Geesthacht. Alte Heizung raus, oder nicht? Die Stadtverwaltung informierte über Wärmeplanung und Fernwärmeausbau. Ein Vorschlag überraschte.
19 Kilometer lang ist das Geesthachter Fernwärmenetz – das entspricht in etwa der Entfernung von Geesthacht bis Glinde. Für viele Einwohner ist das ganz und gar nicht lang genug, das wurde beim Informationsabend im Rathaus deutlich, in dem über die Wärme-Kälte-Planung der Stadt informiert wurde. Der Plan soll bis Ende des Jahres stehen, abschließend muss ihn die Ratsversammlung absegnen. Die Fortschreibung hat alle fünf Jahre zu erfolgen. Hintergrund ist das Bundesgesetz für Erneuerbares Heizen.
Fernwärmerohre – sie sind für viele die rettenden Strohhalme, sich aus dem quälenden Nebel der Ungewissheit zu befreien, der da heißt: Wie bekomme ich das Haus warm, wenn die alte Gasheizung kaputtgeht nach dem 30. Juni 2028, dem Ende der Übergangsfrist? Diese bohrende Frage trieb etwa 60 Besucher in den Ratssaal, fast ausschließlich Häuslebauer.
Wer in Geesthacht vom Fernwärmenetz profitieren kann
Gleich zu Beginn wurde erfragt, wer im Publikum Gebäudeeigentümer sei. Und fast alle Hände gingen nach oben. Nur einer von ihnen war an das Fernwärmenetz angeschlossen. Und Zweidrittel bekundeten, auch gern an das Netz angeschlossen zu werden.
Dieses große Interesse dokumentiert auch die Internetseite der Stadtwerke. Über 115.000 Aufrufe verzeichnet die Übersichtskarte zum Ausbau, dem vollzogenen wie geplanten. Einzusehen unter www.stadtwerke-geesthacht.de/waerme.
Die Verlegung von Fernwärmerohren ist teuer
Doch vielfach wird es nicht möglich sein. Die begehrten Rohre sind teuer. Jeder verlegte Kilometer kostet etwa eine Million Euro. Dort, wo zu wenige Kunden leben, um den Ausbau ökonomisch durchführen zu können, wird der Netzausbau unterbleiben. In nicht allzu ferner Zukunft soll etwa ein Viertel der in Geesthacht benötigten Wärme als Fernwärme geliefert werden.
Gemäß der Einteilung, die beim Informationsabend vorgestellt wurde, betrifft das fast das gesamte Gebiet der Innenstadt bis nach Düneberg und Besenhorst und entlang der Elbe die Hafencity, auch Wohngebiete, die sich entlang des Heuwegs bis in die Oberstadt ziehen sowie rund um den Dösselbuschberg. Dazu kommen Inselbereiche in Tesperhude und in Grünhof.
Weiterheizen erlaubt, bis die Gasheizung altersschwach zusammenbricht
Aber was machen all die anderen, denen ein Anschluss verwehrt bleiben muss? Die Experten von der Stadtverwaltung, der Stadtwerke und dem Planungsbüro bemühten sich im Ratssaal nach Kräften, für Aufklärung über einige strittige Punkte zu sorgen. „In den übrigen Gebieten schlagen wir den Einsatz von Luftwärmepumpen vor, das ist in den meisten Fällen die effizienteste Lösung“, meinte Henning Harke von der Averdung Ingenieure & Berater GmbH.
Klar wurde: Wer aktuell mit einer Gasheizung heizt, kann sie weiterbetreiben, sofern sie nicht irgendwann altersschwach zusammenbricht. „Wenn Sie eine Heizung besitzen, die auch funktioniert – es gibt keine Austauschpflicht“, erklärte Patrick Dorawa, Projektingenieur Wärme und Klimaschutz, von den Stadtwerken. Das Problem: Die Bewohner dürfen zwar weiterhin die Heizung benutzen, müssen aber die anfallenden Betriebskosten berücksichtigen. Und die würden im Laufe der Zeit ständig steigen.
Wegen zunehmender Anteile von Biomasse wird es immer teurer
Grund ist der zunehmende Pflichtanteil an zugemischter Biomasse – Bio-Methananteile –, der richtig ins Geld geht. Ab dem 1. Januar 2029 sind es mindestens 15 Prozent, ab 2035 30 Prozent und ab dem 2040 60 Prozent, in Sonderfällen sogar 100 Prozent „Das ist eigentlich nicht bezahlbar“, befand Patrick Dorawa. Biogas zum Ortstarif liege derzeit bei 13 Cent brutto pro Kilowattstunde.
Wer nun daran dachte, am nächsten Tag umgehend die alte Heizung loszuwerden, dem riet er, zunächst die Füße stillzuhalten. „Ich bin der Meinung, dass man im Moment bestehende Heizungen nicht austauschen sollte. Erstmal die Entwicklung abwarten“.
Im Neubaugebiet gilt die 65-Prozent-Regelung bereits
Ein anderes Szenario ergäbe sich indes, wenn die Heizung vor dem Stichtag kaputt ginge – wobei es Übergangsfristen für Gasheizungen gibt von fünf bis zehn Jahren. „Im Neubaugebiet müssen Sie bereits heute die 65-Prozent Regelung beachten“, sagte Patrick Dorawa. Gemeint ist die Vorgabe, dass ab 1. Juli 2028 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. „Dort ist in der Regel die Wärmepumpe mit regenerativen Erzeugungsanlagen die beste Wahl.“
Patrick Dorawa versuchte, Mut zu machen – durch eine andere Sichtweise auf die Sachlage. „Ich würde immer sagen, welche Rendite bringt die Wärmewende? Im Zusammenhang mit den Fördermitteln ist das eine Investition, die sich lohnen kann. Es ist auch volkswirtschaftlich interessant, eine gewisse Unabhängigkeit aufzubauen“. Man sollte es nicht als Kostenbelastung ansehen, sondern als lohnenswerte Investition.
Stimmen aus der Bundes-CDU nach Abschaffung des Heizungsgesetzes
Sofern es überhaupt dazu kommt. Im Vorfeld der kommenden Bundestagswahlen im Februar sind Stimmen aus den Reihen der Bundes-CDU zu vernehmen, das Heizungsgesetz der geplatzten Ampel-Regierung wieder rückgängig machen zu wollen. Besonders ins Auge stechen ihnen die Ausgaben der staatlichen Förderungen für den Heizungstausch.
Die Geesthachter SPD-Fraktionsvorsitzende Petra Burmeister, die als eine von nur sehr wenigen Lokalpolitikern die Veranstaltung besuchte, hält das für Wahlkampfmanöver. „Das rückgängig zu machen, halte ich für schwierig. Eine Debatte, die grundsätzlich Unsicherheiten schürt und dazu führt, dass die Situation für alle schwieriger wird.“
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Gute Nachrichten auf dem Themenabend der SPD
Vier Tage später lud die Orts-SPD zusammen mit ihrer Bundestagsabgeordneten Nina Scheer zu einem eigenen Gesprächsabend unter dem Titel „Mit Energiewende Wertschöpfung sichern“ ins Krügersche Haus ein. Und da gab es auch mal gute Nachrichten zu hören.
„Im nächsten Jahr sinken die Netzentgelte für Strom in Schleswig-Holstein. Ein typischer Vierpersonenhaushalt wird zirka 120 bis 150 Euro im Jahr dadurch sparen. Die Kosten des Anschlusses und Leitungsausbaus bezahlen jetzt auch bayerische Stromkunden“, berichtete Nina Scheer. Sie warb für ein „weiter so“: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss unvermindert weitergehen. Ein Innehalten oder einen Stopp des Ausbaus können wir uns nicht leisten.“