Geesthacht. Aufstiegsanlage wieder in Betrieb. Das verbessert die Situation für Fische am Stauwehr deutlich. Was der Nabu dennoch bemängelt.
Für den Naturschutzbund (Nabu) in Geesthacht erfüllt sich kurz vor dem Jahreswechsel eine Herzensangelegenheit: Nach jahrelanger „Verstopfung“ fließt die Elbe beim Stauwehr nun wieder durch die Fischtreppe am niedersächsischen Ufer. „Nach vierjähriger Planungs- und Bauzeit wurde die Fischaufstiegsanlage Süd am Wehr Geesthacht wieder in den Betrieb genommen. Ab sofort können Wanderfische wie Lachse oder Aale jetzt auch auf der Südseite des Wehres wieder auf- und absteigen“, heißt es hierzu vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Elbe.
Genaugenommen wurde die nun geöffnete Wasserstraße für Fische nicht neu gebaut, sondern eher restauriert im Bett der alten mit 216 Metern Länge und elf Metern Breite. Im September 2019 war die Fischaufstiegsanlage Süd aus Sicherheitsgründen vom WSA verfüllt worden. Es bestand akute Einsturzgefahr, Spundwände der Fischaufstiegsanlage drohten zu kippen.
Fischtreppe Süd beim Geesthachter Stauwehr wiedereröffnet
Der Nabu war damals entsetzt. Und kämpfte seitdem für eine schnelle Wiederherstellung der Durchlässigkeit. Da die Rinnen, die auf der Nordseite des Wehres eine Lockströmung für die dortige Fischtreppe erzeugen sollen, bereits einen Monat zuvor im August wegen Unterspülungen des Wehres verfüllt worden waren, war die Fischtreppe im Süden umso wichtiger geworden.
Und nun war hier vor vier Jahren urplötzlich komplett Endstation für Fische. Etwa 120 Fischarten müssen das Wehr passieren, die meisten sind zur Überwindung des Hindernisses dringend auf die Fischtreppen an beiden Ufern angewiesen. Wegen Fallhöhen von bis zu 2,9 Metern und Strömungsgeschwindigkeiten von zeitweise etwa drei Metern in der Sekunde gilt das Wehr auch für die leistungsstarken Schwimmer unter den Fischen als ein oft unüberwindbares Hindernis ohne die Aufstiegshilfen.
Lachse finden das Südufer besser, der Stint schwimmt zum Nordufer
Lachse und Aale suchen eher das Südufer auf, leistungsschwächere Spezies wie das Flussneunauge und der Stint sehen sich im ruhigeren Wasser des Nordens um. Fische wandern das ganze Jahr. Aktuell sind gerade Quappe und Flussneunauge auf der Reise zum Laichen, der Stint naht im Februar.
Im Süden ging für die Flossentiere dann lange gar nichts mehr, und im Norden war die Fischtreppe zwar intakt, für die stromaufwärts zu den Laichgründen schwimmenden Fische aber nicht mehr zu finden. Immerhin sorgen als Provisorium seit Oktober 2020 über das Wehr gelegte Rohre – die sogenannte Heberleitung – beim Geesthachter Ufer für eine neue Lockströmung und somit für eine erste Abmilderung der Situation.
Frühere Wiedereröffnung scheiterte an Materialengpässen
Die Wiedereröffnung erfolgte angesichts der Bedeutung für die Fischwelt wie beiläufig und ohne Zeremonie. Die Wiederherstellung der Durchlässigkeit war ursprünglich schon für das vergangene Jahr anvisiert worden. Wegen Materialengpässen und Auswirkungen der Corona-Pandemie ließ sich der Termin nicht halten, Ende dieses Jahres lautete das neue Ziel. Diesmal hat es geklappt.
„Da der Ersatz der Spundwände im Zusammenhang mit der anstehenden Wehrsanierung ohnehin erforderlich gewesen wäre, hat das vom WSA Elbe beauftragte Wasserstraßen-Neubauamt Hannover die Planung zur Wiederherstellung der Anlage Süd und weitere sicherheitsrelevanter Maßnahmen am Südufer des Wehres Geesthacht vorgezogen realisiert. Diese Planungen wurden 2021 abgeschlossen“, sagt das WSA zur Restaurierung am Niedersachsen-Ufer.
Es soll keine Sackgasse vor dem Wehr mehr geben
Einige restliche Bauarbeiten würden im Frühjahr 2024 abgeschlossen werden. So sind zwischen den Befestigungssteinen an den Ufern noch Lücken zu sehen. Zudem stehen weitere Arbeiten im Umfeld der Anlage an. So soll beim südlichsten Brückenpfeiler ein Durchstich durchs Wehr erfolgen für Fische, die sich auf dem Weg zur Fischtreppe verschwommen haben, weil sie der stärksten Strömung gefolgt sind.
Direkt vor dem Stauwehr stecken sie dann in einer Sackgasse, der sogenannten Longitudinalfalle. Dem soll der Durchstich abhelfen. Zudem werden zwei Dotierungsleitungen gebaut. Das ist ein Rohrsystem von der Elbe oberhalb des Wehres aus durch die Fläche dazwischen mitten hinein in die Fischtreppe. Die großen Röhren sorgen dann für weitere Lockströmungen.
Nabu freut sich zwar, aber fordert Nachbesserungen
Heike Kramer und Jens Gutzmann freuen sich natürlich, dass die Fische das Wehr im Süden endlich wieder umgehen können, ärgern sich aber zugleich auch. Ihrer Meinung nach hätte man das Bauwerk noch besser machen können, „wenn man schon einmal soviel Geld in die Hand nimmt“. Das Bauvolumen beträgt laut WSA etwa 9,5 Millionen Euro. Nun aber werde die Anlage technisch und konstruktiv so wieder in Betrieb gehen, wie sie 2019 verfüllt wurde, urteilt der Geesthachter Nabu.
Das Konzept ist einfach. An den beiden Enden Richtung Lauenburg und zur Tide-Elbe hin liegen in dem geschwungenen Lauf eingangs zunächst quer und hintereinander große, quadratische Steine. Sie sollen die Strömungsgeschwindigkeit verlangsamen. In der Mitte zwischen ihnen ist eine Ruhezone.
Nabu sieht bauliche Mängel, die eine Selektion begünstigen würden
„Die Position der Steine wurde nur etwas verändert, sie wurden leicht aufgerichtet“, erklärt Jens Gutzmann. Dem Nabu reicht das nicht. „Wir werden uns für Optimierungen einsetzen“, kündigt Heike Kramer an. Mit im Boot ist die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne), ein ehemaliges Nabu-Mitglied aus Geesthacht. Gemeinsam wolle man für Verbesserungen den Weg auch über das Bundesumweltministerium einschlagen.
Gefordert werden Sofortmaßnahmen gegen die aus Sicht des Nabu baulichen Mängel, die eine Selektion beim Aufstieg begünstigen würden. Die Abstände der Findlinge in der Anlage müssten vergrößert, die Schützanlage unterhalb der Brücke am östlichen Zugang sollte entfernt werden, sie würde zu einer höheren Fließgeschwindigkeit innerhalb der Anlage führen.
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Der Nabu will zudem eine Prüfung, ob die Fischaufstiegsanlage den Anforderungen der neuesten Norm entspricht. „Der Aufstieg muss für schwimmstarke und schwimmschwache Arten aller Größen- und Leistungsklassen gewährleistet sein“, fordert ein Thesenpapier. Auch wenn das Wasser wieder fließt – für den Geesthachter Nabu ist das Kapitel Fischtreppe Süd noch nicht abgeschlossen.