Hamburg. Tana French und James Kestrel haben herausragende Bücher herausgebracht. Was diese beiden Krimi-Autoren so besonders macht.
Bücher sind das beliebteste Weihnachtsgeschenk der Deutschen. 49 Prozent der Befragten gaben bei einer Studie des Instituts für Statistik der Hochschule für Ökonomie und Management in Frankfurt am Main im Jahr 2022 an, gerne Bücher zu verschenken. Damit rangiert der Lesestoff – sei es in gedruckter oder elektronischer Form – noch vor Bekleidung, Kosmetika und Spielwaren.
Weltweit werden jährlich rund 140 Milliarden Dollar für Bücher ausgegeben, bis 2032 sollen es nach einer Studie von straits research über 160 Milliarden sein, wobei Krimis einen bedeutenden Anteil haben. Bei den Jüngeren liegt er bei rund 20 Prozent, bei den Senioren ist sogar jedes dritte gekaufte Buch ein Krimi. In unserem Bergedorfer Blog „Volkers Welt“ geht es heute und in der nächsten Woche um die Krimi-Neuerscheinungen. Was taugen sie, und wie findet man das perfekte Buch zum Verschenken?
Krimis – Was taugen die Neuerscheinungen zur Weihnachtszeit?
Viele orientieren sich an den Bestsellerlisten, insbesondere der des „Spiegel“, in der ein Autor dominiert: Sebastian Fitzek. Mit „Das Kalendermädchen“ ist er bei den gebundenen Büchern ebenso ganz vorn dabei wie bei den Taschenbüchern mit „Mimik“. Beide sollen an dieser Stelle nicht besprochen werden. Warum? Weil sich Fitzek auf die Abgründe der menschlichen Seele spezialisiert hat, Psychopathen spielen eine wesentliche Rolle in vielen seiner Werke. Das ist einfach nicht die Sache des Autors dieser Zeilen. Daher gibt es an dieser Stelle nur eine Empfehlung: Wenn Sie noch nie einen Fitzek-Roman gelesen haben, dies aber immer schon einmal tun wollten, beginnen Sie mit einem seiner älteren Werke: „Passagier 23“ von 2015 ist eine gut ausgedachte Geschichte mit einer verblüffenden Auflösung.
Ebenfalls außen vor bleiben sollen all die Krimis, die in Norddeutschland angesiedelt sind. Es gibt Hamburg-Krimis, Küsten-Krimis, Krimis, die auf jeder beliebigen Urlaubsinsel spielen. Doch es sind einfach viel zu viele, als dass es Sinn haben würde, einzelne hervorzuheben. Stattdessen möchte ich nun mit den beiden Krimi-Autoren beginnen, die mich in diesem Jahr ganz besonders begeistert haben. In der kommenden Woche folgt dann ein Überblick über viele weitere Kriminalromane.
Nobelpreiswürdig – Tana French: „Feuerjagd“
Nobelpreiswürdig seien die Bücher von Tana French. So urteilte die „WAZ“ 2021 über ihren Roman „Der Sucher“. Nun hat die irisch-amerikanische Autorin mit „Feuerjagd“ eine Fortsetzung geschrieben, die erneut an der irischen Westküste spielt, sich aber auch ohne Kenntnis des Vorgängers lesen lässt. Was sich wie Marketing-Übertreibung anhört, ist tatsächlich wahr: Wie Tana French schreibt, ist nobelpreiswürdig!
Es sind kleine, aber wohlgesetzte Federstriche, mit denen sie die Szenerie beschreibt und ihre Figuren charakterisiert. Sätze wie: „Selbst in den schwachen spitzen Rufen der Vögel, die viel zu hoch fliegen, als dass man sie sehen könnte, vibriert die Hitze“ beschreiben das Setting meisterhaft. Solche Passagen machen den Reiz von „Feuerjagd“ aus.
Die Figuren sind so lebendig, dass man sich später fragt, wie es ihnen geht
Das ist auch ein Verdienst der Übersetzer Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Hauptfigur des Romans ist das 15-jährige Mädchen Trey, eine Einzelgängerin, die so leicht nichts umwirft. „An manchen Stellen führt der Weg steil bergab, aber Treys Beine sind daran gewöhnt. Weiter unten erstrecken sich die Weiden, ein Mosaik aus Grüntönen und seltsam verwinkelten Formen, das Trey genauso gut kennt wie die Risse an ihrer Zimmerdecke. Die Heuernte ist im Gange. Winzige Ballenpressen tuckern hin und her, folgen geschickt den unerklärlichen Krümmungen der Steinmauern und hinterlassen dicke gelbe Zylinder wie Pferdeäpfel. Die Lämmer sind weiße Schnipsel, die über das Gras flattern.“
Treys wichtigste Bezugsperson ist der ehemalige Polizist Cal, ein Amerikaner, der sich an der irischen Westküste angesiedelt hat. Doch als eines Tages ihr Vater nach Jahren zurückkehrt, wird die Idylle erschüttert. „Die Figuren werden so lebendig, dass man sich noch lange nach der Lektüre fragt, wie es ihnen geht“, schrieb der Guardian. Wohl wahr!
Bilder in Schwarz-Weiß – James Kestrel: „Bis in alle Endlichkeit“
James Kestrel ist ein Pseudonym. Dahinter verbirgt sich der amerikanische Rechtsanwalt und Schriftsteller Jonathan S. Moore. Dessen klassischer Detektivroman „Bis in alle Endlichkeit“ dreht sich um den rätselhaften Tod einer Frau, die im Cocktailkleid tot auf dem Dach eines Rolls-Royce gefunden wird. Ein Fall für Privatdetektiv Lee Crowe, der im Auftrag der schwerreichen Mutter des Opfers die Hintergründe dieses vermeintlichen Selbstmords ergründen soll.
Auch interessant
- Carl Benz – Der Mann, dem die Frau das Auto wegnahm
- Noch attraktiver: Der Bergedorfer Citylauf erfindet sich neu
- Was Firmenbosse von Fußballstar Martin Harnik lernen wollen
Die Handlung wird aus der Ich-Perspektive von Crowe erzählt. Der Stil von Kestrel ist schnörkellos. Er braucht nur zwei Sätze, und man ist schon mittendrin in der Geschichte: „Als ich Claire Gravesend das erste Mal sah, war sie schon tot. Wenn auch nicht lange.“ Das ist der lakonische Stil eines typischen Krimi Noir aus den 1940er-Jahren, dessen bedeutendster Vertreter Raymond Chandler war. „Wenn Chandler heute leben würde, würde er wie Kestrel schreiben“, urteilte der Kritiker Joe Hartlaub zu Recht.
Das Buch über einen Privatdetektiv ist im schönsten Sinne unmoralisch
Man sieht beim Lesen förmlich eine Verfilmung mit Humphrey Bogart vor sich. Alle Bilder, die Ihnen vor Ihr geistiges Auge kommen, werden in Schwarz-Weiß sein, so meisterhaft trift Kestrel seinen Stil. Doch warum schreibt Moore das unter einem Pseudonym? Ganz einfach, der Inhalt von „Bis in alle Endlichkeit“ ist im schönsten Sinne unmoralisch. Da gibt es einen Anwalt, der mit schmutzigen Tricks seinen Mandanten vor Gericht raushaut, obwohl dieser ein Verbrecher ist. Auch die Hauptfigur Lee Crowe ist stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Es ist eine melancholische, aber sehr reizvolle Welt.