Kreis Pinneberg. Daniel Kölbl wird deutlich von der Union für die Bundestagswahl nominiert. Christian von Boetticher landet abgeschlagen auf Platz 3.
Der Kreisparteitag der CDU in Seestermühe endet mit einer faustdicken Überraschung. Die 404 anwesenden Mitglieder wählten gleich im ersten Wahlgang den jüngsten der fünf Bewerber zu ihrem Kandidaten bei der Bundestagswahl in einem Jahr. Der Tornescher Daniel Kölbl (30) soll den Wahlkreis Pinneberg am 28. September 2025 für die CDU zurückgewinnen, den zuletzt 2021 Ralf Stegner für die SPD geholt hatte.
217 Mitglieder gaben ihre Stimme dem Bankkaufmann Kölbl, der seit der Kommunalwahl im vorigen Jahr auch Bürgervorsteher in Tornesch und im Kreistag stellvertretender Landrat ist. Das war mit 53,7 Prozent mit Anhieb gleich die absolute Mehrheit der Stimmen. Dahinter landete Dagmar Steiner (60) aus Hasloh mit 105 Stimmen vor Christian von Boetticher (53) aus Pinneberg, der abgeschlagen mit 47 Stimmen nur jedes neunte Mitglied von seiner Kandidatur überzeugen konnte.
CDU stimmt ab: Mitbewerber von Boetticher landet abgeschlagen auf drittem Platz
Damit hat die CDU-Basis ihren langjährigen Kreisvorsitzenden und früheren Europaabgeordneten und Umweltminister wohl endgültig in den politischen Ruhestand geschickt. Erst im Juni ist von Boetticher auch auf parteiinternen Druck hin nach fast 30 Jahren aus dem Kreisvorstand ausgeschieden.
Von Boetticher warb mit seinen guten Kontakten zu wichtigen, einflussreichen Leuten bei den Medien und im Bundestag. Auch wenn er „nicht Everybody‘s Darling sei“, brauche es in stürmischen Zeiten erfahrenen Fahrensleuten, befand er. Aber die Parteibasis nerve einfach, sagte einer von ihnen am Rande, dass praktisch jeder Artikel über von Boetticher immer noch an seine Lolita-Affäre erinnert, die inzwischen 14 Jahre zurückliegt.
Kölbls Rede erhielt den mit Abstand stärksten Applaus in der Halle
Die Außenseiter Michael Paul (47) aus Holm und Holger Lilischkis (68) aus Schenefeld erhielten 32 beziehungsweise drei Stimmen bei der Wahlkreisversammlung der CDU, die in der Halle einer Straßenbaufirma abgehalten wurde, die schon für das Oktoberfest von Seestermühe am Abend geschmückt war.
Den Ausgang der Wahl konnten die Zuhörer bereits bei der Vorstellungsrunde erahnen, für die jeder der fünf Bewerber sieben Minuten lang Zeit hatte. Kölbl hielt eine mitreißende Rede, die mit Abstand den stärksten Applaus bekam. Und so raunten eifrige Kenner der Szene nach Auszählung der Stimmen, dass kein zweiter Wahlgang mehr benötigt werde – was in dieser Deutlichkeit wohl vorher keiner erwartet hatte.
Der Kandidat will sich sogar für eine A7-Auffahrt bei Norderstedt einsetzen
Auch der Wahlsieger Kölbl nicht, wie er hinterher verriet. „Ich bin überwältigt und dankbar, dass es geklappt hat und das gleich im ersten Wahlgang“, sagte er. Wie von Boetticher hatte er mit seiner Lebensgefährtin Mari Balanchivadze am Eingang der Halle jedes einzelne Mitglied mit Handschlag begrüßt. Jeder habe seine Anhänger mobilisiert, so Kölbl. „Allein aus Tornesch waren mindestens 50 CDU-Mitglieder da“, sagte der stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende, der offenbar auch kreisweit gut vernetzt ist.
Seine fulminante Rede habe sicherlich zusätzlichen Ausschlag gegeben, glaubt der Bundestagskandidat. Darin forderte er „einen Kurswechsel in der CDU – wir müssen Vertrauen zurückgewinnen.“ 2040 werde die Migration begrenzt sein, die Wirtschaft im Land wieder florieren, der Schienenengpass im Kreis beseitigt, die A20 fertig und die A23 ausgebaut sein, versprach der Jungpolitiker stakkatohaft, der „fest verwurzelt im Kreis Pinneberg“ sei. Und den Quickbornern versprach er, sich im Bundestag für eine zusätzliche A7-Autobahnauffahrt in Höhe von Norderstedt einzusetzen. Und dann werde auch die Deutsche Bahn „vielleicht pünktlich fahren“, hatte er die Lacher auf seiner Seite.
Von Boetticher warnt, dass der Wahlkreis besser als in Plön oder Lauenburg gewonnen werden müsse
Geradezu frenetisch wurde Kölbls Aussage gefeiert, dass Bund und Land gefälligst politische Neuerungen mit ausreichend Geld finanzieren müssten und nicht die Kommunen damit im Regen stehen lassen dürften. „Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch. Das gilt nicht nur hier auf dem Seestermüher Oktoberfest, sondern muss auch bei jedem Bundesgesetz so sein“, forderte Kölbl, der seinen Wahlsieg am Sonnabendabend beim Oktoberfest in Hetlingen feiern wollte.
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Von Boetticher, der als einer der ersten dem Parteifreund Kölbl zum Wahlsieg gratulierte, sagte, er sei nicht allzu sehr enttäuscht. „Die Partei hat sich für den Generationswechsel entschieden.“ Daran sei nichts auszusetzen. Nun aber komme es für den Kollegen Kölbl darauf an, nicht nur den Wahlkreis voraussichtlich gegen Ralf Stegner zurückzugewinnen, „sondern besser zu sein als die Parteifreunde in den Wahlkreisen Plön, Lauenburg oder anderswo“, sagte der unterlegene von Boetticher.
Denn das neue Wahlgesetz könnte dazu führen, dass zwei CDU-Kandidaten in Schleswig-Holstein zwar ihren Wahlkreis gewännen, aber wegen des Zweitstimmen-Ergebnisses dennoch nicht in den Bundestag einzögen, gab von Boetticher zu bedenken. Dieser Gefahr sei er sich durchaus bewusst, versichert Kölbl. „Ich muss schon ein gutes Erststimmen-Ergebnis einfahren, sonst wird es nichts. Mein Ziel ist es, mindestens 40 Prozent der Stimmen zu erreichen“, sagte er dazu auf Nachfrage des Abendblatts.
Kölbl: Ole Schröder war auch 31, als er 2002 in den Bundestag gewählt wurde
Bei seiner Vorstellungsrede erinnerte Kölbl auch an den ehemaligen CDU-Kreisvorsitzenden Ole Schröder, der bei seiner ersten Wahl in den Bundestag 2002 damals 31 Jahre alt gewesen sei – so wie er bald Ende Oktober, sagte Kölbl. Und Ole Schröder, der von 2002 bis 2017 den Kreis Pinneberg in Berlin vertrat, holte bei allen vier Bundestagswahlen mehr als 40 Prozent der Erststimmen und gewann dreimal hintereinander den Wahlkreis Pinneberg.
Auch einen kleinen Seitenhieb an seine älteren Mitbewerber konnte sich Kölbl nicht verkneifen. So sagte er, der SPD-Abgeordnete Stegner gehöre „einer anderen Politiker-Generation an, der es jetzt mit frischem Wind zu begegnen“ gelte. Das war sicherlich auch an jene Mitglieder in der Halle gerichtet, die noch einen Bewerber oder eine Bewerberin wählen wollten, die jenseits der 50 oder 60 Jahre sind.