Glinde. CDU und SPD verweigern Grünen-Vertreter Michael Neschki Mitarbeit im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz. Das sind ihre Gründe.
Michael Neschki ist ein streitbarer Mensch. Er eckt an und lässt sich nicht den Mund verbieten, zeigt klare Kante. Nach Ansicht von CDU und SPD hat der 69-Jährige dabei jedoch Grenzen überschritten. Dafür hat sich das Parteien-Duo gerächt. Auf der jüngsten Sitzung der Glinder Stadtvertretung kam es zum Eklat.
Die Grünen wollten den Senior als stellvertretendes Mitglied in den Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz hieven. In der Regel ist so eine Umbesetzung nur eine Formalie. Christ- und Sozialdemokraten lehnten den entsprechenden Antrag mit ihrer Stimmenmehrheit ab.
Stein des Anstoßes sind Neschkis Schreiben an die Öffentlichkeit von Treffen des politischen Klönschnacks. 2017 hatte er das Format mit Hans-Jürgen Preuß, Pastor im Ruhestand, gegründet. Es ist entstanden aus der Bürgerinitiative „Glinde gegen rechts“. Einmal im Monat wird im Kindergartengebäude der katholischen Kirche an der Möllner Landstraße über Entwicklungen und Probleme in der Stadt geredet. Es ist eine überparteiliche Zusammenkunft, auf der vor Corona mehr als ein Dutzend Personen diskutierten. Inzwischen ist die Zahl laut Neschki auf vier bis fünf geschrumpft.
Bürgermeister hat Strafanzeige wegen Verleumdung gestellt
Seine E-Mails sind mitunter von Sarkasmus und Ironie geprägt. Oft schließen Absätze zu Themen mit Fragen. In einer Mitteilung geht es um die Suck’sche Kate, ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus, über dessen Kauf die Politik seit Längerem berät und sich schwer tut bei der Entscheidungsfindung. Hierzu schreibt Neschki: „Aber zurück zur Kate. Die Frage, ob sich der Bürgermeister diesbezüglich der Untreue schuldig gemacht hat, sei hier noch mal kurz erwähnt und durchaus angebracht.“
Über diese Formulierung und weitere Ausführungen herrscht nicht nur Entsetzen bei Parteienvertretern. Verwaltungschef Rainhard Zug ist ebenso verärgert und hat reagiert. Er stellte ein Strafanzeige wegen Verleumdung, sagt: „Ich arbeite in der Stadtvertretung professionell mit Herrn Neschki zusammen, gewisse Dinge muss man auf anderen Spielfeldern klären.“
Der Politiker ohne Parteibuch war Ende vergangenen Jahres ins Parlament nachgerückt, weil die frühere Grünen-Fraktionschefin Petra Grüner und ihr Mann Jan Schwartz die Mandate abgeben mussten wegen ihres Umzugs nach Oststeinbek. Neschki war bei der Kommunalwahl 2018 auf Listenplatz sechs geführt. Sein später Einzug in die Stadtvertretung geschah automatisch. Umbesetzungen in Ausschüssen müssen von Fraktionen jedoch beantragt werden. Das hatten die Grünen in diesem Fall bereits im November versucht, scheiterten jedoch.
Neschki mischte zu Beginn der Legislaturperiode im Bauausschuss mit, zog sich dann aber zurück, weil es interne Differenzen gab. Unter neuer Fraktionsführung votiert er nun wieder in Gremien. Seine Mitarbeit im Kulturausschuss verhinderten CDU und SPD nicht. Vertreter der beiden Parteien enthielten sich bei der Abstimmung im Oktober, setzten damit aber ein Zeichen, bevor ein Exempel statuiert wurde.
SPD-Fraktionschef spricht von Überschreitung roter Linien
Der Betroffene hat inzwischen das Versenden von Mitteilungen eingestellt. „Jetzt geht alles über eine geschlossene Gruppe auf Facebook, wo man sich anmelden muss“, sagt Neschki und rechtfertigt seine Aktionen: „Die Formulierungen waren im Klönschnack abgesprochen.“ Er und seine Mitstreiter hätten versucht, konstruktive Vorschläge zu machen. Dass er kein Mitglied der Grünen ist, begründet der Rentner übrigens so: „Ich will mich nicht Zwängen einer Partei unterordnen.“
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann war nach eigenen Aussagen lange beim Klönschnack dabei: „Mit der Art und Weise, wie über Personen gesprochen wurde, war ich nicht einverstanden.“ Deshalb blieb er den Treffs fern. Auf der Sitzung im Feuerwehrgebäude sprach er Neschki nun direkt an, monierte dessen Kritik an der Arbeit der Stadtvertretung und wollte wissen, ob sich diesbezüglich etwas geändert hat. Neschki erwiderte, er stehe zu dem, was er geschrieben habe. Damit war für die Christdemokraten sein Mitwirken im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz erledigt. SPD-Fraktionschef Frank Lauterbach meldete sich ebenfalls zu Wort und rechtfertigte die ablehnende Haltung seiner Partei: „Was ich zum Lesen bekommen habe, überschreitet rote Linien. Das ist weit entfernt von Anstand.“
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Der Sozialdemokrat findet, Bürgervorsteher Martin Radtke (CDU) habe Neschki eine Brücke gebaut im Dezember, als er ihn ermunterte, auf die Fraktionen zuzugehen. Womöglich wäre es so zu einem Umdenken gekommen. Der Grünen-Stadtvertreter machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch. „Jeder hat eine zweite Chance verdient. Ich hätte da mehr Einsicht erwartet“, sagt SPD-Fraktionsvizin Marlies Kröpke.
Grünen-Fraktionschef Lüder Lückel fehlte bei der Sitzung, wurde aber über die Vorkommnisse informiert. Er sagt: „Wir bedauern, dass CDU und SPD nach wie vor die Mitarbeit in einem Gremium nicht nur von der Bereitschaft abhängig machen, ein demokratisches Selbstverständnis mitzubringen. Sie glauben, dass Stil und Form der Meinungsäußerung von ihnen zu definieren sind.“ Er werde weiterhin darauf bestehen, dass Vorschläge zur Ausschussbesetzung von anderen demokratischen Parteien zu akzeptieren sind. „In Zukunft darf es nicht zu weiteren Missbräuchen dieses neu entdeckten Machtmittels kommen“, so Lückel. Er habe allerdings registriert, dass Neschki eine Tür geöffnet worden sei.
Eine Person mit Kenntnis über Vorgänge bei den Grünen, die namentlich nicht genannt werden will, sagte dieser Redaktion Folgendes: Neschki den anderen Parteien für den Ausschuss anzubieten, könne man bei dessen Vorgeschichte auch als Affront bewerten. „Das zeigt zumindest politische Unsensibilität.“