Dassendorf. Nachfolger von Martin Harnik gilt als einer der Top-Coaches in Hamburg. Welchen Kompromiss die Dassendorfer jedoch eingehen müssen.

Am Mittwoch feierte Jan Schönteich, der Sportchef des Fußball-Oberligisten TuS Dassendorf, seinen 57. Geburtstag. Und das schönste Geschenk machte er sich gleich selbst: Vom Liga-Rivalen HEBC wechselt Özden Kocadal im Sommer als neuer Trainer zur TuS Dassendorf. „Die halbe Stadt jagte ihn, und wir wollten bereit sein, wenn er den nächsten Schritt macht“, feiert Schönteich seine Verpflichtung euphorisch. „Wir bekommen einen akribischen Oberliga-Intimus.“

Als Spieler hat Kocadal zwischen 2005 und 2018 insgesamt 342 Oberliga-Spiele für den VfL Pinneberg, Niendorfer TSV und HEBC bestritten. Als Innenverteidiger war er dabei vor allem für das Verhindern von Toren zuständig. 2019 übernahm er dann das Traineramt bei seinem Herzensclub HEBC. Unter seiner Führung entwickelten sich die Eimsbütteler von einer Fahrstuhlmannschaft, die zwischen Landesliga und Oberliga pendelte, zu einer festen Größe in der Oberliga.

Der neue Trainer der TuS Dassendorf ist kaum älter als seine Spieler

Herausragendes Ergebnis war der fünfte Platz in der Saison 2023/24, als der Eimsbütteler Stadtteilclub große Hamburger Traditionsvereine wie den SC Victoria oder USC Paloma hinter sich ließ. Es war das beste Ergebnis der Vereinsgeschichte, und Kocadal hatte daran einen großen Anteil. Spätestens seit der vergangenen Saison zählt er zu den Top-Coaches im Hamburger Amateurbereich. Er gehörte auch zum Kreis der Kandidaten des Hamburger Fußball-Verbands für die Auszeichnung zum „Trainer des Jahres“.

TuS-Sportchef Jan Schönteich feiert seinen 57. Geburtstag und freut sich über die Verpflichtung des neuen Dassendorfer Trainers Özden Kocadal.
TuS-Sportchef Jan Schönteich feiert seinen 57. Geburtstag und freut sich über die Verpflichtung des neuen Dassendorfer Trainers Özden Kocadal. © BGZ/Hanno Bode | Bode

Von Beruf ist Özden Kocadal Lehrer, hat also regelmäßig mit jungen Leuten zu tun. Als Spieler beim Niendorfer TSV war er gleichzeitig auch Jugendtrainer. Kocadal versteht es insbesondere, Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund gleichermaßen zu motivieren, was in Hamburg sehr wichtig ist. Somit dürfte nun auch bei der TuS Dassendorf eine radikale Verjüngung des Kaders anstehen. Angesichts der Altersstruktur – viele Spieler sind deutlich über 30 – liegt das auf der Hand.

Der Nachteil: Özden Kocadal kommt erst im Sommer zur TuS Dassendorf

Die soziale Komponente des Fußballsports war dann auch ein Aspekt, der den 40-Jährigen an der Aufgabe bei der TuS Dassendorf ganz besonders gereizt hat. „Die Gespräche waren konstruktiv und haben mir aufgezeigt, dass wir im Hinblick auf die Zukunft gleiche Ziele und Werte haben“, berichtet der künftige TuS-Trainer von den Verhandlungen, die sich über einige Wochen hingezogen haben. „Nicht nur die sportliche, auch die soziale Komponente hat mir gefallen“, betont er. „Deshalb freue ich mich sehr auf die neue Aufgabe.“

Dass Kocadal bei aller Begeisterung für den neuen Verein trotzdem erst ab Sommer in Dassendorf anfängt, um seinen Heimatclub HEBC nicht im Stich zu lassen, ist der Kompromiss, den die Schleswig-Holsteiner eingehen mussten. Doch sie rechnen ihm seine Vereinstreue hoch an, wie Dassendorfs Liga-Manager Alexander Knull deutlich macht. „Es waren herausragende, unkomplizierte und zielführende Gespräche“, bekräftigt Knull. „Auch die Tatsache, dass ,Özy‘ nicht sofort, sondern erst ab dem 1. Juli zur Verfügung steht, hat uns nicht eine Sekunde zweifeln lassen und zeigt, wie groß unser Vertrauen in seine Arbeit ist.“

Neue Herausforderungen: Fußball nicht nur für die Füße, sondern auch für den Kopf

Es ist zu erwarten, dass Kocadal dann nahtlos an den Entwicklungsprozess anschließen wird, den Top-Stürmer und Interimscoach Martin Harnik mit dem Team eingeleitet hat. Harnik erarbeitet sich mit der Mannschaft gerade einen Ansatz, bei dem alle Spieler einer gemeinsamen Spielidee folgen sollen, unabhängig davon, welche Erfahrungen und Vorstellungen sie selbst haben. Harniks Fußball ist offensiv ausgerichtet, er möchte mit seinem Team „lieber zehn Meter nach vorn verteidigen als 30 oder 40 Meter zurücklaufen zu müssen“.

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Auch Kocadal steht für eine selbstbewusste Art, Fußball zu spielen. Er hat eine ganz klare Idee von der Spielweise, die er sehen will. Kocadal setzt auf Ballbesitzfußball, was gut zu dem sehr erfahrenen Dassendorfer Kader passt. Der B-Lizenz-Inhaber gilt dabei als extrem akribisch: Dinge, die nicht klappen, werden wieder und wieder wiederholt. Kocadal lässt im Training gern mit unterschiedlich farbigen Leibchen und Hütchen üben, um die geistige Flexibilität der Spieler zu schulen.

Während der Übungen ändern sich dann urplötzlich die Teams oder die Hütchen-Tore, auf die gespielt wird. Auf diese Art lernen die Akteure, auch während des Spiels schnell auf veränderte Situationen zu reagieren. Das war zuletzt eine Dassendorfer Schwäche.

Am 26. April muss Kocadal mit dem HEBC bei seinem künftigen Club in Dassendorf antreten

Auch wenn Kocadal mit 40 Jahren kaum älter ist als viele seiner Spieler ist, so besitzt er doch eine große natürliche Autorität und verspürt dabei nicht unbedingt das Bedürfnis, seine Entscheidungen mit jedem einzelnen Spieler zu diskutieren. Er wird sich daher auch gegen die Ex-Profis durchsetzen können. An der Seitenlinie tritt er sehr lautstark auf, pickt sich bei seinen Anweisungen gern einzelne Akteure heraus, denen nach der Partie dann schon mal die Ohren dröhnen können. Hier werden sich die Dassendorfer Spieler nach den eher ruhigen Trainern Thomas Seeliger, Mirko Petersen und Martin Harnik deutlich umgewöhnen müssen.

Mit seinem aktuellen Verein, dem HEBC, belegt Kocadal in der laufenden Saison einen Mittelfeldplatz, ist aber noch längst nicht alle Abstiegssorgen los. Das könnte noch ein Geschmäckle bekommen, falls die Hamburger den Ligaverbleib bis zum drittletzten Spieltag noch nicht geschafft haben sollten. Denn dann werden sie zu Gast in Dassendorf sein. Auf jeden Fall sollten sich die TuS-Fans diese Begegnung am 26. April (13 Uhr, Wendelweg) schon mal vormerken. Es ist die perfekte Gelegenheit, die Arbeit des künftigen Dassendorfer Coaches genauer unter die Lupe zu nehmen.