Am Mittwoch jährte sich der Todestag des ehemaligen Nationaltorhüters Robert Enke. Angehörige, der DFB, Hannover 96 und Fans trauerten still.
Hamburg. Wildfremde Menschen kamen zusammen, nahmen sich in die Arme und ließen ihren Tränen freien Lauf. Ein Meer aus Blumen, Schals, Trikots und Fotos bedeckte den Gehweg neben dem Bahnübergang in Neustadt am Rübenberge im Ortsteil Eilvese. Kurz zuvor hatte sich Nationaltorwart Robert Enke an jenem 10. November 2009 dort das Leben genommen. Was zuvor nur engste Vertraute wussten: Der Torhüter von Hannover 96 litt an starken Depressionen. Vier Tage später versammelten sich rund 40.000 Menschen im Stadion des Bundesligisten um Abschied zu nehmen. Abschied von einem Idol, der im Tor der Nationalelf und von Hannover 96 immer Ruhe ausstrahlte. Doch in seinem Inneren sah es anders aus. Die Angst vor dem Versagen begleitete den sozial engagierten Familienvater in seiner ganzen Karriere.
Anders als im vergangenen Jahr wurde der Todestag von Robert Enke in diesem Jahr in stiller Trauer begangen. Hannover 96 verzichtete auf eine große Trauerfeier oder einen Gedenkgottesdienst. DFB-Präsident Theo Zwanziger, Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und die Vereinsoffiziellen von 96 legten am Mittag gemeinsam mit Witwe Teresa Enke und Angehörigen Kränze am Grab auf dem Friedhof Empede nieder. „Es war mir ein persönliches Bedürfnis, heute an Roberts Grab zu treten, um mich an diesem Tag in aller Stille an einen großartigen Menschen zu erinnern“, sagte Bundestrainer Löw. Die Öffentlichkeit war davon ausgeschlossen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainierte auch die Mannschaft von Trainer Mirko Slomka am heutigen Mittwoch. Die Fans erinnerten sich in einer Gedenkstätte im Stadion an ihr Idol. Um 19.00 Uhr zog ein Trauermarsch mit rund 1000 Menschen aus der Innenstadt zum Stadion.
Ein Jahr nach dem Tod von Robert Enke haben sie in der Biografie "Ein allzu kurzes Leben" von Enke-Freund und Journalist Ronald Reng erfahren, wie krank der Mann, den sie stets als stark empfanden, wirklich war. Viel wurde davon gesprochen, dass ein Umdenken in der Gesellschaft und im Profisport stattfinden muss. Das Thema Depression darf kein Tabuthema mehr sein. Sportler, die dem enormen Druck nicht mehr Stand halten können, sollen Hilfe erfahren, statt ausgegrenzt zu werden. Doch in diesen Tagen stellt sich immer wieder die Frage, wieviel sich wirklich nach dem Freitod von Robert Enke geändert hat?
Nicht wenige aus der Branche sagen, es habe sich kaum etwas getan. Dass Menschen mit Depressionen nicht allein bleiben, sondern Hilfe erfahren, ist eine Aufgabe, die sich Teresa Enke gegeben hat. Als Vorsitzende der Robert-Enke-Stiftung will sie über die Krankheit aufklären, an der allein in Deutschland rund vier Millionen Menschen leiden. Teresa Enke sagt: "Für mich würde sich schon viel ändern. wenn es einfach nur Verständnis im Verein, beim Arbeitgeber gäbe. Verständnis im kleinen Bereich, das würde uns sehr, sehr erfreuen und den Betroffenen weiterhelfen."
St. Paulis ehemaliger Profi Andreas Biermann versuchte zweimal sich das Leben zu nehmen. Als er vom Tod Robert Enkes erfuhr, begab er sich in psychologische Behandlung. Es habe ihm die Augen geöffnet, berichtete Biermann in diesen Tagen immer wieder. Verständnis brachten mögliche Arbeitgeber aber offenbar nicht auf. Biermann ist seit er öffentlich von seiner Krankheit berichtet, ohne Verein. "Den Spieler wollten sie, die Krankheit aber nicht", erzählte er traurig. Teresa Enke sieht Biermanns Gang an die Öffentlichkeit dennoch als den richtigen Schritt an: "Dass ihm meine Pressekonferenz praktisch das Leben gerettet hat, hat mich natürlich sehr gefreut", sagt sie.
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