Großhansdorf. Hamburg Wasser will in der Waldgemeinde auch einen Solarpark errichten. Ist das Projekt für erneuerbare Energie mehrheitsfähig?
Im Norden von Großhansdorf könnte bald ein 150 Meter hohes Windrad entstehen. Es soll das Wasserwerk an der Straße Rümeland im Katastrophenfall mit Strom versorgen. So sehen es die Pläne des Versorgers Hamburg Wasser vor. Als Standort ist eine unternehmenseigene, etwa einen Kilometer nordöstlich des Wasserwerks gelegene Fläche zwischen den Straßen Apelsweg und Beimoorweg im Gespräch.
Zusätzlich ist direkt südlich des Windrades ein etwa vier Hektar großer Solarpark geplant. Beide Anlagen gemeinsam sollen über eine Leistung von rund 7,5 Megawatt verfügen und sicherstellen, dass der Betrieb im Wasserwerk auch bei einem längeren Stromausfall aufrechterhalten werden kann.
Überraschender Plan für Großhansdorf: ein großes Windrad
Die Wasserwerke von Hamburg Wasser verfügten derzeit über keine Notstromversorgung, so das Unternehmen. Während der Ausfall einzelner der insgesamt 17 Standorte kompensiert werden könne, bestehe bei einem großflächigen Stromausfall die Gefahr, dass die Trinkwasserversorgung beeinträchtigt werden.
Im Versorgungsgebiet Nord-Ost, zu dem große Teile Stormarns und der Hamburger Bezirke Bergedorf und Wandsbek zählen, fiele sie laut Hamburg Wasser ganz aus. Im Katastrophenfall stünden dann lediglich Brunnen für die Versorgung zur Verfügung. Das Windrad und die Photovoltaikanlage sollen das Wasserwerk in der Waldgemeinde im Normalbetrieb mit fossilfreier Energie versorgen und gleichzeitig einen Batteriespeicher aufladen, der im Ernstfall einen 72-stündigen Notbetrieb ermöglicht.
Ähnliches Vorhaben ist als Pilotprojekt in Hamburg-Curslack in Vorbereitung
Hamburg Wasser spricht von einer „resilienten, autarken und umweltfreundlichen Trinkwassergrundversorgung durch den Einsatz erneuerbarer Energien“. Von dem Konzept verspricht sich das Unternehmen zudem Preisstabilität für Kunden. Durch die Unabhängigkeit von der Strompreisentwicklung könnten die Wasserpreise besser konstant gehalten werden.
Ein ähnliches Projekt wie in Großhansdorf ist derzeit in Hamburg-Curslack in Vorbereitung. Am dortigen Wasserwerk sollen als Pilotprojekt ein 180 Meter großes Windrad mit 115 Meter Rotordurchmesser und einer Leistung von 3,4 bis 4,2 Megawatt sowie ein etwa sechs Hektar großer Solarpark mit einer Leistung von sechs Megawatt Peak und ein Batteriespeicher mit acht Megawattstunden Leistung errichtet werden.
Für das Windrad ist eine Genehmigung durch die Landesplanung erforderlich
In der zweiten Jahreshälfte möchte Hamburg Wasser Antrag auf Genehmigung der Windkraftanlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz stellen. Die Fertigstellung des Gesamtprojektes ist bis Ende 2027 geplant.
In Großhansdorf gibt es noch keinen Zeitplan. Während für die PV-Anlage nach Einschätzung des Unternehmens keine Bauleitplanung erforderlich ist, da es sich bei dem Wasserwerk, zu dessen Versorgung sie dient, um eine „privilegierte Anlage“ nach dem Baugesetzbuch handelt, sei für das Windrad eine Genehmigung durch die Landesplanung notwendig.
Die Anlage soll 150 Meter hoch werden, der Rotordurchmesser liegt bei 117 Metern
Der Standort liege nicht in einem Windenergie-Vorranggebiet, weshalb zunächst die planungsrechtliche Zulässigkeit geprüft werden müsse. Einen entsprechenden Antrag auf Vorbescheid müsste die Gemeinde Großhansdorf als nächsten Schritt beim Landesamt für Umwelt stellen. Aufgrund der Privilegierung des Wasserwerkes sieht Hamburg Wasser hohe Chancen, dass das Windrad genehmigt wird.
Die Anlage vom Typ Vestas V117, mit der das Unternehmen derzeit plant, hätte eine Gesamthöhe von 150 Metern bei einem Rotordurchmesser von 117 Metern und einer Leistung von 3,45 Megawatt. Hinzu käme der vier Hektar große Solarpark mit einer Leistung von vier Megawatt Peak. Vögel werden einem von Hamburg Wasser in Auftrag gegebenen ornithologischen Fachgutachten zufolge nicht beeinträchtigt.
Niedrigeres Windrad würde nicht ausreichend Strom für den Notbetrieb liefern
Hamburg Wasser hat nach eigenen Angaben auch eine niedrigere Windkraftanlage mit lediglich 80 bis 100 Metern Höhe geprüft. Mit einer solchen sei das Notstromkonzept jedoch nicht umsetzbar, weil die mit der reduzierten Höhe einhergehende geringere Leistung zu häufig auftretenden Energiedefiziten führen würde, vor allem in den Wintermonaten. Rund 30 Prozent des Strombedarfs müssten aus fremden Quellen bezogen werden. Für einen erfolgreichen Notstrombetrieb sei aber ein „deutlicher bilanzieller Energieüberschuss“ in allen Monaten erforderlich.
Auch interessant
- Unfälle fingiert – Autohaus-Chef muss lange in Haft
- „Muschelläufer“: Ahrensburg beseitigt letzte Überreste
- Tolles Müll-Projekt eingestellt – weil es missbraucht wurde
Weitere Einzelheiten zu dem Vorhaben wollte Hamburg Wasser eigentlich während der jüngsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am Dienstag, 26. März, vorstellen. Weil der zuständige Mitarbeiter kurzfristig erkrankt ist, wurde die Präsentation auf die kommende Sitzung am Donnerstag, 2. Mai, verschoben.
Kommunalpolitiker haben Bedenken wegen der Höhe und möglichen Lärms
Die Reaktionen aus der Kommunalpolitik fallen bislang gemischt aus. „Einerseits ist wichtig, dass wir ein Notfallkonzept für die Wasserversorgung haben, andererseits müssen wir auch die Interessen der direkten Anwohner berücksichtigten“, sagt Mathias Schwenck (CDU). Die Fraktion befinde sich noch in der Diskussion, ob sie die Pläne unterstütze.
Auch die FDP hat sich laut ihrem Fraktionsvorsitzenden Carsten Pieck noch keine abschließende Meinung gebildet. Insbesondere die Höhe des Windrades und mögliche von der Anlage verursachte Lärmemissionen sieht er kritisch. „Das Projekt wird zu Unruhe im Ort führen“ befürchtet Pieck. Es gelte, die Ängste der Bürger ernstzunehmen und die Anwohner von Beginn an miteinzubeziehen.
Am 2. Mai soll der Bau- und Umweltausschuss über das Vorhaben beraten
Die SPD verweist auf offene Fragen, die Hamburg Wasser beantworten müsse. Was geschehe mit dem über den Eigenbedarf hinaus erzeugten Strom? Wie ortsverträglich sei das Windrad? Dazu benötige sie vor einer Entscheidung weitere Informationen, so SPD-Vertreterin Sabine Estorff. Insbesondere die Themen Schlagschatten und Lärm gelte es zu diskutieren.
Die Grünen sehen das Konzept grundsätzlich positiv. „Es ist wichtig, dass Hamburg Wasser das Thema Versorgungssicherheit anpackt“, sagt Matthias Sünnemann. Eine große Lärmbelästigung sei durch Windkraftanlagen nicht zu befürchten, das zeigten aktuelle Studien. „Es geht eher um die ästhetische Dimension“, so der Grünen-Politiker. An der angedachten Stelle werde das Windrad aufgrund umliegender Bäume jedoch kaum sichtbar sein.
Zunächst wollen die Fraktionen nun intern beraten, wie sie sich positionieren. Am 2. Mai könnte es dann eine Entscheidung geben, ob die Großhansdorfer Verwaltung die Schaffung der baurechtlichen Voraussetzungen für das Vorhaben weiter vorantreiben soll.