Geesthacht. Geesthacht. Experte von der TU Braunschweig betont: Eine solche Anlage könnte bis zu 22 Megawatt Leistung haben und 40.000 Haushalte versorgen.
Die knapp 60 Besucher und Politiker im Geesthachter Ratssaal merkten es am Montagabend schnell: Da steht ein Mann vor dem Umweltausschuss der Stadt, der für sein Projekt brennt. Gemeint ist Diplom-Ingenieur Christian Seidel, der über drei Stunden lang die Möglichkeiten vorstellte, die Hochleistungswasserräder bieten, die auch für ein Laufwasserkraftwerk am Geesthachter Stauwehr in Betracht kommen könnten. Nur verhallte sein Vortrag ohne konkretes Ergebnis. Die Akteure scheuen die Investition.
100 Gigawattstunden Strom im Jahr?
Die Idee eines Kraftwerks an dieser Stelle stammt aus den 1950er-Jahren. Seidel geht davon aus, dass sich heute an den drei infrage kommenden Stauwehr-Feldern insgesamt bis zu zwölf der modernen Wasserräder mit einem Durchmesser von elf Metern installieren ließen. In der Spitze könne eine solche Anlage bis zu 22 Megawatt Leistung erzielen und pro Jahr bis zu 100 Gigawattstunden Strom produzieren, was dem Jahresverbrauch von 40.000 Haushalten entspreche – vorbehaltlich keiner negativen Auswirkung des Tidenhubs.
Christian Seidel arbeitet am Institut für Statik an der TU Braunschweig und hat auf die Entwicklung der Hochleistungswasserräder ein Patent in Deutschland und eines in der EU angemeldet. Die Gruppe um Seidel, an der auch der Stahlproduzent Salzgitter AG mitwirkt, hat sich die Frage gestellt, wie sich der weiße Fleck, der nicht von bestehenden Wasserturbinen abgedeckt werden kann, bestreiten lässt. Es geht um fließende Gewässer, bei denen zwar viele Kubikmeter Wasser fließen, aber aus einer geringen Fallhöhe auf die Anlage treffen. So liege aktuell die technische Grenze bei 1,5 bis zwei Meter Fallhöhe, die wirtschaftliche Grenze bei drei bis vier Meter. Laut Seidel lasse sich die technische Grenze theoretisch auf 0,3 bis 0,4 Meter senken, wodurch die Anlage schneller wirtschaftlich werde.
Forschungsanlage entsteht in der Nähe von Celle
Aktuell hat die Gruppe Wasserräder mit acht und elf Meter Durchmesser entwickelt. Letzteres soll in einer Forschungsanlage in Bannetze-Hornbostel westlich von Celle eingesetzt werden, die 500 Kilowatt Leistung haben soll und damit 1000 Haushalte versorgen könne. Hier sind die Vorarbeiten abgeschlossen.
„Die Energiewende nur mit Wind und Sonne ist unmöglich“, betonte Christian Seidel. Bei der Umstellung auf regenerative Energien brauche es Anlagen, die die Grundlast liefern, wenn Atomkraftwerke und Kohlemeiler abgeschaltet sind. Neben Geothermie und Biomasse sei das die Wasserkraft. Diese werde in Deutschland aber schon seit den Zeiten des Preußischen Reichs vernachlässigt, da dieses über große Steinkohle-Vorkommen verfügte. Er gehe davon aus, dass sich die Stromproduktion aus Wasserkraft in Deutschland allein durch die Erneuerung von knapp 60 Anlagen verdoppeln ließe. Aktuell stelle Wasserkraft nur 16,6 von insgesamt 640 produzierten Terawattstunden. Der Anteil erreiche maximal vier Prozent in Deutschland, liege weltweit bei 16 Prozent.
Bundespolitiker und Vattenfall reagieren reserviert
CDU-Bundestagsabgeordneter Norbert Brackmann, der den Ausschuss besuchte, sah Risiken für die Schifffahrt. Der Bund werde nur unterstützen. Grünen-Bundestagsabgeordneter Konstantin von Notz wies darauf hin, dass es eines klaren Petitums an den Bund bedürfe. Vattenfall-Sprecher Christian Seyfert, dessen Konzern die Wasserrechte am Stauwehr hält, zeigte sich gesprächsbereit, machte aber ebenfalls keine Zusagen.
Wenig begeistert war der Ausschussvorsitzende Thomas Markwart (CDU): „Mehr war wohl nicht zu erwarten. Die angereisten Politiker aus dem Bundestag zeigen sich handlungsunfähig und legen die Verantwortung in die Hände von Vattenfall und Geesthacht.“ Ziel müsse es sein, die Berliner Politik zu überzeugen. Handeln müsse auch Vattenfall.