Bad Segeberg. Schauspieler wie Pierre Brice prägten die Karl-May-Spiele. Doch nur zwei der 14 Darsteller gelten bis heute als „Winnetou der Herzen“.
- Karl-May-Spiele: Von 1952 bis heute schlüpften 14 verschiedene Schauspieler in die Rolle des Winnetou
- Pierre Brice war der berühmteste (und vermutlich teuerste)
- Doch der Titel "Winnetou der Herzen" gebührt zwei anderen Darstellern
Winnetou! Dieser Name ist Programm: Der fiktive Häuptling der Mescalero-Apachen im Südwesten der Vereinigten Staaten hat in Deutschland ein Gesicht: Pierre Brice ist die pure Verkörperung dieser Figur, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat. Von 1988 bis 1991 spielte der französische Baron den Häuptling am Segeberger Kalkberg, nachdem er von 1962 bis 1968 in insgesamt elf Karl-May-Filmen diese Rolle gespielt hatte.
Der Indianerhäuptling ist ein rein deutsches Phänomen, aber Regisseur Quentin Tarantino brachte ihn auch nach Hollywood: In seinem Film „Inglourious Basterds“ reden Wehrmachtsangehörige über Winnetou, dessen Name sogar auf einem Zettel steht, der Diane Kruger während eines Was-bin-ich-Spiels auf die Stirn geklebt wird.
Karl-May-Spiele: Mit Pierre Brice als Winnetou kam der große Erfolg
Vermutlich gab es ein internationales Stirnrunzeln, als der Name Winnetou auf der Kinoleinwand fiel. „Inglourious Basterds“ war ein internationaler Erfolgsfilm mit Brad Pitt, aber die Popularität des Apachenhäuptlings ist und bleibt auf das deutschsprachige Gebiet beschränkt. Hier ist er seit vielen Jahrzehnten der Inbegriff des Gutmenschen, des edlen, guten Indianers, der mit seinem Gewehr „Silberbüchse“ auf seinem Pferd Iltschi für Gerechtigkeit und Frieden kämpft.
Winnetou machte von den ersten Auftritten bis zum Spätwerk einen großen Wandel durch. Während er anfangs noch ein älterer Wilder war, der seine Feinde skalpierte und auch mal einen Zigarrenstummel aß, wurde er immer mehr idealisiert, bis er schließlich zur Symbolfigur des „edlen Wilden“ wurde, der allein schon moralisch allen Weißen überlegen ist.
Pierre Brice war Inbegriff des Apachenhäuptlings
Pierre Brice (1929 - 2015) war für die Deutschen der Inbegriff dieser Figur. Zunächst auf der Leinwand in elf Filmen, später auf der Bühne – zuletzt in Bad Segeberg, wo er für viel Geld als eigentlich schon abgeschriebener Schauspieler verpflichtet wurde und die hiesigen Karl-May-Spiele in eine neue Erfolgsdimension führte.
Pierre Brice, der bis dahin in einigen B-Movies gespielt hatte, kannte weder Karl May, noch Winnetou, als er für die Rolle gecastet wurde. Er war skeptisch und traute dem Film „Der Schatz im Silbersee“ keinen Erfolg zu, freute sich aber an der Seite des international bekannten Lex Barker spielen zu dürfen.
Mit Winnetou über Nacht zum Star
Als der deutsche Film dann alle Zuschauerrekorde brach und Pierre Brice über Nacht ein Star wurde, änderte sich sein Leben: Der französische Schauspieler, den in seiner Heimat übrigens kaum jemand kannte, war populär, verdiente viel Geld – und blieb sein Leben lang Winnetou.
1987 verpflichtete die Kalkberg GmbH den französischen Schauspieler für viel Geld. Das Risiko war nicht klein, denn Pierre Brice galt zu diesem Zeitpunkt schon als ein etwas belächelter Schauspieler, der die Erfolge von einst durch Auftritte in der Provinz versilberte. Bei den Karl-May-Spielen im kleinen sauerländischen Örtchen Elspe zum Beispiel.
Karl-May-Spiele: Kalkberg GmbH meldete Zuschauerrekorde
Aber die Segeberger lagen goldrichtig: In der schleswig-holsteinischen Provinz ging der Stern des Franzosen noch einmal so richtig auf. Die Herzen der Zuschauer ebenfalls – und die der Veranstalter erst recht.
Denn die Verpflichtung des Altstars, der zu diesem Zeitpunkt immerhin schon 58 Jahre alt war, erwies sich als Glücksgriff für beide Seiten. Pierre Brice blühte auf, war durch geschickte Medienkampagnen plötzlich wieder in aller Munde, die Kalkberg GmbH meldete Zuschauerrekorde.
So populär Pierre Brice auch war, als „Winnetou der Herzen“ sind bis heute zwei andere Darsteller in Erinnerung geblieben: Klaus-Hagen Latwesen (82) verkörperte 1975 und von 1981 bis 1987 den Häuptling und führte die Karl-May-Spiele als Intendant und Regisseur überhaupt in eine neue Dimension: weg vom Sprechtheater, hin zum Actiontheater. Er musste weichen, weil Pierre Brice kam.
Nach Pierre Brice kam Gojko Mitic als Winnetou
Nach Pierre Brice setzten die Segeberger auf einen Schauspieler, den in Westdeutschland niemand kannte, der in der ehemaligen DDR aber ein Star war: Von 1992 bis 2006 verkörperte der im heutigen Serbien geborene Schauspieler Gojko Mitic (82) sagenhafte 15-mal die Winnetou-Figur.
Große Popularität erlangte er in der DDR als Hauptdarsteller historischer und fiktiver Indianerpersönlichkeiten in zahlreichen Defa-Filmen. Er hat die Karl-May-Spiele geprägt wie kein anderer Darsteller am Kalkberg.
2007 kam mit Erol Sander (54) ein gestandener TV-Star. Auch er begeisterte die Massen. Gleichzeitig irritierte er durch sein Auftreten aber nicht wenige Kollegen, die nicht immer glücklich waren, an seiner Seite spielen zu müssen. Die Trennung von ihm war unsanft, wobei bis heute öffentlich nie erklärt wurde, ob Sander oder die Kalkberg GmbH den Abgang forcierten.
Karl-May-Spiele: Nicht alle Kollegen waren glücklich mit Erol Sander
Es gab jede Menge Gerüchte, die jedoch von keiner Seite offiziell bestätigt wurden. Auffällig ist: Nach Sanders ausscheiden bei den Karl-May-Spielen scheint es ihm nicht leicht zu fallen, in der TV-Landschaft nachhaltig Fuß zu fassen. Nach dem Ende seiner Istanbul-Krimireihe spielt er aktuell in der Soap „Alles, was zählt“.
Jan Sosniok trat als männlich-herber Winnetou auf
Als Jan Sosniok 2013 (54) zum ersten Mal in die Kalkberg-Arena einritt, war er gut bekannt als ein Sunnyboy im deutschen Fernsehen – ein Image, das er nachhaltig ablegen konnte: Er ist als kerniger und sehr männlicher-herb auftretender Winnetou in Erinnerung geblieben. Jan Sosniok ist nach wie vor ein viel beschäftigter Fernseh- und auch Filmstar.
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Karl-May-Spiele: Alexander Klaws verhalf zu historischer Rekordmarke
Alexander Klaws (38) folgte ihm 2019. Er verleiht dem Häuptling mit seiner Darstellung weichere und menschlichere Züge. Auch seiner großen Popularität ist es zu verdanken, dass 2019 mit über 400.000 Besuchern eine historische Rekordmarke erreicht werden konnte.
So hat jeder der bisher 14 Winnetoudarsteller der Figur seinen Stempel aufgedrückt: Hans Jürgen Stumpf (1952), Gerhard Lippert (1953), Horst Vincon (1954), Günter Hofmann (1957 und 1958), Manfred Boehm (1962), Werner Wachsmuth (1971), Thomas Schüler (1979 und 1980). Außerdem gab es als Besonderheit 1978 und 1979 einen Winnetou, der von einem Mädchen gespielt wurde. Doch darüber berichtet das Hamburger Abendblatt in einer späteren Ausgabe.