Dassendorf. Stimmt‘s im Team, läuft‘s auf dem Platz. Das gilt beim Fußball und im Berufsleben. Die Dassendorfer Gala gegen Billstedt beweist es.
Besonders einladend sieht der Fußballplatz der TuS Dassendorf am Wendelweg nicht aus, nachdem er gerade 90 Minuten lang von 44 Fußballerbeinen malträtiert worden ist. Überall sind tiefe Löcher von den Stollen, an den feuchten Stellen quillt der Matsch hervor, und oft fehlt der Rasen völlig. Doch für Martin Harnik, den verletzten Top-Stürmer des Fußball-Oberligisten, ist es ein Sehnsuchtsort. Nachdenklich blickt der 37-Jährige hinunter auf das braungrüne Mischmasch. „Trainer zu sein, macht schon Spaß“, gibt er zu. „Aber ich will hier wieder hin.“
Im Januar soll es soweit sein. Dann wird der Interimscoach der TuS Dassendorf für den Rest der Saison zum Spielertrainer, lenkt die Geschicke des Tabellendritten dann nicht mehr aus der „Playstation-Perspektive“ am Seitenrand, sondern wieder auf dem Rasen. Im Amateurfußball ist es wie im Berufsleben: Stimmt‘s im Team, dann läuft‘s auch auf dem Platz.
TuS Dassendorf: Was Firmenbosse von Martin Harnik lernen wollen
Das glanzvolle 6:1 im Heimspiel gegen Vorwärts-Wacker Billstedt war das beste Beispiel dafür. Die Dassendorfer präsentierten sich gegenüber der Vorwoche deutlich verbessert und schossen durch Len Aike Strömer (9., 12.), Fabian Graudenz (28.) und Sven Möller (41.) bei einem Gegentreffer von Marvin Wiedemann (32.) eine klare 4:1-Pausenführung heraus.
Als dann der omnipräsente Okan Kurt kurz nach der Pause erneut zentimetergenau auf Sven Möller flankte und der Kapitän den Ball mit dem Kopf entschlossen zum 5:1 in die Maschen wuchtete (46.), war bereits alles entschieden. Den Schlusspunkt setzte der unwahrscheinlichste Kandidat: Der 23-jährige Mert Akkus, der im Sommer vom Lüneburger SK gekommen war und in der Oberliga noch nie ein Spiel über die vollen 90 Minuten absolviert hat, traf mit einem trockenen Flachschuss von der Strafraumgrenze zum 6:1-Endstand (75.).
Was der Ex-Profi von Trainern wie Bruno Labbadia oder Huub Stevens gelernt hat
Es ist die Idealvorstellung eines Teams, bei der jedes Rädchen ineinander greift und auch diejenigen, die sich sonst kaum in Szene setzen können, mal auftrumpfen. Seit einiger Zeit hält Martin Harnik Impuls-Vorträge über genau dieses Thema vor Führungskräften der Wirtschaft. Der ehemalige Profi von Werder Bremen, dem VfB Stuttgart und dem Hamburger SV spricht vor den Firmenbossen über seine ehemaligen Trainer aus Bundesliga-Zeiten und was er von ihnen in Sachen Teambuilding gelernt hat.
Da war Bruno Labbadia, der jetzt gerade beim HSV wieder heiß diskutiert wird, unter dem er von 2010 bis 2013 beim VfB Stuttgart kickte. Der knurrige Niederländer Huub Stevens, ebenfalls in Stuttgart, Senkrechtstarter Florian Kohfeldt bei Werder Bremen oder Dieter Hecking beim HSV, unter dem es für Harnik überhaupt nicht lief. In der 2. Bundesliga verpasste der HSV in der Saison 2018/19 als Vierter den Aufstieg, und der Stürmer erhielt vom Kicker mit 4,18 die schlechteste Note aller bewerteten Spieler.
Ein Trainervorbild hat Martin Harnik nicht, sondern ganz viele
„Ich spreche vor den Führungskräften auch über die negativen Dinge“, betont Harnik. „Ich erzähle von den verschiedenen Trainertypen, die ich bislang hatte. Aber ein Vorbild? Nein, das gibt es nicht. Das ist eher wie bei einem großen Büfett, bei dem ich mir aussuche, was mir am besten schmeckt.“
So hat er sich seinen Plan für die restliche Saison zusammengebaut. „Es geht nicht darum, dass die Spielidee, die wir verfolgen, der perfekte Masterplan ist“, erläutert der 37-Jährige. Der ist am Ende nicht wichtig, sondern dass auf dem Platz keine Zweifel da sind, dass keine Interpretationen stattfinden, was genau die Aufgabe ist. Wir haben in der Mannschaft sehr erfahrene Spieler mit sehr hoher Spiel-Intelligenz. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass jeder seine eigene Spielidee hatte. Das haben wir geändert und geben jetzt einen klaren Plan vor, den alle gemeinsam umsetzen sollen.“
Martin Harnik agiert mit viel Emphathie
Dass sie ein Trainerteam sind, in dem sich der verletzte Rinik Carolus ebenso einbringt wie Co-Trainer Mirko Petersen oder Sportchef Jan Schönteich, das ist Harnik ganz wichtig. Doch am Ende des Tages ist natürlich er es, der seinen Teamkollegen sagen muss: „Du spielst und du nicht.“ „Das geht nur mit ganz viel Empathie“, ist sich der Ex-Profi bewusst. Die zeigt Martin Harnik am Spielfeldrand, nimmt Stürmer Kristof Kurczynski vor dessen Einwechslung in den Arm, schwört ihn noch einmal auf seinen Einsatz ein.
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Auch für Mert Akkus hat der Ex-Profi schon einen Plan. Ein einziges Mal durfte der frühere Düneberger in der Oberliga von Beginn an ran. Am fünften Spieltag war das. Seite an Seite stürmte der 23-Jährige damals mit Harnik, aber nicht viel passierte. Zur Pause musste Akkus raus, die Dassendorfer siegten noch mit 4:0, und der frühere Landesliga-Torschützenkönig durfte in der Oberliga nie wieder von Beginn an ran.
Am Sonntag geht es für die TuS Dassendorf nach Buchholz
„Mert hat sehr gute Ansätze, vor allem in der Box“, lobt er. „Was ihm aber fehlt, ist die Handlungsschnelligkeit. Die wird er im nächsten halben Jahr bei mir lernen.“ Am Sonntag, 8. Dezember, müssen die Dassendorfer noch beim TSV Buchholz 08 ran (14 Uhr, Holzweg). Danach ist Weihnachtspause, bevor am 1. Februar 2025 mit dem Heimspiel gegen den Tabellenzweiten Eimsbütteler TV (13 Uhr, Wendelweg) dann gleich ein echtes Schlagerspiel ansteht. Dann möchte auch Harnik wieder aktiv mitmischen. Der Sehnsuchtsort Fußballplatz, er ruft.