

Sie traut sich jetzt, auch Fehler zu machen

Woran dieser Wandel festzumachen ist? Emma Davidsmeyer glaubt, dass ihr die Erfahrung, über Jahre im Verein und im Nationalteam mit den Besten trainieren und spielen zu können, sehr viel geholfen habe. „Man traut sich mit der Zeit mehr zu, macht auch mal Dinge, ohne Angst vor Fehlern zu haben“, sagt sie. Mehr Ruhe am Ball und eine höhere Passsicherheit seien Weiterentwicklungen, die sie an sich selbst beobachtet habe.

Defensiv sei sie mit ihren Leistungen durchweg einverstanden, „offensiv ist noch einiges an Potenzial da. Ich fange gerade an zu lernen, wie schnell ich sein kann und wie ich diese Geschwindigkeit optimal einsetzen kann“, sagt sie.

Dabei helfe ihr, eine höhere Fehlertoleranz zuzulassen. „Dadurch dass man immer wieder sieht, dass man auf höchstem Niveau mithalten kann, erlaubt man sich auch, mal einen Fehler zu machen. Früher war mein Gefühl oft, dass es nicht okay ist, wenn nicht alles richtig läuft. Das ist jetzt anders“, sagt sie.

Hadern mit sich selbst hat sie eingedämmt

Sie habe das Hadern mit sich selbst eindämmen können, mit dem sie sich früher oft selbst im Weg stand, ohne dabei weniger (selbst-)kritisch zu sein. „Emma hat eine sehr ehrliche Art, Feedback zu geben. Das macht sie zu einem super Menschen für unser Team“, sagt Valentin Altenburg.

Über sich selbst zu sprechen, das ist der gelernten Arzthelferin, die im sechsten Semester Medizin studiert und aktuell ein im Medizinstudium Famulatur genanntes Praktikum bei einem Hausarzt absolviert, nicht immer geheuer.

Sie wirbelt, wenn das Gespräch nach ihrem Geschmack zu sehr um sie kreist, ihr Mobiltelefon auf dem Tisch herum, zupft an ihrem goldenen Ohrring oder dreht an einer ihrer blonden Locken. Dass sie eine absolute Mannschaftssportlerin ist, unterstreicht auch, dass sie „man“ sagt, wenn „ich“ passender wäre, aber immer „wir“, wenn sie über sportliche Ziele spricht.

Nächste Ziele: Meister mit Alster, EM und Olympia

Diese hat sie für die kommenden Monate, die zumindest bis zu den Olympischen Sommerspielen im August 2024 in Paris voll im Zeichen des Sports stehen, klar definiert: deutscher Meister mit Alster werden, bei der Heim-EM in Mönchengladbach im August und bei Olympia in Frankreich mit dem Nationalteam maximal erfolgreich abschneiden.

Diese Erfolge erzwingen oder ihr Lebensglück von Titeln abhängig machen, das will sie jedoch auf keinen Fall. „Der Weg ist das Ziel, ich möchte jedes Erlebnis genießen und mich darüber freuen, dass ich dabei sein darf“, sagt sie.

Sich im Nationalteam festzuspielen und im Verein Führungsspielerin zu sein, das seien zwar Dinge, die sie sich fest vornehme. „Aber es ist nichts, was ich erwarten würde. Wenn es klappt, ist es der absolute Hammer“, sagt sie. Und wenn nicht? Dann wird die Sonne trotzdem weiter scheinen.