Holm/Kreis Pinneberg. Martin Balasus (37) wird mit 95 Prozent Zustimmung zum neuen Kreischef gewählt. Keine Kritik am umstrittenen Vorgänger von Boetticher

Aufbruchsstimmung und Verjüngung des Vorstandes beim CDU-Kreisverband Pinneberg. Am Sonnabend löste Martin Balasus (37) aus Moorrege Christian von Boetticher (53) aus Pinneberg als Kreisvorsitzenden der mit knapp 1600 Mitgliedern größten Partei im Kreis Pinneberg ab. Der ehemalige Europaabgeordnete, Minister und Fraktionschef im Schleswig-Holsteinischen Landtag, von Boetticher, gehörte drei Jahrzehnte dem Kreisvorstand der CDU an. Balasus wurde ohne Gegenkandidat mit 173 von 183 gültigen Stimmen gewählt, was einer Zustimmungsquote von knapp 95 Prozent entspräche, sagte Versammlungsleiter Peter Lehnert in Ladiges Gasthof in Holm.

Martin Balasus freudestrahlend unmittelbar nach Bekanntwerden des „wunderbaren Wahlergebnisses“, das ihn beim Parteitag in Holm mit fast 95 Prozent Zustimmung zum neuen Kreisvorsitzenden der CDU gemacht hat, mit Birte Glißmann, einer seiner Stellvertreterinnen, und Dagmar Steiner (links im Bild), die ebenfalls einen Vize-Posten erhalten hat.
Martin Balasus freudestrahlend unmittelbar nach Bekanntwerden des „wunderbaren Wahlergebnisses“, das ihn beim Parteitag in Holm mit fast 95 Prozent Zustimmung zum neuen Kreisvorsitzenden der CDU gemacht hat, mit Birte Glißmann, einer seiner Stellvertreterinnen, und Dagmar Steiner (links im Bild), die ebenfalls einen Vize-Posten erhalten hat. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Zudem wird der Kreisvorstand der CDU weiblicher. Der Gymnasiallehrer Balasus, der seit zwei Jahren dem Landtag angehört, nominierte seine Landtagskollegin Birte Glißmann aus Elmshorn, Dagmar Steiner aus Hasloh und Jennifer Drews aus Rellingen sowie Daniel Kölbl aus Tornesch zu seinen vier Stellvertretern. Bis auf Jennifer Drews, die Lars Kuhlmann aus Tangstedt den Vortritt lassen musste, wurden sie auch gewählt. Die Kreistagsabgeordnete Drews ist aber neue Beisitzerin im Kreisvorstand.  

Dagmar Steiner schlägt Martin Balasus wegen seiner Integrationskraft vor

Dagmar Steiner, die wie Birte Glißmann vorher auch schon Vize-Kreisvorsitzende war, hatte den Mitgliedern Balasus wegen seiner „starken Persönlichkeit, Durchsetzungsfähigkeit, verlässlichen Art und integrativen Kraft“ als „die beste Lösung“ für den Kreisvorsitz vorgeschlagen. „Martin kann die verschiedenen Kräfte in der Partei verbinden.“

Knapp 200 der rund 1600 Mitglieder waren am Sonnabendnachmittag bei sommerlichen Temperaturen zum CDU-Kreisparteitag in Ladiges Gasthof nach Holm gekommen.
Knapp 200 der rund 1600 Mitglieder waren am Sonnabendnachmittag bei sommerlichen Temperaturen zum CDU-Kreisparteitag in Ladiges Gasthof nach Holm gekommen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Trotz des recht warmen Wetters bei strahlendem Sonnenschein waren knapp 200 Parteimitglieder zum Kreisparteitag gekommen. Dicht an dicht in engen Reihen saßen sie im Saal des Gasthofes und lauschten gern mit großem Applaus den politischen Kampfansagen ihres alten und ihres neuen Kreisvorsitzenden. Balasus dankte am Schluss seinem Amtsvorgänger von Boetticher überschwänglich für seine aufopferungsvolle 31-jährige Dienstzeit im Kreisvorstand und die tolle Unterstützung im Landtagswahlkampf vor zwei Jahren mit einem großen Blumenstrauß und einem Essensgutschein für das Cap Polonio in Pinneberg.

Ex-Kreischef von Boetticher: Wir haben eine Million als Nichtwähler verloren

Zuvor hatte von Boetticher dem Kreisverband noch einige politische Hausaufgaben auf den Weg gegeben. Auch wenn die CDU bei der Europawahl im Kreis Pinneberg die Grünen wieder überholt und zur stärksten Kraft wurde und mit 30,1 Prozent etwa so viele Stimmenanteile wie Rot-Grün (32,4 Prozent) erhielt, dürfe sie sich damit nicht zufrieden geben, forderte von Boetticher.  Zumal sie bundesweit mehr als eine Million eigene Wähler an die Nichtwählerschaft verloren habe.

Der scheidende CDU-Kreisvorsitzende Christian von Boetticher, der 30 Jahre dem Kreisvorstand angehörte, appellierte auf dem Kreisparteitag: Wir müssen die eine Million Nichtwähler zurückgewinnen.
Der scheidende CDU-Kreisvorsitzende Christian von Boetticher, der 30 Jahre dem Kreisvorstand angehörte, appellierte auf dem Kreisparteitag: Wir müssen die eine Million Nichtwähler zurückgewinnen. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

„Diese 1,1 Millionen Wählerinnen und Wähler blieben lieber zu Hause und wollten keine andere Partei wählen“, sagte von Boetticher. „Das sind die Wählerinnen und Wähler, die wir wieder zurückgewinnen müssen“, forderte der scheidende Kreischef, der sich nun als einfaches Mitglied, das er seit 36 Jahren ist, in die zweite Reihe zurückzieht. Ambitionen, sich um das Bundestagsmandat für die CDU für die Bundestagswahl im nächsten Jahr zu bemühen, wie ihm nachgesagt wird, nannte von Boetticher nicht. Es gab auch keinerlei öffentliche Kritik an seiner Amtsführung, über die Ende Mai noch das Abendblatt berichtet hatte.

Der neue Kreisvorsitzende Balasus will nicht für den Bundestag kandidieren

Auch der neue Kreisvorsitzende Balasus will den Kreisvorsitz nicht wie ehedem Ole Schröder als „politisches Karriere-Sprungbrett“ nutzen, versicherte er bereits vor seiner Wahl. „Ich strebe nicht die Kandidatur für den Bundestag an.“ Das sollen die zum Teil noch jüngeren Parteikollegen unter sich ausmachen.

So haben bereits die drei Kreistagsabgeordneten Justus Schmitt (26) und Daniel Kölbl (30), beide aus Tornesch, sowie Michael Paul (38) aus Holm angekündigt, sich um diese Bundestagskandidatur zu bewerben. Wer es denn wird und möglicherweise die Nachfolge von Ole Schröder oder zuletzt Michael von Abercron antritt, der 2021 gegen den SPD-Spitzenkandidaten Ralf Stegner sein Bundestagsmandat verlor, soll im September bei drei Regionalkonferenzen im Kreis Pinneberg geklärt werden, kündigte Balasus an. Die Entscheidung fällt dann auf dem nächsten Kreisparteitag Anfang Oktober.

Wahlziel soll sein, das Ergebnis der Bundestagswahl von 2017 zu übertreffen

Balasus griff in seiner Antrittsrede die Kritik an den jüngsten Wahlergebnissen der CDU von von Boetticher auf. Die 22,1 Prozent, die die CDU 2021 bei der Bundestagswahl im Kreis Pinneberg erreichte, dürften sich als Negativ-Ergebnis nicht wiederholen, forderte der frischgebackene Kreisparteichef.  Vielmehr sollte sich die CDU an jenen 34,3 Prozent von 2017 orientieren. „Unser Ziel muss somit ein Ergebnis von 34,3 plus X Prozent sein.“

Der neue CDU-Kreisvorsitzende lobte die Legalisierung von Cannabis mit den Worten: „Zugedröhnt ist die Ampel-Politik vielleicht noch am besten zu ertragen.“
Der neue CDU-Kreisvorsitzende lobte die Legalisierung von Cannabis mit den Worten: „Zugedröhnt ist die Ampel-Politik vielleicht noch am besten zu ertragen.“ © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Um das zu erreichen, müsste die CDU aber auch „das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen“, gab sich Balasus selbstkritisch. „Das wird mit Sicherheit kein Kinderspiel, sondern wird mühsam, zeitintensiv und schweißtreibend sein“, ist Balasus überzeugt. Die CDU müsse sich mit klarer Sprache und deutlicher Programmatik von der AfD abgrenzen. Dazu gehörten eine „gezielte Einwanderungspolitik“ und die Abschaffung des Bürgergeldes.

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Und natürlich ging Balasus hart mit der Ampel-Regierung ins Gericht. Sein „Wunsch“ sei es, dass nach der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres die SPD-Grüne-FDP-Regierung Geschichte und „der Spuk vorbei“ sein werde und nur noch wie im Märchen mit „es war einmal“ erwähnt werden würde. Dass die Ampel-Koalition jetzt in Deutschland das Jointrauchen legalisiert habe, sei vielleicht gar nicht so schlecht, sagte Balasus. „Zugedröhnt ist die Ampel-Politik vielleicht noch am besten zu ertragen.“