Kreis Pinneberg. Unionspolitiker Martin Balasus forderte, Migranten zur Arbeit zu verpflichten. Dazu haben DGB und Diakonie eigene Meinungen.
Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis werden Asylbewerber zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflichtet. Das hat Landrat Christian Herrgott (CDU) dort durchgesetzt. Vor Kurzem plädierte der Hamburger SPD-Abgeordnete und Migrationspolitiker Kazim Abaci ebenfalls für diese Arbeitspflicht. Im Kreis Pinneberg stößt jetzt Martin Balasus, Kreisvorsitzender CDU und Landtagsabgeordneter, ins gleiche Horn. In der Politik ist dieser Vorschlag nicht unumstritten. Eine Fachfrau aus der Integrationsarbeit hält dagegen.
In der Hansestadt hatte der Vorschlag des Sozialdemokraten Abaci für die Arbeitspflicht eine hitzige Debatte über Pro und Contra ausgelöst. Während Abaci mit seiner Forderung vor allem der Radikalisierung von unzufriedenen und zwangsläufig untätigen Zugewanderten entgegensteuern will, setzen der CDU-Landrat im Saale-Orla-Kreis und sein Pinneberger Parteikollege stärker darauf, dass die Migranten mit dieser Arbeit ein Zeichen setzen, sich integrieren zu wollen.
Flüchtlinge zur Arbeit zwingen: Rasenmähen, Heckenschneiden, Putzarbeiten für die Integration
„Wir erkennen, wer bereit zum Engagement ist und damit bereit zur Integration – und wer es eben nicht ist“, sagt Martin Balasus. „Rasenmähen, Heckenschneiden, Putzarbeiten und dergleichen für maximal vier Stunden am Tag und eine Entlohnung von 80 Cent die Stunde zusätzlich zu den Regelleistungen.“ Das ist laut CDU-Kreischef das Konzept und durch Paragraf 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes gedeckt.
Zumeist handele es sich dabei um Arbeiten, die sonst mangels personeller Möglichkeiten liegenbleiben oder erst deutlich später ausgeführt werden können. Martin Balasus meint: „Auch im Kreis Pinneberg gibt es genug zu tun.“ Ein Arbeitseinsatz – selbstverständlich außerhalb der Zeiten von Deutsch- und anderen Qualifizierungskursen – hat nach Überzeugung von Martin Balasus Vorteile für alle Seiten.
„Chance, Sprache im praktischen Leben zu verbessern“
„Asylbewerber bekommen die Chance, sich im Verlauf der Arbeiten in einen Kollegenkreis zu integrieren und ihre Sprache direkt im praktischen Leben zu verbessern. Aus so einer gemeinnützigen Arbeit heraus ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie eine reguläre Arbeit aufnehmen oder eine Berufsausbildung beginnen“, sagt der CDU-Kreisvorsitzende.
Hinzu komme die Gelegenheit für die Migranten, zu zeigen, „dass sie sich ein wenig für die Aufnahme in Deutschland revanchieren könnten“. Er ist sich sicher: „Wenn Asylbewerber zum Wohle der Allgemeinheit Arbeiten verrichten, dann erhalten sie auch mehr Anerkennung und Respekt von allen, die hier Steuern zahlen.“
DGB-Kreischef lehnt Zwangsarbeit ab und plädiert für reguläre Jobs
„Man kann nicht diejenigen zur Arbeit verpflichten, die nicht arbeiten dürfen“, hält Michael Kahnert, Kreisverbandsvorsitzender des Deutschen Gewerkschafts-Bundes (DGB) dagegen. Zwangsarbeit erinnere ihn an die dunklen Seiten der Geschichte mit dem Nationalsozialismus in Deutschland. Deshalb sei der Vorschlag klar abzulehnen. Auch Asylbewerber sollten rasch in sozialversicherungspflichtige Jobs gebracht werden.
In die gleiche Richtung argumentiert Karen Schueler-Albrecht, Leiterin der Migrationsdienste in der Diakonie Hamburg-West/Südholstein. Sie sagt: „Unsere Klienten und Klientinnen wollen arbeiten, dürfen das aber nicht.“ Zielführender sei es, die Zugänge zur regulären Arbeit zu erleichtern und die Abschlüsse aus dem Ausland schneller anzuerkennen. „Wir wollen doch nicht, einen Ingenieur zum Fegen schicken.“
Migrationsfachfrau: „Unsere Klienten wollen arbeiten, dürfen aber nicht“
Und noch eine Hürde könnte die Politik nach Ansicht der Fachfrau für Integration niedriger setzen. „Die Menschen können nur dann effektiv arbeiten, wenn sie auch die Sprache zumindest in Ansätzen beherrschen.“ Doch leider würden die Anforderungen gerade für Alphabetisierungskurse immer höhergeschraubt. Die Dozenten müssten für diese anstrengende Aufgabe besser bezahlt werden. Die Nachfrage nach Deutsch-Kursen übersteige bei Weitem das Angebot.
Natürlich müsse jeder Einzelfall geprüft werden. Eine ukrainische Mutter mit drei Kindern fehle schlichtweg die Zeit, um Arbeiten zu gehen. „Wir benötigen mehr Mittel, um gezielt beraten zu können. Stattdessen werden die Zuschüsse für die Migrationsberatung gekürzt.“
SPD-Kreischef Hölck kritisiert leichtfertige Forderung: „Wer soll das leisten?“
Auch Thomas Hölck, Konkurrent von Balasus sowohl als Kreisvorsitzender der SPD als auch als Abgeordneter im Landtag, setzt vornehmlich auf die Arbeit in regulären Jobs. Grundsätzlich wolle er sich dieser Forderung gar nicht verschließen. Hölck weist aber darauf hin, dass die Umsetzung einer Arbeitspflicht sehr aufwendig sei. „Wer soll das leisten? Darum muss sich die Verwaltung kümmern, und die ist in den meisten Städten und Gemeinden ohnehin schon am Limit“, weiß Hölck.
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Dazu komme noch, dass die meisten Migranten keinen Führerschein haben. „Wie sollen sie von ihrer Unterkunft beispielsweise in Haseldorf nach Schenefeld oder Rellingen kommen?“ Sicherlich gebe es Busse, aber die Verbindungen sind besonders auf dem Land ziemlich unzureichend, gibt der SPD-Abgeordnete zu bedenken. „Solche Forderungen sind immer leicht aufgestellt, aber wie das dann umgesetzt werden soll, sagt Herr Balasus nicht.“
„Arbeitsagentur und Jobcenter engagieren sich für die schnelle und nachhaltige Integration von Migranten auf dem Arbeitsmarkt. Besonders bewährt haben sich Ansätze, die nah am Arbeitsalltag und in Zusammenarbeit mit potenziellen Arbeitgebern durchgeführt wurden“, sagt Gerald Melson, Sprecher der Agentur für Arbeit auf Nachfrage. Die Arbeitsgelegenheiten, früher Ein-Euro-Jobs, seien hingegen meist vorrangig auf die Einübung einer geregelten Arbeits- und Lebensstruktur von Bürgergeldbeziehern bezogen.
Staatskanzlei unterstützt Vorschlag für gemeinnützige Arbeit
Unterstützung für die Forderung erhält der CDU-Abgeordnete Balasus aus der Staatskanzlei in Kiel. Sprecherin Vivien Albers: „Bereits im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober 2023 haben die Länder eine Pflicht zur Arbeitsaufnahme von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern gefordert, auch Schleswig-Holstein. Wir halten den MPK-Beschluss, dass die rechtlichen Möglichkeiten, Asylbewerber zu gemeinnützigen Arbeiten heranzuziehen, in breitem Maße genutzt werden sollen, nach wie vor für richtig. Wichtig ist dabei, dass das für unsere Kommunen, die im Zusammenhang mit der Aufnahme von Geflüchteten bereits an der Grenze der Leistungsfähigkeit sind, gut administrierbar bleibt. Wer dem nicht nachkommt, sollte auch mit Leistungskürzungen rechnen müssen. Wenn Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die eine Bleibeperspektive haben oder länger im Land sind, schneller in Arbeit kommen und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können, trägt das erheblich zur gesellschaftlichen Akzeptanz bei.“