Kiel/Aumühle. Landesregierung in Kiel will das „Adelsprivileg“ abschaffen. Liberale attackieren im Landtag Finanzministerium für Untätigkeit.
- Landesregierung in Kiel will die Steueroase Sachsenwald abschaffen
- Hütte im Wald ist offenbar Sitz mehrerer Briefkastenfirmen
- Die Familie Bismarck nimmt Steuern in in Millionenhöhe ein
Die Diskussion um die Bismarcksche Hütte im Sachsenwald hat nun auch den Landtag in Kiel erreicht. Auf Antrag der Fraktionen von CDU und Grünen wurde in der jüngsten Plenarsitzung am Mittwochnachmittag darüber beraten, wie mit den historisch gewachsenen gemeindefreien Gebieten auf dem schleswig-holsteinischen Festland künftig steuerrechtlich wie kommunalverfassungsrechtlich umgegangen werden soll. Wegen der anhaltenden Kontroverse um althergebrachte Privilegien sahen die beiden Regierungsparteien „dringenden Handlungsbedarf“, um eine Besserstellung solcher Gebiete gegenüber anderen kommunalen Körperschaften zu beenden.
„Wir haben in den vergangenen Wochen viel gelernt über Steuern und den Sachsenwald“, sagte Ole Plambeck, steuerpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, der die Debatte im Landtag eröffnete. Tatsache sei, dass die Sonderregelung aus dem Jahr 1927 noch immer gelte und die fälligen Umlagen aus erzielten Gewerbesteuereinnahmen regelmäßig an Land und Bund abgeführt worden seien. Die Kernfrage bleibe indes, ob dieses Relikt aus längst vergangenen Tagen noch zeitgemäß sei.
Steueroase Sachsenwald: Hütte im Wald ist offenbar Sitz mehrerer Briefkastenfirmen
Ins Rollen gebracht hatte das Aufregerthema am 11. Oktober das „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann. In Kooperation mit der Plattform „Frag den Staat“ hatten Recherchen ergeben, dass in der reetgedeckten Hütte mitten im Sachsenwald mindestens 21 Unternehmen gemeldet sind, darunter etliche aus der Hansemetropole Hamburg.
Nur Anzeichen für einen regelmäßigen Geschäftsbetrieb waren offenbar kaum auszumachen, wie der Einsatz einer Wildkamera belegt haben soll. Weshalb der Verdacht im Raum steht, bei den Mietern der Immobilie Am Stangenteich könne es sich in der Mehrzahl um Briefkastenfirmen handeln. Deren einziges Ziel darin bestanden habe, möglichst viel Steuern zu sparen.
Gregor von Bismarck darf über einen Verwalter Höhe der Gewerbesteuer selbst bestimmen
Der Sachsenwald gilt als gemeindefreies Gebiet, für das Besitzer Gregor von Bismarck die Höhe der Gewerbesteuer über einen von ihm eingesetzten Verwalter selbst festlegen kann. Mit einem niedrigen Hebesatz hat der Urenkel des ersten deutschen Kanzlers sein kleines Reich als Unternehmenssitz im Laufe der Jahre attraktiv gemacht. Während der Hebesatz im Sachsenwald bei 275 Prozent liegt, beträgt er in der Kommune Aumühle 350 Prozent und im benachbarten Hamburg 470 Prozent.
Seit 2020 fallen im Sachsenwald erhebliche Steuergewinne an. Allein im Vorjahr soll es knapp eine Million Euro gewesen sein, alles in allem ist von insgesamt rund 2,3 Millionen Euro die Rede. Geld, das im bismarckschen Forstgutsbezirk verblieben ist und dort unter anderem für Pflege und Erhalt des Waldes verwendet worden sein sollen.
Landtag in Kiel: „Adelsprivileg“ soll so schnell wie möglich abgeschafft werden
„Dass die Begründung für diese Art der Steuererhebung ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz sei, mutet doch recht skurril an“, erklärte Oliver Brandt für die Grünen. Aus deren Sicht müsse das „Adelsprivileg aus dem 19 Jahrhundert“ so schnell wie möglich abgeschafft werden. „Gemeindefrei darf nicht demokratiefrei bedeuten“, so Brandt.
Für Beate Raudies (SPD) berührt die gängige Praxis im Sachsenwald mehr als nur das Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger. „Dank Böhmermann wissen wir nun, dass sich dort nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Der Verdacht, dass es sich hier um eine Steueroase handelt, liegt nahe“, so die Sozialdemokratin. Es sei bedenklich, wenn von Unternehmen versucht werde, ihre Steuerlast auf diese Weise zu senken.
SPD: Konstrukt der Steueroase Sachsdenwald ist reif für den Müllhaufen der Geschichte
„Was legal ist, ist nicht immer legitim. Das Steuerrecht sollte für jeden und überall gelten“, sagte Raudies. Das Konstrukt der gemeindefreien Gebiete sei jedenfalls „aus der Zeit gefallen“ und gehöre alsbald auf den Müllhaufen der Geschichte. „Deshalb müssen wir Druck auf den Kessel bringen, denn Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verbrechen“, betonte sie.
Eher ironisch kommentierte Annabell Krämer von der FDP das „Wirtschaftswunder“ im Herzogtum Lauenburg. „Unter der Sachsenwald-Quelle habe ich mir immer was ganz anderes vorgestellt“, formulierte die Freidemokratin. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass alle in der Hütte im Wald gemeldeten Unternehmen dort tatsächlich regelmäßigen Geschäftsbetrieb betreiben würden.
SSW: Überholte Regelung für Steueroase Sachsenwald darf keine 100 Jahre alt werden
Noch verwunderlicher sei allerdings, dass das Finanzministerium trotz steigender Gewerbesteuereinnahmen in dem Forstgutsbezirk jahrelang nicht tätig geworden sei. „Und das ist der eigentliche Skandal, der nun lückenlos aufgeklärt werden muss“, schaltete Krämer schließlich in den Angriffsmodus.
Laut Lars Harms vom SSW hat der Fall zu Recht bundesweit hohe Wellen geschlagen. Dass die im Sachsenwald erzielten Gewerbesteuern in die Taschen der Familie von Bismarck flössen, habe mehr als nur ein Geschmäckle. „Das merkwürdige Konstrukt ist wohl nicht illegal, aber zumindest anachronistisch und gehört deshalb abgeschafft“, so Harms. Jedenfalls sollte es keinesfalls 100 Jahre Bestand haben.
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Steueroase Sachsenwald: Wie kann jetzt eine Eingemeindung gelingen?
„Wir erwarten jetzt jedenfalls Vorschläge von der Landesregierung, wie das Problem gelöst werden kann“, bekräftigte Ole Plambeck den gemeinsamen Antrag von Schwarz-Grün. Denkbar sei entweder die Gründung einer eigenen Gemeinde oder die Eingemeindung des Forstgutbezirks in eine benachbarte Kommune. Dazu sollten aber alle Beteiligten noch einmal gehört werden. „Zielmarke ist für uns der 1. Januar 2026. Wobei Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen sollte“, so Plambeck.
Die Landesregierung signalisierte umgehend Handlungsbereitschaft. „Die Lage ist zwar komplex, das Konstrukt gemeindefreier Gebiete sollte aber abgeschafft werden“, erklärte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Zur Herstellung einer rechtlichen Gleichbehandlung favorisiere die Kieler Koalition eine Eingemeindung. Erst wenn das nicht gelinge, werde eine Eingemeindung per Gesetz erwogen. Das hatte die SPD-Fraktion in einem eigenen Antrag gefordert, der im Landtag aber keine Mehrheit fand.