Geesthacht. Der erneute Anlauf für ein Wasserkraftwerk begeistert den Umweltausschuss. Und diesmal scheint die Umsetzung zum Greifen nah.

Bereits seit 1960 ist die Staustufe in der Elbe bei Geesthacht in Betrieb. Ein Puzzlestein blieb seitdem offen im Gesamtbild der Anlage. 64 Jahre später gibt es Hoffnung, dass er doch noch eingefügt werden könnte. Gemeint ist eine Turbine zur Stromerzeugung durch den Fluss. Auf dem Umweltausschuss wurden neue Pläne zur Reaktivierung des Vorhabens für ein Laufwasserkraftwerk vorgestellt.

„Das nördliche Feld ist damals schon, als die Anlage gebaut wurde, vorgesehen gewesen für eine Wasserkraftturbine. Ich bin der Meinung, dass es in das Planfeststellungsverfahren integriert war“, erzählte Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze.

Geesthacht: Neue Pläne zum Wasserkraftwerk begeistern Umweltausschuss

Das Vorhaben indes erfuhr nie seine Umsetzung. Für die HEW und später für Vattenfall war es von den Dimensionen her wohl zu klein. Nun gibt es einen Anlauf durch eine Geesthachter Interessensgruppe. Sie stellte das Konzept, das sich explizit auf Geesthachter Bedürfnisse bezieht, im Ausschuss vor.

Drei Maschinen würden für eine Jahresleistung von etwa 47.000 Megawattstunden sorgen – und damit fast im Alleingang den kompletten Jahresverbrauch von Geesthacht abdecken. Hierdurch ließen sich 20.000 Tonnen CO₂ einsparen gegenüber der bisherigen Stromerzeugung.

Planertrio setzte sich zusammen, um Vorhaben endlich in trockene Tücher zu bringen

Geld für die Planung hat die Stadt bisher nicht ausgegeben. „Drei Herren aus Geesthacht“, wie die Masterminds des Konzeptes von Bürgermeister Olaf Schulze vorgestellt wurden, sind seit zwei Jahren aus Idealismus ehrenamtlich tätig – alle zwei Wochen am Mittwochabend –, um das jahrzehntealte Vorhaben endlich in trockene Tücher zu bringen. Denn Anläufe hatte es auch zuvor gegeben. Aber so dicht dran wie diesmal sei man noch nie gewesen, so der Tenor nach der Vorstellung.

Zusammengesetzt haben sich der Wissenschaftler vom Institut für Küstenforschung des Hereon, Dr. Sebastian Wagner, der Berater Stephan Böhler und der Stromnetzmeister Oliver Urhahn von den Geesthachter Stadtwerken – alle drei seit Langem freundschaftlich miteinander verbunden. Das Expertentrio nennt ihre private Initiative Flow4Gee. Sie sehen ihre Arbeit offiziell als „Beitrag zur Dekarbonisierung der Stadt Geesthacht“.

Die drei Turbinen sollen kein Fischschredder sein

Und das ist geplant: Genutzt für die Stromerzeugung soll bei dem modularen Konzept nach wie vor das bereits beim Wehrbau vorgesehene Feld. An der letzten Schwelle auf der nördlichen Seite sollen drei jeweils zwei Megawattstunden erzeugende, langsam drehende Turbinen eingesetzt werden – mit einer weltweit eingesetzten Technik mit erwiesener Fischverträglichkeit.

Denn die Anlage soll nicht nur ökonomisch eine Bereicherung sein, sondern auch ökologisch, darauf wird Wert gelegt. So werde auch die Lockströmung für Wanderfische deutlich verbessert. Ein Schreddern von Fischen soll es nicht geben, da die Turbine nicht schneller ist, als das Wasser strömt.

Das Bauwerk liegt unter Wasser und wird nicht zu sehen sein

Grafik zum Laufwasserkraftwerk in Geesthacht am Stauwehr
Auf der Grafik zum Laufwasserkraftwerk zu sehen: Links die Wand mit den Feinrechen zum Abhalten der Fische, rechts unter der Brücke die Anlage mit den drei Turbinen. © Flow4Gee | Flow4Gee

Die Schuppentiere sollen eigentlich beim 25 Meter langen finalen Wasserzulauf parallel zur Fischtreppe mit Feinrechen von einem Hineinschwimmen abgehalten und durch Röhren an den Turbinen vorbei gelenkt werden. Sollte doch mal ein Fisch in die Anlage geraten, würde er nur herumgewirbelt, ohne Schaden zu erleiden, heißt es.

Das Bauwerk, das die S-förmigen Turbinen beinhaltet, ist von oben zugänglich, liegt aber unter Wasser und wird nicht zu sehen sein. Es wird erwartet, dass die drei einzeln schaltbaren Maschinen für eine Jahresleistung von etwa 47.000 Megawattstunden sorgen.

Geesthacht könnte Strombedarf mit der Anlage fast komplett decken

Multipliziert mit dem Ertrag in Höhe von 95 Euro pro Megawattstunde aufs Jahr gesehen würden sich bei einem Direktvertrieb im eigenen Netz – ergo ohne lästiges Netzentgelt – 4.465.000 Euro als Gesamtertrag ergeben. Erzeugt würde der Strom ausschließlich für Geesthachter Haushalte. Und: Ein Blackout wäre für Geesthacht kein Thema mehr. Auch im Falle eines allgemeinen Stromausfalls würde der Strom aus dem Wasser weiter fließen.

Dem gegenüber stehen die Baukosten in Höhe von geschätzten bis zu 40 Millionen Euro – Stand jetzt – und zudem Betriebskosten für Instandhaltung (300.000 Euro), Versicherung (60.000 Euro), Verwaltung (60.000 Euro), Pachten (100.000 Euro) und Personal (100.000 Euro). Einmal gebaut, dürfte die Anlage sehr langlebig sein. Einige Wasserkraftwerke tun seit über 100 Jahren ihren Dienst.

Wehrsanierung wäre durch das Projekt nicht gefährdet

Offizielle Gespräche hat es auch schon gegeben. Bereits vor der Vorstellung im Ausschuss wurden die Pläne im Umweltministerium in Kiel vorgestellt und mit der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) besprochen. Wichtige Erkenntnis: Vorbehalte gibt es nicht, auch die vom WSV angestrebte Wehrsanierung wäre nicht gefährdet.

Einer der nächsten Punkte, der laut Olaf Schulze angegangen werden wird, ist die Frage, wer bereit wäre, die Anlage zu bauen. Er sieht die hauseigenen Stadtwerke „schon als ,Player‘“ bei der Realisierung. „Wenn es die Stadtwerke machen, wird es über deren Haushalt laufen“, sagt er. Wie schnell es weitergeht, hängt auch davon ab, welche bürokratischen Hürden zu nehmen sind. So ist noch unklar, ob das alte Planfeststellungsverfahren weiterhin gültig ist.

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Nach der Vorstellung gab es starken Applaus. Die Gefühlspalette der Ausschussmitglieder reichte von freundlichen Mienen bis zu heller Begeisterung. „Ich bin überwältigt, ich begrüße es unheimlich“, bekundete etwa Karl Herrmann Rosell (CDU) seine Zustimmung zum Gehörten. „Was lange währt, wird endlich gut“, ergänzte Oliver Pachur (CDU). Das letzte Puzzlestückchen – es scheint zum Greifen nah.