Geesthacht. Der Umweltbeirat macht sich für ein Flusswärmekraftwerk stark. Das wäre nicht nur umweltfreundlich, es würde auch dem Fluss nutzen.
Bundesweit wächst der Druck auf Städte und Gemeinden, Konzepte für eine nachhaltige Wärmeversorgung zu erstellen. Noch bevor das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung vom Bundestag voraussichtlich im Herbst verabschiedet wird, machen sich viele auf den Weg, manche auch abseits ausgetretener Pfade. Für Geesthacht etwa fordert der Beirat für Natur und Umwelt, die Planung eines Flusswärmekraftwerks in den Fokus zu nehmen: Mit aus der Elbe gewonnener Energie könne das Fernwärmenetz erheblich umweltfreundlicher betrieben werden als mit Blockheizkraftwerken, die Erdgas verbrennen.
Nach den Vorgaben des Landes muss die größte Stadt im Kreis Herzogtum Lauenburg bereits Ende 2024 eine kommunale Wärmeplanung aufgestellt haben. Der Ausbau des vorhandenen Fernwärmenetzes und weitere hocheffiziente Blockheizkraftwerke spielen dabei eine Rolle. Dazu die vermehrte Nutzung von Sonnenenergie, Erdwärme sowie Biomasse, etwa in Form von Biogas oder Hackschnitzeln für BHKW.
Flusswärmekraftwerk könnte Elbe als Wärmequelle für Geesthacht nutzen
Die Aktiven des Beirates blicken auf eine andere Wärmequelle vor der Geesthachter Haustür. „Die Elbe fließt unmittelbar an Geesthacht vorbei. Was läge also näher, als dieses Reservoir zu nutzen“, sagt Günter Luther. Der Diplom-Ingenieur für Verfahrenstechnik hat Jahrzehnte bei der GKSS (heute Helmholtz-Zentrum Hereon) geforscht, war dort unter anderem als Leiter der Unterwassertechnik wie auch als Chef der Umwelttechnik tätig.
In Geesthachts kleinerer Nachbarstadt Lauenburg wird auch von Offiziellen die Chance der Wärmegewinnung aus der Elbe bereits thematisiert. Eine Idee dort: Warum nicht die Energie aus dem Fluss nutzen, um große Teile der denkmalgeschützten Lauenburger Altstadt über ein Wärmenetz zu heizen und mit Warmwasser zu versorgen? Ohne langwierige Diskussionen mit dem Denkmalschutz über optische Beeinträchtigungen durch Solarkollektoren auf Dächern oder Wärmepumpen an den Häusern.
Wasser ist ein viel besserer Energieträger als Luft
Tatsächlich erlebt die herkömmliche Wärmepumpe trotz aller politischen Bekundungen aktuell gerade einen Einbruch: Die Zahl der gestellten Förderanträge hat sich gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres 2023 etwa halbiert, wie Dienstag bekannt wurde. Unsicherheit der Bürger über das neue Heizungsgesetz dürfte ein Grund sein. Ein anderer liegt in den Gesetzen der Physik: Die Energieeffizienz von Wärmepumpen, die die Wärme aus der Umgebungsluft gewinnen, liegt deutlich hinter der, die Erdwärme beziehungsweise Grundwasser in größeren Tiefen anzapfen. Wasser ist ein erheblich besserer Energieträger als Luft.
Noch vor einem Jahrzehnt rieten Experten davon ab zu versuchen, ältere Häuser mit herkömmlichen Wärmepumpen beheizen zu wollen. Die Technik wurde verbessert, zugleich sind Preise für fossile Energieträger wie Erdgas und Erdöl gestiegen, jedoch auch die für den Strom, der die Wärmepumpe antreibt. Und Strom wird auch genutzt, um das Heizwasser aufzuheizen, wenn die Wärmepumpe allein es nicht schafft, die benötigte Energie bereitzustellen.
Auch die Elbe würde vom Einsatz einer Flusswärmepumpe profitieren
„Es bleibt dabei, eine Flusswasserwärmepumpe hat einen deutlich höheren Wirkungsgrad“, betont Günter Luther. Dazu bei trägt auch, dass Umgebungsluft gerade dann besonders wenig Energie liefert, wenn diese im Winter benötigt wird. Wasser, etwa die Elbe, bietet klare Vorteile. Es hat eine größere Dichte, liefert mehr Wärme. Und ist im Winter im Schnitt so viel wärmer, dass sich der Betrieb einer Wärmepumpe rechnet. Für die Inhaber von Wärmenetzen, die Kunden wie auch die Umwelt – und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Abgesehen davon, dass mit der Nutzung der Flusswärme viel fossile Energie und damit klimaschädliches Kohlendioxid eingespart werden kann, kann auch die Elbe von dem Entzug der Wärme profitieren. Erhöhte Wassertemperaturen fördern schon von Frühjahr an das Algenwachstum. Mit dem Absterben der Algen bei ansteigenden Temperaturen sinkt der Sauerstoffgehalt.
In den vergangenen Jahren ist es gerade in schlechter durchströmten Uferregionen, Nebenarmen oder Hafenbecken immer wieder zu Fischsterben gekommen, weil der Sauerstoffgehalt teils weit unter die von Fischen und anderen Wasserlebewesen benötigte Konzentration gefallen war. Dem für die Wärmepumpe entnommenem Wasser bei der Rückleitung in die Elbe Luft und Sauerstoff zuzuführen, könnte die Situation zusätzlich entspannen helfen.
In Mannheim wird seit Kurzem eine Flusswärmepumpe eingesetzt
Aktuell fördert die Bundesregierung fünf Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen. Drei Milliarden Euro fließen in Projekte wie in Rosenheim (Bayern) und Mannheim. In der Industriestadt am Rhein wird das Wasser des Stromes genutzt, um mit einer Großwärmepumpe umweltfreundlich Heizenergie zu gewinnen. Die Wassertemperatur im Rhein sinkt auch im Winter nicht unter 5 Grad Celsius. Das reicht, um über ein Kältemittel, das in der Wärmepumpe zunächst verdampft, die Energie auf das Fernheizwasser zu übertragen. „Damit kann 83 bis 99 Grad heißes Wasser erreicht werden“, so die MVV Energie AG in Mannheim.
Eine jüngst veröffentlichte Studie des Fraunhofer-Instituts kommt zu einem überraschenden Ergebnis: „Die gesamte deutsche Wärmenachfrage bis 200 Grad Celsius lässt sich technisch durch Wärmepumpen decken.“ Mehr noch: „Das verfügbare Angebot von Umwelt- und Abwärme in Deutschland, das über Wärmepumpen bereitgestellt werden kann, übersteigt bei Weitem den Wärmebedarf für Gebäude und industrielle Prozesswärme bis 200 °C“, heißt es mit Blick auf oberflächennahe und tiefe Geothermie, See- und Flusswasser, industrielle Abwärme, Abwasser und energiehungrige Rechenzentren. Die nutzbare Energie ist laut der Studie eineinhalbmal so groß wie der Bedarf.
80 Prozent des Wärmebedarfs werden noch mithilfe fossiler Brennstoffe gedeckt
Eine Voraussetzung ist der Ausbau des deutschen Wärmnetzes um rund 800 Kilometer pro Jahr bis 2045, was etwa einer Verdoppelung der aktuellen Ausbauquote entsprechen würde. Dazu muss aus Sicht der Fraunhofer-Forscher der gezielte Bau von Großwärmepumpen kommen. „Unter den nachhaltigen Wärmetechnologien ist die Großwärmepumpe der schlafende Riese“, sagt Fabian Ahrendts, Erstautor der Studie.
Das Problem: Aktuell deckten Hausbesitzer, Vermieter und Industrieunternehmen noch immer rund 80 Prozent ihres Wärmebedarfs durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe. Damit Deutschland bis 2045 CO2-neutral werden kann, empfiehlt die Studie die Konzentration auf Großwärmepumpen. Bislang seien die in Deutschland noch ein Nischenprodukt, während etwa in Norwegen und Schweden ihr Anteil an der Fernwärmeversorgung inzwischen auf 13 beziehungsweise acht Prozent gestiegen sei.
Umweltbeirat: Geesthacht sollte sich zeitnah Flächen in Elbnähe sichern
Damit Deutschland aufholen kann, ist aus Sicht der Studie ein Wechsel in der staatlichen Förderung notwendig. Statt weiter Blockheizkraftwerke massiv zu unterstützen, die Erdgas für die Strom- und Wärmeproduktion verbrennen, raten die Autoren der Studie, das Kraft-Wärme-Gesetz zu reformieren. Ziel: Mit Großwärmepumpen könne es gelingen, die Klimawende massiv voranzutreiben und zugleich über die deutliche Ausweitung der Produktion Standards zu setzen.
- Häuser und Extremwetter: So spüren Banken in Geesthacht die Gefahren auf
- Sicherheitslücke: Tausende Balkonkraftwerke müssen vom Netz
- Lauenburg: Tierschützer fürchten Rückgang der Hilfsbereitschaft
Ende August soll der Vorstoß des Geesthachter Beirats für Natur- und Umwelt im zuständigen Fachausschuss behandelt werden. Damit das Vorhaben in der Elbestadt vorankommt, schlagen die Aktiven um Günter Luther und Katrin Uden-Brumm vor, dass sich die Stadt zunächst notwendige Flächen in Elbnähe sichert, die für die Einspeisung in das Geesthachter Fernwärmenetz geeignet sind.
Die Stadtwerke sollten aufgefordert werden, mit Vorplanungen zu beginnen, Verwaltung und Stadtwerke sollten zudem eine Liste mit Fördermöglichkeiten erstellen. Ergebnisse könnten bis Jahresende vorliegen.
Zu Fragen wie Umfang und Kosten verweist Luther auf die Möglichkeit, mit Mannheim und der Hansestadt Hamburg Kontakt aufzunehmen. „Bislang ohne Bundesförderung plant Hamburg einen Flusswärmetauscher in Tiefstack. Im Gespräch ist eine Wärmeversorgung für etwa 120.000 Menschen.“