Ahrensburg. Votum blockiert seit Jahren beschlossene Projekte zur Aufwertung der City. Ein Ende ist nicht in Sicht. Es geht um eine Grundsatzfrage.
Am 18. September 2022 haben die Ahrensburger entschieden: In der Innenstadt dürfen keine öffentlichen Parkplätze mehr wegfallen. Andernfalls muss an anderer Stelle im Stadtzentrum Ersatz geschaffen werden. Eine denkbar knappe Mehrheit von 51,6 Prozent stimmte in dem von einem Bündnis aus Kaufleuten und Gastronomen initiierten Bürgerentscheid mit Ja und stellte sich damit gegen die Majorität der Stadtverordneten. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp über 30 Prozent.
Das Votum ist nach der schleswig-holsteinischen Gemeindeordnung für zwei Jahre bindend – zwei Jahre, in denen Politik, Verwaltung und Kaufleute an einer Vision hätten arbeiten können, wie es mit dem Ahrensburger Zentrum weitergehen soll. Denn durch die Parkplatz-Vorgabe sind bereits beschlossene Projekte zur Aufwertung der Innenstadt derzeit blockiert.
Parkplätze: Ahrensburg steckt nach Bürgerentscheid im Dilemma
Am Mittwoch, 18. September, läuft die Bindungsfrist des Bürgerentscheides nun aus. Damit haben Ahrensburgs Stadtverordnete die Möglichkeit, das Votum mit einfacher Mehrheit aufzuheben. Doch ein Plan, wie sich der Widerspruch zwischen Parkplätzen und Aufenthaltsqualität auflösen lässt, liegt noch immer nicht auf dem Tisch.
„Dem Wortlaut des Bürgerentscheides folgend kann es keine Lösung geben“, sagt Ahrensburgs Bürgermeister Eckart Boege. „Es stehen keine Flächen in dem definierten Innenstadtbereich zur Verfügung, auf denen Ersatzparkplätze geschaffen werden könnten.“ Boege sagt: „Faktisch haben wir durch das Erwirken der Freigabe der Tiefgarage unter dem Rathausplatz im Frühjahr 2023 knapp 90 zusätzliche Parkplätze zugänglich gemacht.“
Tiefgarage unter dem Stormarnplatz kann nicht als Ausgleich angerechnet werden
Die jahrelang durch den Eigentümer gesperrte Garage könne aber nicht als Ausgleich im Sinne des Bürgerentscheids gezählt werden, weil es sich nicht um städtische Stellplätze handele. Die einzige freie, geeignete Fläche in städtischem Eigentum sei der Stormarnplatz, der aber durch andere Beschlüsse gebunden sei.
Den Großteil des zentral gelegenen Areals nehmen die beiden Fußballfelder ein, welche die Mehrheit der Politik an dem Standort erhalten möchte. Auf dem Grandparkplatz am südlichen Rand, zwischen den Sportplätzen und dem Jugendzentrum Juki 42, wollen Grüne, CDU und Wählergemeinschaft WAB ein Kulturzentrum mit neuen Gebäuden für die Stadtbücherei und die Volkshochschule errichten.
Bürgermeister hat verschiedene Varianten präsentiert und sieht Politik am Zug
Und bei dem Grandparkplatz im Osten, vor dem Bruno-Bröker-Haus, handelt es sich lediglich um ein Provisorium, bis der neue Edeka-Markt mit Tiefgarage auf der benachbarten Alten Reitbahn fertiggestellt ist. Anstelle des Parkplatzes soll anschließend ein urbaner Park angelegt werden.
Boege hatte kürzlich verschiedene Varianten präsentiert, wie ein Parkhaus am Rand des Stormarnplatzes realisiert werden könnte. Dafür müssten aber die genannten Grundsatzbeschlüsse aufgehoben werden. „Wir haben die Optionen vorgestellt, der Ball liegt bei der Politik“, sagt der Verwaltungschef.
Die Hamburger Straße soll zur Flaniermeile umgestaltet werden
Ebenfalls beschlossen, und hier beginnt das Problem, ist die Umgestaltung der Hamburger Straße. Die ehemalige Bundesstraße soll auf dem Abschnitt zwischen AOK-Knoten und Rondeel zur optisch ansprechend gestalteten Flaniermeile umgebaut werden. Das Projekt ist Teil des Innenstadtkonzepts, das Ahrensburgs Kommunalpolitiker Anfang 2018 verabschiedet haben.
Der ruhende Verkehr soll demnach weitgehend aus der beliebten Einkaufsstraße am Kaufhaus Nessler verschwinden, stattdessen eine Flaniermeile mit Bäumen, Bänken und breiten Gehwegen entstehen. Statt 53 würde es künftig nur noch 17 Parkplätze am Straßenrand geben – unvereinbar mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids.
Grundsatzfrage: Welche Bedeutung haben Parkplätze für attraktive Innenstadt?
Die Arbeiten, die bereits im Sommer 2021 mit der Erneuerung von Versorgungsleitungen begonnen hatten, wurden auf Eis gelegt. Da waren die Linden, die einst die Straße säumten, bereits gefällt. Die Hamburger Straße wurde provisorisch wieder zugepflastert und bietet seither einen trostlosen Anblick.
Im Kern steht hinter dem Konflikt eine Grundsatzfrage: Welche Bedeutung hat die Zahl der Parkplätze für die Attraktivität eines Stadtzentrums? Die Bauabteilung im Rathaus ist überzeugt, dass eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens nötig ist, um die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu erhöhen und so neue Kunden anzulocken. Sie verweist auf entsprechende Erfahrungen aus anderen Städten.
Kaufleute befürchten, dass Kunden fernbleiben, wenn Parkplätze wegfallen
Die Kaufleutevereinigung Stadtforum hingegen befürchtet, dass Kunden fernbleiben, wenn Parkplätze in direkter Nähe zu den Geschäften wegfallen. Insbesondere für ältere und bewegungseingeschränkte Menschen sowie Gäste aus dem Umland sei das Zentrum dann nicht mehr mit dem Auto erreichbar. Die Kaufleute klagen, dass in den vergangenen Jahren bereits in großer Zahl Stellplätze weggefallen seien, etwa durch die Bebauung der ehemaligen Parkplätze Lindenhof und Alte Reitbahn.
Ahrensburgs Politik ist in der Frage gespalten. Die FDP hat sich früh auf die Seite der Kaufleute gestellt. Grüne, SPD und WAB warben im Vorfeld des Bürgerentscheides für ein Nein und plädieren für eine autoarme Innenstadt. Grüne und WAB verweisen auf die von der Verwaltung beauftragte Verkehrszählung des Ingenieurbüros SBI, die zu dem Ergebnis kam, dass die Auslastung der Parkplätze selbst in Spitzenzeiten nur bei etwa 79 Prozent liegt. Die Untersuchung belege, dass es ausreichend Parkplätze im Zentrum gebe. Es bedürfe nur einer besseren Steuerung der Verkehrsströme, etwa durch ein Parkleitsystem.
Parkleitsystem soll Verkehrsströme besser steuern, aber die Umsetzung ist ungewiss
Ein solches System, das elektronisch die Zahl der freien Parkplätze erfasst und anzeigt, ist bereits in Planung. Voraussetzung für die Umsetzung ist aber die Anschaffung eines neuen Verkehrsrechners, der die Anlage steuert. Diese verzögert sich seit Jahren wegen Personalmangels im Rathaus. 2025 könnte es nun laut Bürgermeister Boege soweit sein – „wenn die personellen Ressourcen es zulassen“.
Die CDU vermied vor dem Bürgerentscheid eine eindeutige Positionierung. Zwar stellten die Christdemokraten wiederholt klar, dass sie keinen Spielraum für eine Reduzierung der Zahl der Stellplätze sehen, eine Wahlempfehlung gab die Partei aber nicht ab und verwies stattdessen auf die Notwendigkeit eines Gesamtkonzeptes für die Innenstadt.
FDP-Fraktionschef warnt vor Bestrebungen, den Bürgerentscheid zu kippen
Dass der Beschluss aus dem Bürgerentscheid nun aufgehoben wird, ist unwahrscheinlich. Die Verwaltung werde keine entsprechende Vorlage einbringen, sagt Bürgermeister Boege. „Ein solcher Vorstoß müsste aus der Politik kommen.“ In den Fraktionen gibt es ebenfalls keine Ambitionen.
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„Wir brauchen keine Hauruck-Aktion“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Bela Randschau. „Wenn wir diesen Schritt gehen, muss es zuerst eine Lösung geben, bei der alle Beteiligten mitgehen.“ Sein FDP-Pendant Thomas Bellizzi warnt vor Bestrebungen, das Votum zu kippen. „Die Aussage des Bürgerentscheids ist klar und die gilt es zu respektieren.“ Wer jetzt darüber hinweggehen wolle, dürfe sich nicht wundern, wenn sich die Menschen von der Politik abwendeten.
Im Rathaus gibt es derzeit ohnehin kein Personal, um Planungen voranzutreiben
SPD und FDP haben gemeinsam die Verwaltung beauftragt, noch einmal alle Möglichkeiten für Ersatzparkplätze zu prüfen. „Es wurde viel darüber geredet, was nicht machbar ist. Wir wollen das endlich schwarz auf weiß haben“, sagt Bellizzi. SPD und FDP fordern die anderen Fraktionen auf, ihre Position in Bezug auf den Stormarnplatz zu überdenken. „Wenn ein Parkhaus an der Stelle die einzige Option ist, bei der Umgestaltung des Zentrums voranzukommen, sollten sich Grüne, CDU und WAB bewegen“, so Bellizzi.
CDU-Fraktionschef Wolfdietrich Siller sieht aktuell ebenfalls keinen Anlass, an dem Bürgerentscheid zu rütteln. „Für den Umbau der Hamburger Straße haben wir derzeit ohnehin weder die Ressourcen in der Verwaltung noch die finanziellen Mittel.“ Denn, wie Boege einräumt, macht die angespannte Personalsituation im Tiefbauamt eine zeitnahe Wiederaufnahme der Arbeiten ohnehin unmöglich.
Grünen-Fraktionschefin sieht wegen S4 keinen Spielraum für Hamburger Straße
Nadine Levenhagen, Chefin der Grünen-Fraktion, sieht auch aufgrund anderer kommender Großbaustellen keinen Spielraum für eine Realisierung der Hamburger Straße. „Mit Blick auf den Bau der S4 würde eine weitere Baustelle ins Chaos führen“, sagt sie. Von 2027 bis Ende 2029 soll die Verbindung von Hamburg nach Bad Oldesloe ausgebaut werden, dafür müssen im Ahrensburger Stadtgebiet zahlreiche Straßen monatelang gesperrt werden. Gleichwohl betont Levenhagen: „Wir sind nach wie vor überzeugt, dass eine autofreie Innenstadt der richtige Weg ist.“
Peter Egan, Fraktionsvorsitzender der WAB, ist alles andere als optimistisch, dass es überhaupt mittelfristig eine Lösung für das Parkplatzproblem geben wird. „Selbst wenn wir beispielsweise an anderer Stelle ein Parkhaus bauen, werden die Kritiker nicht zufrieden sein“, ist er überzeugt. „Gespräche mit vielen Menschen haben mir gezeigt, dass sie das nicht als Ersatz für die Stellplätze am Straßenrand akzeptieren würden.“
Um die Hamburger Straße in der Übergangszeit, deren Ende ungewiss scheint, zumindest optisch etwas aufzuwerten, sollen nun zeitnah 15 Pflanzkübel mit Pyramiden-Hainbuchen aufgestellt werden. Kostenpunkt: 15.000 Euro. Außerdem sollen die beiden 2021 angeschafften Parklets mit Sitzmöglichkeiten darauf von Hagener Allee und Manhagener Allee an die Hamburger Straße versetzt werden.