Aumühle. Autofahrer filmt ein Jungtier im Herzogtum Lauenburg. Experten schätzen, dass das Tier noch nicht einmal ein halbes Jahr alt ist.
Es gibt ein weiteres Wolfsrudel in Schleswig-Holstein. Ein privates, geprüftes Video erbrachte nun den Nachweis eines Wolfswelpen im Sachsenwald im Kreis Herzogtum Lauenburg, wie das Landesamt für Umwelt in Kiel berichtete. Ein Autofahrer hatte den Wolf am 29. September nahe dem Sachsenwald östlich von Hamburg gefilmt.
Nach Einschätzung der Fachleute des schleswig-holsteinischen Wolfsmanagements steht fest, dass es sich bei dem Tier um ein Jungtier handelt, das in diesem Jahr geboren wurde. Es sei etwa fünf Monate alt, so die Experten. Wie viele Welpen in diesem Jahr im Sachsenwald geboren wurden, stehe noch nicht fest. Es sei aber wahrscheinlich, dass es um mehrere Junge gehe, bestätigt Gunter Esther, ehrenamtlicher Wolfsbetreuer vor Ort. „Ein Kollege hat sie mit der Wärmekamera entdeckt“, erzählt er. „Es ist zwar noch nicht bestätigt, dass es sich bei diesen gefilmten Tieren tatsächlich um Wölfe handelt – aber wir können davon ausgehen, dass das bedeutet, dass wir ein Wolfsrudel im Sachsenwald haben.“
Wolf im Sachsenwald: Paar wird seit drei Jahren beobachtet
Bereits seit 2021 ist bekannt, dass sich im größten zusammenhängenden Waldbereich von Schleswig-Holstein ein Wolfspaar etabliert hat: Die Fähe „GW2093f“ und der Rüde „GW2071m“ sind bis zum Sommer 2023 dort regelmäßig gemeinsam beobachtet worden. Im Oktober 2023 wurde erstmals eine andere Wolfsfähe „GW3131f“ zusammen mit dem Rüden im Sachsenwald nachgewiesen. Die Experten des Wolfsmanagements versuchen, auch den Verbleib von „GW2093f“ zu klären. Die Abkürzung „GW“ steht dabei für Grauwolf. Am Ende der Nummer, die jedes Tier bekommt, steht, ob es männlich (m) oder weiblich (f) ist.
Wolfsbetreuer Gunter Esther bekräftigt, dass die beiden bekannten Altwölfe bislang offenbar kein einziges Nutztier gerissen haben: „Sie ernähren sich offenbar von den im Wald lebenden Tieren“, stellt er fest. „Es gab einen Rehriss in Börnsen, bei dem ich aber vermute, dass dies ein durchziehender Wolf – wenn nicht sogar ein Hund – war.“ Das Laborergebnis des DNA-Nachweises stehe noch aus. Denn bei Nutztieren, bei denen der Verdacht besteht, dass sie ein Wolf gerissen hat, wird eine DNA-Probe genommen, weil das Land den entstandenen finanziellen Schaden ersetzen muss.
Begegnung mit einem Wolf ist extrem selten
„Für die Besucher des Sachsenwaldes ändert sich zunächst nichts“, sagt Gunter Esther. „Die Wölfe sehen Menschen und Hunde nicht als ihre Beute an. Sie nehmen uns Menschen eher wahr, als dass wir sie wahrnehmen.“ Wer tatsächlich einen Wolf erblicke, sollte stehenbleiben und das Tier laut ansprechen, aber nicht zurückweichen, dann würde der Wolf sich ins Unterholz zurückziehen.
„Wer einen Wolf sieht, sollte den Anblick genießen und gut abspeichern“, empfiehlt Gunter Esther. „Denn eine Begegnung ist extrem selten.“ Der Tierfreund und langjährige Jäger hat in seinem Leben erst zweimal mit eigenen Augen einen Wolf gesehen, allerdings noch nie im Sachsenwald. „Beim zweiten Mal war das in Sachsen-Anhalt“, berichtet er.
Wahre Gefahr gilt den Wölfen, nicht den Spaziergängern
Für die Wölfe seien Spaziergänger oder Pilzsammler jedenfalls gefährlicher als umgekehrt, sagt der Ehrenamtliche. „Zurzeit brauchen die Elterntiere für ihre Jungen natürlich mehr Nahrung.“ Daher seien sie auch Ruhe bedürftig, lägen in der Sonne. „Wenn sie von Pilzsammlern im Unterholz aufgestört würden, können sie auf die Straßen gescheucht und vielleicht angefahren werden.“ Deshalb appelliert er an die Tierfreunde, im Wald möglichst auf den Wegen zu bleiben.
Das ist auch die Befürchtung von Gregor von Bismarck. Der Sachsenwald in Aumühle ist immer noch im Besitz der Nachfahren des Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815-1898), der ihn 1871 vom Kaiser Wilhelm I. als Geschenk für seine Verdienste erhalten hatte. Ururenkel Gregor von Bismarck berichtet, er habe kürzlich vom Familienzuwachs der Wölfe gehört. „Ein weiteres Zeichen der Biodiversität im Sachsenwald“, erklärt der Forsteigentümer. „Ich hoffe, dass die zahlreichen Spaziergänger und Pilzsucher den Wolfsbau nicht stören.“
Gregor von Bismarck bittet Spaziergänger um Rücksicht
Nach Angaben des Umweltministeriums gibt es im Kreis Segeberg ein weiteres Wolfsrudel. Dort gebe es sichere Belege für zwei erwachsene Tiere, zwei sogenannte Jährlinge und acht Welpen. Daneben gebe es ein aus zwei erwachsenen Wölfen und vier Welpen bestehendes Rudel im Bereich Langenlehsten (Kreis Herzogtum Lauenburg) und Leisterförde (Mecklenburg-Vorpommern), das sich zeitweise im Land aufhalte.
Neben der CDU fordert auch die FDP ein wirksames Bestandsmanagement für den Wolf in Schleswig-Holstein. Die Fraktion will dies in der kommenden Woche zum Thema im Landtag machen. „Die Romantisierung des Wolfes hat nun endlich ein Ende“, hatte der Parlamentarische Geschäftsführer Oliver Kumbartzky gesagt. Ihr Antrag soll sich mit der Position des CDU-Landesparteitags decken. Unter anderem sollen für das Land lebensnotwendige Deiche als wolfsfreie Zonen definiert werden.
Wölfe in Schleswig-Holstein: Schutzstatus demnächst Thema im Landtag
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Die mit der CDU regierenden Grünen sehen die Forderungen nach der Begrenzung des Wolfsbestands kritisch. Der Wolf müsse auch als geschützte Art einen guten Erhaltungszustand aufweisen, bevor er ohne Einschränkungen bejagt werden dürfe, sagte Grünen-Landeschef Gazi Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Dieser sei noch nicht erreicht.
Vertreter der EU-Staaten hatten Ende September mit der Stimme Deutschlands eine Abschwächung des Schutzes von Wölfen auf den Weg gebracht. Die Bundesregierung änderte mit ihrer Zustimmung in Brüssel ihren Kurs in der Wolfspolitik. Mit der Entscheidung ist ein schwächerer Schutzstatus aber noch nicht bindend im EU-Recht verankert. Vorgesehen ist, dass der Schutzstatus des Wolfes von streng geschützt auf geschützt gesenkt werden soll.