Präsident Zwanziger, Bundestrainer Löw und Teammanager Oliver Bierhoff besuchten in Empede das Grab des verstorbenen Torhüters.
Hannover. Eine junge Frau steht minutenlang andächtig vor dem großen Foto von Robert Enke. Allein mit sich und ihren Gedanken an den Torwart von Hannover 96, der sich genau vor einem Jahr das Leben nahm. Ein etwa zehn Quadratmeter großes Zelt nördlich der Arena von Hannover 96 war am Mittwoch der zentrale Anlaufpunkt für alle, die um Enke trauern oder sich auch nur an ihn erinnern wollten. „Ich hoffe, es geht dir besser, wo du jetzt bist“, hat ein Fan namens Buki als einer der ersten in das ausgelegte „Buch der Gedanken“ geschrieben.
DOSSIER: EIN JAHR DANACH – GEDENKEN AN ROBERT ENKE
Grau in grau und mit kaltem Nieselregen präsentierte sich am Mittwoch das Wetter über der niedersächsischen Landeshauptstadt. Es war kein heiterer Tag. Auf dem idyllischen Waldfriedhof in Enkes Wohnort Empede, etwa 25 Kilometer vor der Großstadt mitten auf dem Land, gedachte eine kleine Trauergesellschaft in Anwesenheit von Teresa Enke mit einer Andacht in der Friedhofskapelle des Verstorbenen. Dann legten Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Teammanager Oliver Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw sowie Martin Kind, Präsident von Hannover 96, zwei Kränze auf dem Grab nieder, in dem Enke gemeinsam mit seiner 2006 verstorbenen Tochter Lara beerdigt liegt. Die Öffentlichkeit war auf ausdrücklichen Wunsch von Frau Enke ausgeschlossen.
„Wir vergessen Dich nicht“, stand auf der Schleife des DFB-Kranzes. „Es war mir ein persönliches Bedürfnis, heute an Roberts Grab zu treten, um mich an diesem Tag in aller Stille an einen großartigen Menschen zu erinnern“, sagte Löw.
Nur wenige Fotografen versuchten ein Bild von der Zeremonie zu schießen, insgesamt war es so ruhig und würdevoll, wie Teresa Enke es sich gewünscht hatte. „Für mich war die kurze Andacht und die Kranzniederlegung im kleinen Kreis der angemessene Weg, mit meinen Gedanken umzugehen“, sagte Zwanziger anschließend.
Nur ein schlichtes weißes Steinkreuz erinnert an der letzten Ruhestätte an Enke, der von seiner Depression in den Tod getrieben wurde. Ein großer Rhododendron steht hinter dem Grab, das lediglich mit weißer und lila Heide bepflanzt ist. Zahlreiche kleine Engelsfiguren liegen auf dem Grab in Erinnerung an Enkes „kleinen Engel“ Lara, die einem angeborenen Herzleiden mit nur zwei Jahren erlegen war. Besonders anrührend sind zwei Blumen-Gestecke mit Schleifen, die von Teresa Enke und der gemeinsamen Adoptivtochter Leila an den Geburtstagen von Robert und Lara niedergelegt wurden. „Meine bedingungslose Liebe“, ließ Frau Enke auf eine der Schleifen schreiben.
Fans haben bereits in den letzten Tagen kleine Blumengestecke, Fotos und Erinnerungsstücke dort abgelegt. Eine offenbar selbst an Depressionen erkrankte Frau hat an Enke ein persönliches Gedicht geschrieben: „Du hast mich befreit und gibst mir einen Sinn in dunkler Leidenszeit.“
Noch immer erhält Teresa Enke täglich Briefe. „Auch wenn ich nicht alle beantworten kann, gibt mir diese Anteilnahme sehr viel Kraft“, sagte sie. Als Vorsitzende der Robert-Enke-Stiftung versucht Frau Enke ihrerseits, Menschen mit Depressionen und den Eltern herzkranker Kinder zu helfen. „Ich möchte den ersten Todestag von Robert dazu nutzen, mich bei all denen zu bedanken, die heute und in den zurückliegenden Monaten an meinen Mann gedacht haben und uns damit Respekt erwiesen haben“, teilte sie mit.
Eine Art persönliche Verbindung zu Robert Enke empfinden immer noch viele Einwohner der Leinestadt. „Er ist für viele Menschen in Hannover sehr, sehr wichtig gewesen“, sagte Oberbürgermeister Stephan Weil, „nicht nur sportlich, sondern als Beispiel für Haltung.“ Das Stadtoberhaupt hat deshalb vorgeschlagen, eine Straße am Stadion nach dem ehemaligen Mannschaftskapitän der „Roten“ zu benennen. Voraussichtlich am 16. Dezember wird der Rat der Stadt diesem Vorschlag zustimmen. Die Geschäftsstelle von Hannover 96 würde dann an der Robert-Enke-Straße 1 liegen.
Weil legte anschließend persönlich in dem Gedenkraum an der Arena eine Blume nieder - „als Ausdruck der Erinnerung für die ganze Stadt, aber auch ganz persönlich“. So wie viele vor und nach ihm. 96-Manager Jörg Schmadtke und Kind hatten bereits am Morgen den Gedenkraum besucht. Es kamen den Tag über nie große Massen, aber es war ein stetiger Menschenstrom. Am Abend wollten sich um Punkt 18.24 Uhr, dem exakten Todeszeitpunkt, mehrere Hundert Fans treffen und in einem Trauermarsch durch die Stadt zum Stadion ziehen.
„Mir war es ein Bedürfnis, Robert zu gedenken“, sagte ein Mann mit Tränen in den Augen, „sein Tod ist ein Jahr her, aber eigentlich kann ich es noch gar nicht fassen.“