Nach FIFA-Schiedsrichter Michael Kempter erhoben vier weitere Unparteiische schwere Anschuldigungen gegen Manfred Amerell.
München. Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichter und DFB-Funktionär Manfred Amerell werden massiver. „Ich muss von einem System Amerell reden“, sagte der Berliner Anwalt Christian Schertz am Sonntag in München bei einem vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) organisierten Pressetermin. Nach FIFA-Schiedsrichter Michael Kempter erhoben vier weitere Unparteiische schwere Anschuldigungen gegen das ehemalige Mitglied im DFB-Schiedsrichterausschuss Amerell. Kempter wiederum wies neue Vorwürfe, er habe einen Nachwuchs-Referee belästigt, zurück. Die Schiedsrichter, die namentlich nicht genannt werden wollen, gaben am Sonntag in einem Münchner Hotel Auskunft. Drei von ihnen fühlten sich von Amerell sexuell belästigt, ein weiterer will einen Annäherungsversuch Amerells beobachtet haben. Der 63-jährige Amerell weist alle bisher gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. „In diesem Abhängigkeitsverhältnis wollte man sich seine Karriere nicht verbauen“, sagte einer der Schiedsrichter und begründete damit sein langes Schweigen. Ein anderer erklärte: „Wir können das Gelebte von Michael Kempter bestätigen, es ist kein Einzelfall.“ Amerell habe sich „die Lieblinge so geschaffen, wie er wollte. Er hat sie auch als Lieblinge bezeichnet gegenüber anderen Schiedsrichtern. Der hat einem das Leben so dermaßen kaputt gemacht und stellt sich jetzt als Opfer hin“, berichtete ein dritter.
Amerells Anwalt Jürgen Langer kündigte für Montag eine „umfassende Stellungnahme“ an. Der Münchner Jurist bezeichnete die neuen Anschuldigungen gegen seinen Mandanten in einer Pressemitteilung als „hilflose mediale Verteidigungsreaktion auf einen bisher noch nicht veröffentlichten skandalösen Vorgang in einem Augsburger Hotel in der Nacht auf Samstag, den 27.02.2010, 00.30 Uhr bis 03.00 Uhr“. Dieser „strafrechtlich relevante“ Sachverhalt werde am Montag „der Öffentlichkeit detailliert bekanntgegeben“. Auf Nachfrage am Sonntagabend wollte sich Langer nicht näher dazu äußern.
Kempter wies am Samstagabend in einem Telefon-Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa Berichte, er habe angeblich versucht, sich einem Nachwuchs-Referee anzunähern, zurück. „Das war nicht der Fall. Ich weiß, dass nichts war“, sagte der 27-Jährige, der als erster seinem Förderer Amerell öffentlich sexuelle Belästigung vorgeworfen hat. Zuvor hatten verschiedene Medien berichtet, dass sich ein junger Schiedsrichter beim DFB gemeldet und von Annäherungsversuchen Kempters am 13. Mai in einem Hotel in Düsseldorf berichtet hat. Kempter hatte an dem Tag die Bundesliga-Partie Schalke 04 gegen den VfB Stuttgart geleitet. „Ich habe keine Ahnung, was hinter der Sache steckt“, sagte Kempter. Der FIFA-Referee aus Sauldorf war bei dem Termin am Sonntag in München ebenfalls dabei. Juristisch wird der Fall an diesem Donnerstag am Münchner Landgericht aufgearbeitet. Amerell hat einen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung auf Unterlassung gegen den DFB gestellt.
Am Sonntag wurden wiederum sechs Eidesstattliche Erklärungen unterzeichnet, die Amerell belasten: vier von Schiedsrichtern, die sich von ihm sexuell belästigt fühlten (inklusive Kempter), eine von DFB-Justiziar Jörg Englisch und eine weitere von dem Referee, der nach eigenen Angaben auf einem Lehrgang beobachtet hat, wie Amerell einen Schiedsrichter bedrängt habe. „Es wurde berichtet, dass Amerell eine Nähe aufgebaut hat und diese genutzt hat“, sagte Englisch. Der Berliner Medienanwalt Schertz, der gemeinsam mit Englisch den DFB am Donnerstag vor dem Münchner Landgericht vertreten wird, erklärte: „Alle haben sich bedrängt und sexuell belästigt gefühlt. Sie hatten Angst, sich zu offenbaren. Teilweise haben sie sich körperlich zur Wehr gesetzt.“ Dies habe aber nichts genutzt. Bei dem kurzfristig anberaumten Gespräch, zu dem der DFB nur eine kleine Runde von Journalisten eingeladen hatte, waren auch der Nationalmannschafts-Psychologe Hans-Dieter Hermann und der frühere Bundesliga-Referee Franz-Xaver Wack, heute Schiedsrichter- Vertrauensmann, anwesend. „Es ist ein so komplexes Netzwerk, wo wir selbst noch nicht wissen, ob das schon das Ende ist“, sagte Wack. „Die meisten im DFB wussten, was Amerell für Neigungen hat. Es ging hier aber nicht um seine Neigungen, sondern nur um den Amtsmissbrauch.