Bargteheide. WfB in Bargteheide sieht Ausweisung neuer Potenzialflächen im Kreis Stormarn kritisch. Welche Argumente ins Feld geführt werden.
Um das Land Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2040 klimaneutral umzugestalten, soll unter anderem der Anteil der Windenergie deutlich steigen. Das hat die Landesregierung mit dem jüngsten Entwurf des neuen Landesentwicklungsplans (LEP) deutlich gemacht. Um dieses Ziel zu erreichen, sind neue Potenzialflächen für die Errichtung von Windkraftanlagen ausgewiesen worden, die fortan drei statt wie bisher zwei Prozent der Landesfläche ausmachen. Danach könnten künftig auch im Kreis Stormarn weitere Windräder und Windparks entstehen, unter anderem westlich und östlich von Bargteheide. Dagegen hat die Wählergemeinschaft WfB bereits vor den Beratungen in der nächsten Sitzung der Stadtvertretung am Donnerstag, 11. Juli, größte Bedenken geäußert.
„Gern hätten wir uns dazu bereits im Vorwege mit den anderen Fraktionen ausgetauscht. Das ließ das Zeitfenster für die Bürgerbeteiligung zwischen 25. Juni und 9. September aber nicht zu“, sagt der WfB-Vorsitzende Gerhard Artinger. Anscheinend sei es politischer Wille der Landesregierung, das Beteiligungsverfahren in die Zeit der Fußball-Europameisterschaft und des Sommerurlaubs zu legen. „Damit es wohl zu möglichst wenig kritischen Anmerkungen kommt“, mutmaßt Artinger.
Wirkbereich der Windräder geht weit über bebaute Fläche hinaus
Denn tatsächlich stelle die schwarz-grüne Koalition in Kiel mehr als sieben Prozent der Landesfläche zur Disposition. „Die Landesregierung sagt zwar, es soll am Ende nicht alles tatsächlich durch Windkraftanlagen bebaut werden. Aber kann man das glauben?“, fragt Artinger. Zumal die letztlich bebaute Fläche nur das Eine sei, der Wirkbereich solcher Anlagen aber das Andere.
Weil die Tendenz zu immer höheren und größeren Anlagen gehe, seien laut Artinger bald 80 Prozent der Landesfläche direkt und indirekt von der Windkraft als Energiequelle betroffen. Denn Windkraftanlagen mit einer Höhe von 250 Metern und einem Rotordurchmesser von 180 Metern würden weit über die eigentliche Potenzialfläche hinauswirken.
Selbst in drei Kilometern sind Auswirkungen noch wahrnehmbar
Kritiker rechnen vor, dass ein Umkreis von 400 Metern durch eine „optisch bedrängende Wirkung“ praktisch unbewohnbar sei. In einer Entfernung von 800 Metern seien die Wohn- und Erholungsfunktionen einer Fläche stark beeinträchtigt und selbst in drei Kilometern Entfernung noch immer Auswirkungen wahrnehmbar. „Aus Sicht der Zugvögel wäre Schleswig-Holstein nach den neuesten Ausbauplänen quasi verriegelt“, so der WfB-Chef.
Die Wählergemeinschaft plädiert dafür, den Mindestabstand einer Potenzialfläche zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen auf mindestens 525 Meter zu vergrößern. Der Mindestabstand zu Wohn- und Erholungsbereichen sollte statt 800 Meter mindestens 1000 Meter betragen und der Mindestabstand zu überplanten Innenbereichen statt 1000 Metern mindestens 2000 Meter.
Mindestabstände zu Wäldern wurde deutlich reduziert
Die WfB sieht unterdessen nicht nur Bürger durch die neuen Planungen gefährdet, auch seltene Vogelarten. Um die Vorgabe des Bundes zu erfüllen, hat die Landesregierung nämlich ebenso die Regelungen zum Landschafts-, Arten- und Denkmalschutz modifiziert. Windräder dürfen künftig sogar in Landschaftsschutzgebieten entstehen. Zudem wurden die Abstände zu Wäldern verringert. Mussten es bisher mindestens 100 Meter sein, so reichen ab 2025 gerade einmal 30 Meter aus.
Der Naturschutz werde aber berücksichtigt, versicherte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). Das bezweifeln Fachleute. Aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse empfehlen sie etwa, den Mindestabstand für Brutgebiete des Rotmilans von 1000 auf 1500 Meter zu vergrößern. Das allerdings habe die Windenergie-Lobby erfolgreich verhindert.
Sichtachsen für Barockgarten Jersbek nicht mehr gesichert
Ähnlich kritisch beurteilt die Bargteheider Wählergemeinschaft die neuen Festlegungen hinsichtlich des Denkmalschutzes. „Hier sind anscheinend nur die Sichtachsen der UNESCO-Welterbestätte Hansestadt Lübeck berücksichtigt worden“, so Artinger. Gesichert werden sollten hingegen auch Sichtachsen für andere Denkmäler wie etwa das Gut Jersbek mit dem Barockgarten nahe Bargteheide.
Schon in der Vergangenheit hatte sich die WfB vehement gegen den Bau neuer Windkraftanlagen ausgesprochen. Sie begründete das immer wieder mit der grundsätzlichen Versorgungsproblematik. Bestehende Anlagen mussten immer wieder abgeregelt werden, da der produzierte Strom in Hochzeiten durch fehlende Speicher und fehlende Trassen gen Süden gar nicht genutzt werden konnte.
In Schleswig-Holstein gibt es mehr als 3500 Windkraftanlagen
In Deutschland sind insgesamt rund 30.000 Windkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 70 Gigawatt (GW) in Betrieb. Ende vergangenen Jahres wurden in Schleswig-Holstein 3169 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 8,37 Gigawatt betrieben. Nicht eingerechnet jene 383 Anlagen mit einer Leistung von 1,96 Gigawatt, die 2023 genehmigt worden sind, aber noch nicht betrieben werden.
„Schleswig-Holstein ist also bereits überproportional mit Windkraftanlagen belastet“, sagt Artinger. Da Windkraft- und auch Photovoltaikanlagen indes einen sehr schwankenden Ertrag ermöglichten, hätten im vergangenen Jahr bundesweit etwa 10 Terrawattstunden (TWh) Strom abgeregelt werden müssen, seien also gar nicht erst erzeugt worden.
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„Gemäß den gesetzlichen Regelungen ist dieser Strom von der Allgemeinheit aber trotzdem zu bezahlen“, moniert der WfB-Chef. Andererseits fehle Energie, wenn der Wind eben nicht wehe und die Sonne nicht scheine. Ein weiterer Ausbau der Windkraft verschärfe somit das Problem der Volatilität. „Auf diese Weise werden Milliarden Euro verpulvert und die Bürger mit immer neuen Anlagen belastet. Wie lange wollen wir uns das noch ansehen, ohne uns dagegen zu wehren?“, fragt Gerhard Artinger.
Weitere Potenzialflächen im Kreisgebiet weist der Landesplan übrigens nördlich von Reinfeld, in Klein Wesenberg und Westerau aus, vereinzelt auch im Bereich Großensee/Rausdorf/Witzhave und in der Gemeinde Steinburg. Kleinere Potenzialflächen sind unter anderem in Barsbüttel, Tangstedt und Grönwohld zu finden. Teilweise sind dort bereits Windkraftanlagen entstanden.