Hamburg. Die Cheerleader der TSG Bergedorf zeigen, was sie drauf haben, und ernten Jubelstürme. Der Sport boomt. Und wer will, kann dabei sein.
Die Sporthalle der Gretel-Bergmann-Schule in Neuallermöhe platzt aus allen Nähten. Über 500 Zuschauerinnen und Zuschauer drängen sich um die Bühne und jubeln den Cheerleader-Teams der TSG Bergedorf zu. Bei jedem Auftritt von einer der zwölf Formationen von Hamburg Supreme Cheer (HSC), wie die TSG-Abteilung heißt, schwillt der Jubel zum Orkan an, das Gekreische ist ohrenbetäubend. Es ist eine Stimmung wie auf einem Taylor-Swift-Konzert.
Cheerleading boomt. Innerhalb eines Jahres hat der Cheerleading und Cheerperformance Verband Deutschland seine Mitgliederzahlen um ein Viertel von 24.000 auf über 30.000 gesteigert. Offiziell nennt sich die Sportart jetzt Cheersport, um den sportlichen Charakter zu betonen und wegzukommen vom Puschel-schwingenden Image. Pompons sucht man beim „Show Case“, der großen Generalprobe von Hamburg Supreme Cheer für die neue Saison, folglich auch vergeblich.
Cheerleading: Stell dir vor, die Halle tobt, und es ist deinetwegen
Auch bei den Bergedorfern ist der allgemeine Boom spürbar. „Wir haben die Zahl unserer Mannschaften gegenüber dem Vorjahr von zehn auf zwölf gesteigert“, weiß TSG-Abteilungsleiter Oliver Gerst stolz zu berichten. Insgesamt 230 Aktive gehören zu den HSC-Cheerleadern, aufgeteilt in sieben Leistungsteams und fünf Aufbaumannschaften.
So ist für jedes Alter und jede Leistungsstärke etwas dabei. „Aber wir suchen immer noch weitere Sportlerinnen und Sportler und hoffen auch auf Zuwachs für unser Trainerteam“, betont Gerst. Wer Interesse hat, kann sich unter hsc-world.de anmelden.
Es sind vorwiegend Mädchen und Frauen, die den Cheersport betreiben. Der Anteil der Jungs liegt deutschlandweit bei ungefähr vier Prozent, bei der TSG sogar noch etwas niedriger. Doch sie sind gern gesehen. So ist das Vorzeigeteam der TSG Bergedorf, die HSC Rockstars, ein sogenanntes Coed-Team, also eine gemischte Mannschaft aus Mädchen und Jungs. Die Rockstars waren schon deutscher Meister und haben es in diesem Frühjahr sogar bis zu den Weltmeisterschaften nach Orlando (Florida) geschafft.
Wer will schon einen Fehler machen, wenn Verwandte und Freunde zusehen?
Während solche Auftritte für die Leistungsgruppen also schon Routine sind, ist das Show Case für viele andere der erste Auftritt vor Publikum. Eigentlich geht es dabei ja um nichts, es ist ja nur ein Test. Doch wer will schon einen Fehler machen, wenn die ganze Halle tobt und vielleicht Freunde und Verwandte zusehen? Druck ist also trotzdem da. Doch die Mädchen halten zusammen, feuern sich gegenseitig an.
Den Anfang machen die Jüngsten, die Peewees. Sie erobern das Publikum im Sturm. Auch in diesem Bereich gibt es bereits Leistungsteams, die auf Wettkämpfe fahren, etwa die HSC-Twinklestars, die mit einem unbekümmerten Auftritt begeistern. Die Twinklestars sind ein Level-1-Team. Fünf Leistungslevel gibt es. Welche Schwierigkeiten gezeigt werden dürfen, ist aber auch vom Alter abhängig. Erst in der Jugend sind waghalsige, akrobatische Übungen, sogenannte Stunts, erlaubt.
Die Flyer wohlbehalten wieder aufzufangen, das hat oberste Priorität
Jeder Teenager lernt dabei als Erstes die goldene Regel des Cheersports: Der Flyer berührt nie den Boden! Flyer werden diejenigen genannt, die ganz oben akrobatische Kunststücke vorführen und in die Luft geworfen werden. Die Akrobaten der Lüfte sicher wieder aufzufangen, das hat oberste Priorität. Dafür riskieren die stillen Helden am Boden, die Bases und Backs, notfalls auch ihre eigene Gesundheit, falls sie beim Fangen mal einen Fuß oder Arm abbekommen. Aber das passiert eher selten, denn jede Bewegung ist exakt einstudiert.
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Der Untergrund, auf dem getanzt und geturnt wird, ist ein spezieller Schwingboden, der Safety Floor genannt wird und den Kunstturner als Airtrack kennen. Auch er hilft, Verletzungen zu vermeiden. Der Höhepunkt des Nachmittags in der Gretel-Bergmann-Schule ist dann der Vortrag der Rockstars, die mit einer verwirrenden Vielzahl an Flickflacks und Salti über die Matte wirbeln. Da wird einem schon beim Zuschauen schwindelig.
Das große Ziel sind die deutschen Cheerleading-Meistershaften in Ulm
Bei deutschen Meisterschaften sind die Rockstars regelmäßig ganz vorn mit dabei. Doch in dieser Saison haben sie den Aufstieg von Level 4 in Level 5 gewagt. Konkret heißt das zum Beispiel, dass statt eines Rückwärtssaltos jetzt ein Rückwärtssalto mit Schraube gezeigt werden muss. Am Wochenende (14./15. Dezember) starten die Rockstars und sechs weitere HSC-Leistungsteams bei den Landesmeisterschaften in Husum. Ende Januar folgen die norddeutschen Titelkämpfe in der Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg, Ende März dann die deutschen Meisterschaften in Ulm.
„Angesichts des Level-Aufstiegs wäre es vermessen, gleich vom Titel zu reden“, bleibt Abteilungsleiter Gerst lieber vorsichtig. „Das wird sicher sehr schwierig, da viele unserer Konkurrenten schon seit Jahren auf diesem Level trainieren“, pflichtet Trainerin Vanessa Gonchar, die das Team gemeinsam mit Michelle Menke coacht, bei. „Aber Level 5 ist mein Lieblingslevel, denn er ist am dynamischsten.“ Der Aufwand ist immens. „Wir haben alleine drei, vier Monate für Planung gebraucht und dann noch einmal drei, vier Monate lang die neue Choreografie eingeübt, bis die richtig saß“, rechnet Gonchar vor.
Cheerleading ist nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkt. Auch Erwachsene mischen mit
Auch bei den Erwachsenen gibt es ein Level-5-Team. Die HSC-Spiritstars bilden nach zweieinhalb Stunden schließlich den Abschluss der Show. Die Spiritstars sind ein Allgirl-Team, also eine reine Frauenmannschaft. Sie zeigen, dass Cheerleading nicht auf Kinder und Jugendliche beschränkt ist. Auch junge Erwachsene können hier Erfüllung finden. Dieses Gefühl, dass die ganze Halle tobt, und das nur deinetwegen, das ist eben etwas ganz besonders Wertvolles.