Glinde. Politiker gründen Kreisgruppe. Glinder Mitglied hat bereits Erfahrung als Kommunalpolitiker. Wann der Einzug in Parlamente möglich ist.
Vor Kurzem war Michael Neschki beim beliebten Familienfest Glinder Fischzug mit einem Stand vertreten und trommelte für seine neue Leidenschaft: die Kleinpartei Volt. Seit der Europawahl ist der 71-Jährige Mitglied und hat Großes vor. Mit seinen Mitstreitern will er dafür sorgen, dass die Organisation 2028 in Stormarner Stadt- und Gemeindeparlamente einzieht. Strukturen werden gerade aufgebaut. Der erste Schritt war die Gründung einer Kreisgruppe. 16 Personen sind diesbezüglich aktiv.
„Derzeit ist es das vorrangige Ziel, auf uns aufmerksam zu machen“, sagt der Senior. Er schreibt zum Beispiel den monatlichen Newsletter für den Landesverband. Der Blick nach Hamburg dürfte Neschki optimistisch stimmen. Dort war Volt in diesem Jahr erstmals bei den Bezirksversammlungswahlen angetreten: in fünf von sieben Distrikten. Der Sprung in die Parlamente gelang. Vertreter votieren nun in Altona, Eimsbüttel, Harburg, Mitte und Nord.
Volt ist inzwischen in 31 europäischen Ländern vertreten
Volt ist eine europafreundliche Partei und Befürworter einer föderalen Demokratie. Sie fordert eine europäische Armee und einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt. Das Vetorecht der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten soll abgeschafft werden. Weitere Kernpunkte: Man will Klimaneutralität sozial verträglich erreichen, einen effizienten öffentlichen Nahverkehr und schnellere Internetverbindungen. Gegründet wurde Volt 2018 als Reaktion auf rechtspopulistische Tendenzen und den Brexit-Volksentscheid. Die Partei ist inzwischen in 31 Ländern vertreten.
Im jüngsten Europawahlkampf provozierte sie mit lilafarbenen Plakaten, auf denen zum Beispiel „Sei kein Arschloch – Deine Stimme gegen Rechtsextremismus“ zu lesen war. Neschki mag so etwas. Er ist ein Freund deutlicher Worte, hatte sich in der Glinder Bürgerinitiative gegen rechts engagiert. Diese protestierte gegen einen in der Stadt ansässigen Thor-Steinar-Laden, der Kleidung für spezielles Klientel verkaufte und schließlich aufgab. Mit dem Sprecher der Gruppe, einem Pastor in Ruhestand, entwickelte Neschki 2017 das Format politischer Klönschnack. Einmal im Monat wurde im Kindergartengebäude der katholischen Kirche über Entwicklungen und Probleme in der Stadt geredet. Bei der überparteilichen Zusammenkunft tauschten sich zu Spitzenzeiten mehr als ein Dutzend Personen aus.
Glinder macht Neuanfang in Kommunalpolitik
Gleichzeitig machte Neschki Politik bei den Grünen, jedoch ohne Parteibuch, rückte Ende 2022 ins Stadtparlament nach. Wenige Wochen später kam es zu einem Eklat. Er sollte als stellvertretendes Mitglied in den Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz berufen werden. In der Regel ist so eine Umbesetzung ein Selbstgänger. Christ- und Sozialdemokraten lehnten den entsprechenden Antrag der Grünen mit ihrer Stimmenmehrheit ab. Grund: seine Schreiben an die Öffentlichkeit mit Informationen vom Klönschnacktreff. Die E-Mails waren von Sarkasmus und Ironie geprägt. Das schmeckte nicht jedem.
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Zur Kommunalwahl 2023 trat Neschki nicht wieder an: „Zwischenmenschlich hat es nicht mehr gepasst.“ Bei Volt fühlt er sich gut aufgehoben, macht jetzt einen Neuanfang. Bernd Jansen, der ebenfalls in Glinde wohnt, hat stets die Grünen gewählt und keine Erfahrung in der Politik. Der 55 Jahre alte Bilanzbuchhalter mischt seit diesem Jahr ebenfalls bei Volt mit. Er will etwas bewegen. Was ihn stört? „Die Politik ist emotional geworden, Fakten spielen zu wenig eine Rolle. Alle Parteien der Mitte sind ein Stück nach rechts gedriftet, das Thema Migration wird mir zu hoch gehängt. Wir haben wichtigere Probleme in unserem Land zu lösen.“
Stormarner Team plant Treffen im Zwei-Wochen-Rhythmus
Oliver Peters aus Reinbek moniert, dass Klimakrise und Umweltpolitik gerade aus dem Fokus gerieten. „Und der Bürokratieabbau durch Digitalisierung ist ebenfalls wichtig“, sagt der 55-Jährige. Er ist Volt in diesem Frühjahr beigetreten, hatte zuvor seinen Malerbetrieb abgegeben. Der Meister arbeitet nun im Angestelltenverhältnis und hat mehr Zeit für private Dinge. Den Freiraum nutzt er für das Engagement in der Kleinpartei. Volt hat keine Kreisverbände in Schleswig-Holstein, sondern sogenannte lokale Teams. Ziel ist es, die Spitze paritätisch mit einer Frau und einem Mann zu besetzen. Diese Personen sind Ansprechpartner für den Landesvorstand. Bislang hat die Stormarner Sektion nur einen Chef: Sebastian Warncke (40) aus Elmenhorst.
Es ist noch viel in Bewegung, Strukturen sind laut Peters nicht in Stein gemeißelt. Er berichtet von der Absicht, dass sich die Stormarner Kreisgruppe künftig im Zwei-Wochen-Rhythmus trifft, abwechselnd per Video-Konferenz und in Präsenz. Man spürt bei dem Treffen vor dem Glinder Bürgerhaus mit vier Mitgliedern, dass sie bis in die Haarspitzen motiviert sind. Zuletzt hat eine Volt-Abordnung dem Verkehrsausschuss des Kreises einen Besuch abgestattet, die Diskussionen von den Zuschauerplätzen beobachtet. Womöglich sitzt man nach der nächsten Kommunalwahl neben den anderen Parteien.
Das wäre nach dem Geschmack von Kay Wopersnow, einem Unternehmer aus Großhansdorf. Der 55-Jährige ist Glasermeister und führt einen Handwerksbetrieb. Er habe in der Vergangenheit oft CDU gewählt, aber auch Grüne und Liberale. „Insbesondere mit Hans-Dietrich Genscher war die FDP für mich eine interessante Partei.“ Seit diesem Frühjahr ist er Volt-Mitglied.