Großhansdorf. Hamburg Wasser will Anlage in Großhansdorf energieautark machen – auch für den Katastrophenfall. Politiker erteilen Vorhaben eine Absage.

Die Pläne für den Bau eines Windrades nördlich von Großhansdorf sind vom Tisch. Die Politiker in der Waldgemeinde haben dem Vorhaben von Hamburg Wasser während der jüngsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses eine Absage erteilt. Grund sind Bedenken hinsichtlich Optik und Lärm sowie befürchtete negative Auswirkungen auf Vögel und andere Tiere.

Das Konzept von Hamburg Wasser sieht den Bau eines Windrades auf einer unternehmenseigenen, etwa einen Kilometer nordöstlich des Wasserwerks Rümeland gelegenen Fläche zwischen den Straßen Apelsweg und Beimoorweg vor. Außerdem ist ein etwa vier Hektar großer Solarpark mit einer Leistung von vier Megawatt Peak geplant. Die Anlage soll das Wasserwerk energieautark machen, sodass es auch bei einem längeren Stromausfall nicht zu Enschränkungen bei der Trinkwasserversorgung kommt.

Windrad in Großhansdorf: Politiker lehnen Pläne von Hamburg Wasser ab

Die Pläne sind Teil des standortübergreifenden Projektes „RAUTEE#“. Die Abkürzung steht für „Resiliente, autarke und umweltfreundliche Trinkwassergrundversorgung durch den Einsatz erneuerbarer Energien in Hamburg“. In Großhansdorf sollen Windrad und Solarpark im Katastrophenfall einen 72-stündigen Notbetrieb des Wasserwerks ermöglichen. Die Unabhängigkeit von der Strompreisentwicklung trage auch zu mehr Preisstabilität für die Kunden bei. Als Pilotprojekt wird ein ähnliches Vorhaben derzeit bereits am größten Wasserwerk des Unternehmens in Hamburg-Curslack umgesetzt.

In Großhansdorf gab es von Beginn an Vorbehalte. Im Bau- und Umweltausschuss stellte Benjamin Koch, Abteilungsleiter Anlagenmanagement bei Hamburg Wasser, nun die Einzelheiten des Projektes vor und versuchte, die Bedenken zu zerstreuen. „Wir sehen an diesem Standort großes Potenzial“, betonte er.

Anders als bei einem Notstromgenerator könnte der Strom jederzeit genutzt werden

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe habe angemahnt, sich mit möglichen Krisenszenarien zu befassen. „Deshalb machen wir uns bei Hamburg Wasser seit einiger Zeit Gedanken und sind im Ergebnis zu diesem Modell gekommen“, so Koch. Darüber hinaus sehe das Unternehmen es als seine Aufgabe an, zur Reduktion des Verbrauchs fossiler Energieträger beizutragen.

Vorstellung Windrad Großhansdorf
Max und Ole Augustin (v. l.) vom Büro Dr. Augustin Umwelttechnik stellten die Pläne für das Windrad gemeinsam mit Tania Sainz Martin und Benjamin Koch von Hamburg Wasser vor. © HA | Filip Schwen

Das Konzept mit Windrad und PV-Anlage biete gegenüber einem dieselbetriebenen Notstromgenerator einen weiteren Vorteil: „Ein Generator steht den größten Teil der Zeit nur ungenutzt da, während wir mit unserem Modell den erzeugten Strom auch für den regulären Betrieb nutzen.“ Überschüssige Energie werde dann für den Krisenfall in einer Batterie gespeichert.

Die Anlage soll niedriger und weniger ausladend werden als bislang geplant

Gegenüber den ursprünglichen Planungen hat Hamburg Wasser die Windkraftanlage in der Höhe und im Durchmesser reduziert. Bei der ersten Vorstellung des Vorhabens, die eigentlich für März geplant war, dann aber aus Krankheitsgründen verschoben werden musste, war ein Windrad mit einer Gesamthöhe von 150 Metern, einem Rotordurchmesser von 117 Metern und einer Leistung von 3,45 Megawatt vorgesehen.

„Kleinere Anlagen sind schwer zu beschaffen, weil der Trend in der Branche eher zu größeren Windrädern geht“, so Koch. Inzwischen sei es aber gelungen, einen Hersteller zu finden, der ein System mit lediglich 120 bis 125 Metern Höhe und 82 Metern Rotordurchmessern liefern könne. „Dadurch verringert sich die Rotorfläche um rund 50 Prozent“. Die Leistung von zwei Megawatt sei zudem noch immer ausreichend, um neben der Stromversorgung im Betrieb auch Energie für den Krisenfall zu speichern.

Knapp 30 Anwohner verfolgen die Präsentation von Hamburg Wasser im Publikum

Bedingung für die kleinere Anlage sei allerdings, dass der Bau bis Ende 2026 umgesetzt werde, da das System anschließend nicht mehr produziert werde. „Der Zeitplan wäre ambitioniert, aber realisierbar, wenn wir jetzt zeitnah die planerischen Voraussetzungen schaffen“, so Koch.

Das Interesse an der Präsentation von Hamburg Wasser war groß. Knapp 30 Anwohner verfolgten die Ausführungen Kochs im Waldreitersaal und nutzten anschließend die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Die Mehrheit der anwesenden Großhansdorfer der Anlage lehnte das Windrad ab.

Das nächste Wohnhaus liegt etwa 800 Meter von dem geplanten Standort entfernt

Kritikpunkte waren die Auswirkungen auf Greifvögel und Fledermäuse, der Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet, Lieferverkehre während der Bauphase und der Abstand zu den benachbarten Wohnhäusern, von denen das nächste etwa 800 Meter südlich des geplanten Standortes liegt. Andere Anwohner äußerten die Sorge, dass durch Infraschall gesundheitliche Schäden entstehen könnten.

Koch versuchte, die Kritik mit dem Verweis auf wissenschaftliche Fachgutachten zu entkräften und wurde dabei von Ole Augustin vom Büro Dr. Augustin Umwelttechnik unterstützt, welcher das Projekt für Hamburg Wasser konzipiert hat. „Ein umfangreiches Schallgutachten wird Teil der Genehmigungsunterlagen sein“, so Augustin. Zahlreiche Untersuchungen hätten zudem keine gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall auf den Menschen gezeigt. Vögel und Fledermäuse würden laut Untersuchungen nicht gefährdert. Dafür sorge unter anderem ein spezieller Abschaltmechanismus, der in Schleswig-Holstein vorgeschrieben sei.

Anwohner vergleicht das Windrad mit dem Maritim-Hotel in Travemünde

Die Kritik aus dem Publikum konnte Augustin mit seinen Ausführungen nicht eindämmen. Ein Anwohner zeigte ein Foto des Maritim-Hotels in LÜbeck-Travemünde. „Das Gebäude ist 119 Meter hoch und von Weitem sichtbar“, sagte er. So werde es auch mit dem Windrad sein. „Dieser Bereich im Norden Großhansdorfs ist ein Naturparadies. Dieses Windrad ist völlig unverhältnismäßig“, meinte eine Frau. Immer wieder wurde auch der Vorwurf erhoben, es gehe Hamburg Wasser in Wirklichkeit nicht um Versorgungssicherheit, sondern es steckten Gewinnabsichten hinter dem Vorhaben.

Vorstellung Windrad Großhansdorf
Knapp 30 Anwohner waren zur Sitzung des Bau- und Umweltausschusses gekommen und die Gelegenheit zu nutzen, den Planern von Hamburg Wasser Fragen zu stellen. © HA | Filip Schwen

In der anschließenden Debatte der Ausschussmitglieder wurden viele der genannten Argumente wieder aufgegriffen. CDU und FDP, die in Großhansdorf gemeinsam über eine Mehrheit verfügen, machten schnell deutlich, dass sie die Windkraftpläne nicht mittragen werden.

CDU-Vertreter wirft Hamburg Wasser vor, „mit dem Argument der Angst“ zu arbeiten

Aus Sicht von Andreas Costard (CDU) sprechen gleich mehrere Gründe gegen das Vorhaben. „Die Landesregierung hat bewusst entschieden, Vorranggebiete für Windkraftanlagen auszuweisen, um eine Zersiedelung der Landschaft zu verhindern“, sagte er. Die Fläche bei Großhansdorf gehöre nicht dazu. Eine Ausnahmegenehmigung, wie sie Hamburg Wasser beantragen wolle, sei nicht im Sinne der Landesplanung. Zudem profitiere vor allem Hamburg Wasser von der Anlage, während es für Großhansdorf kaum einen Nutzen gebe.

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Den Planern warf er vor, die Interessen des Unternehmens „mit dem Argument der Angst“ durchzusetzen. „Es geht Ihnen darum, Ihre Energiebilanz zu verbessern, aber Sie verkaufen das mit der Angst, ohne Wasser dazustehen“, so Costard.

Grüne sehen in dem Projekt Beitrag zu mehr Netzsicherheit und kritisieren CDU

„Wir befinden uns in einem Landschaftsschutzgebiet und Sie wollen dort massiv in die Natur eingreifen“, kritisierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Carsten Pieck. Die Idee, das Wasserwerk energieautark aufzustellen, sei zwar begrüßenswert. „Aber mit einem anderen Konzept.“

Die Grünen zeigten sich hingegen offen für das Vorhaben. Udo Kasel (Grüne) sagte in Richtung CDU: „Man kann das Angstmacherei nennen, in unseren Augen geht es aber um die Netzsicherheit.“ Es sei Glück, dass es bislang in Deutschland noch keine größeren Netzausfälle gegeben habe. „Vorsorge zu treffen, ist Maßgabe einer verantwortungsvollen Politik.“ Der Standort sei zudem ohnehin von der Autobahn und Hochspannungsleitungen umgeben, der Eingriff in die Natur daher gering.

CDU, SPD und FDP lehnen gemeindliches Einvernehmen für das Vorhaben ab

Sabine Estorff (SPD) versuchte zu vermitteln. „Ein autarkes Wasserwerk ist grundsätzlich eine richtig gute Sache“, sagte sie und regte an, zu prüfen, ob nicht andere Lösungen mit einer kleineren Anlage und dafür einem größeren Batteriespeicher oder einem größeren Solarpark denkbar wären.

CDU, SPD und FDP lehnten ein gemeindliches Einvernehmen zu dem Vorhaben anschließend ab. Die Grünen beantragten daraufhin, einen Appell an Hamburg Wasser zu richten, das Konzept noch einmal unter Berücksichtigung der Kritik zu überarbeiten. Den Vorschlag nahm der Ausschuss mit den Stimmen von CDU, Grünen und SPD an, wobei Windkraft an dem Standort auf Antrag der FDP ausgeschlossen ist.

Ohne Windrad ist das Konzept laut Hamburg Wasser nicht umsetzbar

Dass Hamburg Wasser nun einen neuen Vorschlag vorlegt, ist allerdings unwahrscheinlich. Schon vor dem Votum hatte Koch betont, dass sowohl die Solaranlage allein als auch ein niedrigeres Windrad nicht ausreichten, um so viel Energie zu erzeugen, dass damit neben dem laufenden Betrieb auch der Batteriespeicher gefüllt werden kann.

Nach der Sitzung zeigte sich das Unternehmen auf Anfrage verhalten, was ein mögliches verändertes Konzept betrifft. „Um das Wasserwerk Großhansdorf unabhängig von Krisen und Stromausfällen zu ertüchtigen, braucht es ein energieautarkes System“, so Sprecherin Anna Vietinghoff. Dies funktioniere an dem Standort nur mit den drei vorgestellten Komponenten Batteriespeicher, Photovoltaikanlage sowie Windenergieanlage. „Fiele eine Komponente weg, ließe sich die Energieautarkie nicht erreichen und mithin gäbe es keine Trinkwasserversorgung im Falle eines Stromausfalls.“

Unternehmenssprecherin: Projekt kann es nur im Einvernehmen mit Gemeinde geben

Dennoch flössen die im Ausschuss geäußerten Überlegungen in die weiteren Betrachtungen mit ein. „Wir arbeiten für die Menschen. Das gemeinschaftliche Projekt kann und wird es nur mit Unterstützung und Einvernehmen der Gemeinde geben“, so Vietinghoff.