Der DFB und Manfred Amerell haben sich außergerichtlich geeinigt. Amerell will nun vier Schiedsrichter verklagen, deren Namen er jetzt hat.
München/Frankfurt. Der Schiedsrichter-Skandal um Manfred Amerell geht offenbar in die Verlängerung. Trotz der außergerichtlichen Einigung mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) will Amerell nun Schiedsrichter Michael Kempter und drei weitere Referees verklagen. «Alle vier werden demnächst vom Staatsanwalt hören», sagte der ehemalige Schiedsrichtersprecher in der Sat.1-Sendung Kerner und kündigte damit weitere juristische Schritte an. Die vier Referees hatten Amerell in eidesstattlichen Versicherungen sexuelle Belästigung vorgeworfen.
Wenige Stunden zuvor war es vor dem Landgericht München I noch zu einer Einigung Amerells mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) gekommen. Demnach darf der DFB weiter von «sexueller Belästigung» sowie «Übergriffen» gegen Schiedsrichter durch den 62-Jährigen sprechen. Amerell zog seinen Antrag auf Unterlassung der Aussagen zurück und bekam dafür im Gegenzug Akteneinsicht.
«Ich bin sehr zufrieden mit der Verhandlung. Ziel war es, nach vier Wochen, wo ich mich in einem Zustand befand, der in einem Rechtsstaat nicht möglich ist, endlich Akteneinsicht zu erhalten», sagte Amerell und ergänzte: «Ich weiß jetzt, wer was gesagt hat. Hinter der Anonymität können sich die Herrschaften nicht mehr verstecken.»
Zuvor hatte Richter Peter Lemmers den Vergleich vor 150 Medienvertretern und Zuschauern im Saal 270 des Justizpalastes um 15.00 Uhr verkündet. «Es waren lange und intensive Verhandlungen. Beide Seiten waren bemüht, friedlich miteinander umzugehen», sagte Lemmers.
Präsident Theo Zwanziger wertete die Einigung als Punktsieg für den DFB. «Ich weiß, dass es keine heile Welt beim DFB gibt, aber ich habe alles im Griff. Wir haben den Fall transparent, aber mit der nötigen Vertraulichkeit gelöst. Das Ganze schadet uns nur, wenn wir Dinge unter den Teppich kehren würden. Das ist nicht der Fall», sagte Zwanziger. Doch Ruhe dürfte nach der Klageankündigung durch Amerell kaum einkehren.
Am Abend musste er im Fernsehen mitansehen, wie Amerell schwere Geschütze gegen ihn auffuhr. «Wenn Herr Zwanziger auf Menschen achten würde und Interesse an ihnen hätte, dann hätte er beide Parteien am 11. Januar angehört. Seine Amtspflicht wäre gewesen, beide Parteien aus dem Verkehr zu ziehen. Er hat zwei Menschen auf dem Altar seines Amtes ausgeliefert.»
Sein Rücktritt, so der Hotelbesitzer weiter, sei eine glatte Lüge gewesen. «Ich bin regelrecht erpresst worden. Das Präsidium hat gesagt, wenn ich mich nicht augenblicklich krank melde oder meine Ämter ruhen lasse, treffen sie eine Entscheidung», sagte Amerell.
Zwanziger zeigte sich von den Geschehnissen der letzten Wochen beeindruckt. Der DFB-Boss, der im Landgericht nicht persönlich vertreten war, hatte zuvor gar seine Zukunft als Präsident mit dem Ausgang der Auseinandersetzung mit Amerell verknüpft. «Wenn wir diesen Prozess verlieren, muss ich selbstverständlich sofort von meinem Amt als DFB-Präsident zurücktreten. Dieser Fall träte ein, wenn die Aussagen aller jungen Schiedsrichter, die wir zu schützen haben, und ihre eidesstattlichen Erklärungen falsch wären. Denn dann wäre Herr Amerell das Opfer», hatte Zwanziger dem Fachmagazin kicker am Rande des Länderspiels zwischen Deutschland und Argentinien (0:1) gesagt.
Im DFB-Präsidium wurde unterdessen darüber nachgedacht, für den 30. April einen außerordentlichen Bundestag einzuberufen. Dort sollen möglicherweise Satzungsänderungen im Schiedsrichterwesen verabschiedet werden. Eine Entscheidung über die Einberufung eines außerordentlichen DFB-Bundestages könnte bei der Präsidiumssitzung am Freitag kommender Woche fallen.
Trotz der außergerichtlichen Einigung bleiben viele Fragen weiter offen. So liegt der Süddeutschen Zeitung eine Mail von Kempter an Amerell vom 21. Oktober 2008, drei Tage nach dem Erstligaspiel zwischen Werder Bremen und Borussia Dortmund, vor. Darin soll von «Schatz» und «gemeinsam verbrachter Zeit» die Rede sein. Damit wäre die Glaubwürdigkeit von Kempter beeinträchtigt.
Amerell beschrieb sein Verhältnis zu Kempter als «eng und freundschaftlich», es sei aber keine Liebesbeziehung gewesen. «Dazu gehört ständiger Kontakt. Ich mochte ihn sehr gern und umgekehrt war das auch so», ergänzte der frühere Bundesliga-Schiedsrichter.
Kempter genießt bislang weiter die Rückendeckung vom DFB, obwohl es gegen den 27-Jährigen aus Sauldorf selbst einen Vorwurf eines Schiedsrichterassistenten gibt, dass Kempter sich diesem am 13. Mai 2009 «genähert» haben soll. Kempter bestreitet dies, der DFB schenkt ihm Glauben. Es gebe keinen Fall Kempter, sagte Ralf Köttker, Geschäftsführer Medien beim DFB.
Kempter soll am Wochenende noch nicht auf den Platz zurückkehren. Das berichtet die Sat.1-Sendung Kerner und beruft sich dabei auf DFB-Kreise. Ursprünglich war es angedacht, dass der 27-Jährige am Sonntag ein Zweitliga-Spiel leiten soll, im Gespräch war die Partie zwischen Union Berlin und dem MSV Duisburg.