Glinde. Glinder Firma trotzt dem Fachkräftemangel und wächst rasant. Die Chefin bietet eine Reihe von Benefits. Auch Füße spielen eine Rolle.
Am vergangenen Dienstag ist Milka Vaselivic mit ihrer Familie von Tostedt nach Reinbek gezogen. Einen neuen Job in der Umgebung hatte sie sich schon besorgt, ist seit 1. Juli bei einem Pflegedienst in Glinde beschäftigt als Assistenzkraft. „Hier ist ein sehr gutes Betriebsklima, man kann flexibel und stressfrei arbeiten“, sagt die 50-Jährige. Um sie zu überzeugen, hat sich die Firma etwas einfallen lassen. Und das ist ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten: Der Frau wird ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung gestellt. Und zwar gratis. Sie muss lediglich für Benzin aufkommen bei Fahrten in der Freizeit.
Ihre Chefin Natalia Lenz bietet den Mitarbeitern eine ganze Reihe von Benefits und betont, wie wichtig es ist, dem Personal Wertschätzung entgegenzubringen. Sie weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, unglücklich zu sein als Angestellte. Elf Jahre war die examinierte Krankenschwester Pflegdienstleiterin in drei Unternehmen, fühlte sich zunehmend verheizt. Sie zog die Reißleine und machte sich im Februar selbstständig, ist alleinige Geschäftsführerin. Mitgründer Jama Norestanee hat die Position eines Prokuristen.
Dienstwagen zur privaten Nutzung: Pflegedienst in Glinde lockt Personal
Das 100-Quadratmeter-Büro befindet sich in der Marktpassage, in ihrem Wohnort Oststeinbek war nichts Passendes zu bekommen. „Das Gehalt ist zwar wichtig, steht aber nicht im Vordergrund, sondern vielmehr das Erfüllen von Freizeitwünschen und nicht ständig kontrolliert zu werden“, sagt die 51-Jährige. Ihre Vollzeitkräfte haben 32 Tage Urlaub im Jahr. Jeder kann drei Wochen am Stück pausieren. Um während Abwesenheitszeiten den Kunden gerecht zu werden, wird die Urlaubsplanung für 2025 im November gemacht. „Außerdem gehe ich darauf ein, wie die Kollegen arbeiten möchten. Hier geht es um Schichten, Tage und Wochenenddienste.“ In ihrem Betrieb wird maximal sieben Tage am Stück gearbeitet. Längere Strecken bei anderen Unternehmen in der Branche sind laut Lenz keine Seltenheit.
Sie möchte eine Wohlfühlatmosphäre erzeugen und ist der Meinung, dass ihr das gelingt. Dazu trägt auch Tochter Katharina bei, eine Kosmetikerin. Die Belegschaft hat die Möglichkeit, sich bei ihr einmal im Monat einer kostenlosen Fußpflege zu unterziehen. Dauer: 30 bis 40 Minuten.
Nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit gibt es ein Monatsgehalt extra
Pflegefachkräften zahlt der Betrieb 22 Euro die Stunde und damit mehr als vorgeschrieben. Der Mindestlohn in der Branche liegt seit Mai bei 19,50 und soll ab Juli kommenden Jahres auf 20,50 Euro steigen. Die Werte sind nach Stufen gestaffelt. Qualifizierte Pflegehilfskräfte mit mindestens einjähriger Ausbildung und Pflegehilfskräfte bekommen weniger. Derzeit müssen Arbeitgeber 16,50 sowie 15,50 Euro entrichten.
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Pflegedienst in Glinde: Ein Monatsgehalt extra und Boni
Die Beschäftigten der Glinder Firma haben zwölf Gehälter im Jahr. Nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit gibt es ein Monatsgehalt extra. „Für 2024 zahlen wir zudem eine Prämie, 1000 Euro für Vollzeit- und 500 für Teilzeitkräfte“, sagt Lenz. Ihr Unternehmen hat vier Autos, eines davon ist gekauft und wird von Vaselivic gefahren. Die anderen sind Leasingfahrzeuge. Auch diese können Mitarbeiter nach Schichtende nutzen, wenn sie sich finanziell beteiligen. Und das funktioniert so: Kostet der Wagen 15.000 Euro, zahlen sie jeden Monat 150 Euro. Man nennt das die Ein-Prozent-Regelung. Für Versicherung, Wartung und Reparaturen kommt der Pflegedienst auf.
Von diesem Modell hat bislang keiner Gebrauch gemacht. Laut Lenz haben erste Kollegen Interesse signalisiert. Ein weiteres Extra bei dieser Variante: Für Fahrten in der Freizeit in einem 30-Kilometer-Radius müssen Angestellte kein Geld für Sprit ausgeben. „Nur in Urlaubszeiten und bei längeren Strecken wird das Benzin selbst bezahlt. Die Regel basiert auf Vertrauen“, sagt Jakob Rohde (57), Lebenspartner der Pflegedienstchefin. Er fungiert als Berater, bringt reichlich Expertise ein. Der Oststeinbeker gründete bereits im Alter von 19 Jahren eine Firma. Das Paar hat sich vor Kurzem überlegt, was man noch machen kann, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen bei der Rekrutierung von Personal. Beabsichtigt ist der Kauf von zwei E-Scootern, die der Belegschaft auch für private Zwecke zur Verfügung gestellt werden.
Pflegedienst hat 14 Angestellte und bildet jetzt auch aus
In kaum einer Branche ist der Fachkräftemangel so groß wie in der Pflege. Obwohl Ausbildung und Bezahlung in den Berufen verbessert wurden, ist die Trendwende ausgeblieben. Wegen der Alterung der Gesellschaft werden in Deutschland bis zum Jahr 2049 voraussichtlich zwischen 280.000 und 690.000 Menschen fehlen, die anderen bei der Bewältigung des Alltags helfen. Diese Zahlen nennt das Statistische Bundesamt.
Lenz ist es gelungen, relativ schnell Personal zu generieren. Beim Betriebsstart waren fünf Personen auf der Gehaltsliste, inzwischen hat sie 14 Angestellte. Ihr Pflegedienst versorgt aktuell 103 Kunden von Hamburg-Billstedt bis nach Ahrensburg und Trittau. Er befindet sich weiter auf Wachstumskurs. „Am 1. September fängt bei uns eine neue Mitarbeiterin an“, sagt die Unternehmerin. Der Pflegedienst bildet jetzt auch aus. Im kommenden Monat startet ein Mann aus Eritrea mit der Lehre zum Krankenpfleger. Vermittelt hat ihn Rohde, der Vorsitzender des Oststeinbeker Flüchtlingshilfevereins ist.
Auf das Angebot einer kostenlosen Fußpflege bei Lenz‘ Tochter hat Milka Vaselivic übrigens zurückgegriffen. Was sie dabei empfunden hat? „Es war herrlich entspannt.“ Den Weg dorthin hat sie mit dem Dienstwagen zurückgelegt.