Aumühle. Tiere kreuzen auf der L 208 vor dem Auto der Aumühler Politiker Petra Michalski und Burkhard Czarnitzki die Straße. Was ein Experte sagt.

Auf dem Weg nach Aumühle trabten sie plötzlich locker vor ihrem Auto über die Straße – und Petra Michalski und Burkhard Czarnitzki wollten zuerst ihren Augen nicht trauen: Zwei Wölfe kreuzten am Mittag des 9. November vor ihnen mitten im Sachsenwald die Landesstraße 208. „Es waren nur etwa 500 Meter, bevor wir in die Sachsenwaldstraße einbiegen wollten, als vor uns von links nach rechts ein schönes hellbraun-graues Tier über die Straße lief“, erzählt Petra Michalski.

„Der Wolf ist am Straßenrand stehengeblieben und hat uns angeschaut, als wollte er sagen: ‚Was wollt Ihr denn hier?‘“, erinnert sich Burkhard Czarnitzki an das Naturerlebnis. Als gleich darauf das zweite Tier folgte, konnten sie es kaum glauben: „Wir haben tatsächlich zwei Wölfe gesehen. Das war wirklich aufregend, sie waren nur 50 und 20 Meter von unserem Auto entfernt.“ Bis sie ihr Handy hervorgeholt hatten, seien sie schon im Unterholz des Sachsenwaldes verschwunden gewesen.

Sachsenwald: Ein Wolfspaar kreuzt die Landstraße 208

Die beiden Mitglieder der Aumühler Grünen-Fraktion hatten schon davon gehört, dass es im Sachsenwald ein Wolfspaar geben soll. Nun haben sie es leibhaftig gesehen: Ein erhabenes Gefühl, sei es gewesen, diese schönen Tiere in freier Wildbahn zu sehen, sagt die Aumühlerin. Und ein seltenes noch dazu: Bisher seien die beiden Wölfe immer nur einzeln gesichtet worden, sagt Gunther Esther, Wolfsbetreuer für Schleswig-Holstein und Hamburg – fast ein wenig neidisch. „Ich selbst habe nur ein einziges Mal, 2013 in Neuengamme, einen Wolf gesichtet.“

Da die Begegnung in nächster Nähe zur Wohnbebauung verlief, kamen Michalski und Czarnitzki doch ins Grübeln und wandten sich an den ehrenamtlichen Fachmann. „Im Auto haben wir uns natürlich sicher gefühlt“, sagt Czarnitzki. „Aber man fühlt sich ja auch verantwortlich, beispielsweise für Kinder.“ Esther wollte sich zunächst vergewissern, dass es sich wirklich um Wölfe gehandelt habe, fragte nach der Größe der Tiere, nach ihren Bewegungen und ihren Ruten.

Gewöhnlich ruhen Wölfe tagsüber, sie sind nachtaktiv

Nach ihrer Erinnerung bewegten sich die Wölfe, die etwas so groß waren wie ein Schäferhund, im Trab und hielten die Schwänze sichelförmig. „Manchmal gibt es Kreuzungen mit Haushunden, deren Ruten ringeln sich schon einmal“, begründet der Experte seine Fragen. Er ist sich nun sicher: „Die beiden haben das Wolfspaar gesehen. Vermutlich sind sie irgendwo aufgestört worden. Denn gewöhnlich ruhen Wölfe tagsüber, sie sind nachtaktiv, bewegen sich höchstens noch in der Dämmerung“, weiß Gunther Esther.

Der Aumühler Burkhard Czarnitzki hat ein Wolfspaar im Sachsenwald gesehen.
Der Aumühler Burkhard Czarnitzki hat ein Wolfspaar im Sachsenwald gesehen. © Burkhard Czarnitzki | Privat

Er geht davon aus, dass die Begegnungen zwischen dem Großraubtier und dem Menschen häufiger werden – ebenso wie auch der Wolf immer häufiger in Deutschland sesshaft werde. Im Segeberger Forst gebe es bereits ein Rudel, und auch an der Grenze zwischen dem Kreis Herzogtum Lauenburg und Mecklenburg-Vorpommern habe sich ein Pärchen angesiedelt.

So verhält man sich bei einer Begegnung mit dem Raubtier

Auch im Sachsenwald könnte es noch Nachwuchs geben. „Sollte er ausbleiben, könnten andere Wolfsrüden versuchen, dem im Sachsenwald seinen Platz streitig zu machen. Es könnte zu blutigen Revierkämpfen kommen“, sagt Esther.

Im Gegensatz zum Menschen habe der Wolf keine Berührungsängste, doch es gebe auch keinen Grund, ihn zu fürchten. Der Wolf sei zwar ein Wild-, aber kein Fluchttier. Daher zeige er sich vom Menschen oft nicht sonderlich beeindruckt. „Wer bei einem Spaziergang durch den Sachsenwald auf einen Wolf trifft, sollte daher keinesfalls weglaufen, sondern stehenbleiben und das Tier selbstbewusst ansprechen oder bei weiterer Entfernung auch ruhig anschreien: ‚Hey Wolf, was machst Du hier?‘“, so Gunther Esther.

Hundehalter müssen eventuell energisch werden

Der Wolfsbetreuer, der auch Jäger und Hundehalter ist, hält häufig Vorträge in Schulen und Kindergärten. In der Regel würde so ein Tier erst einmal stehenbleiben und sich dann davonmachen. Petra Michalski erzählt, sie habe überhaupt keine Angst gehabt und werde auch weiter im Wald spazieren gehen.

Wer mit einem Hund im Wald unterwegs ist, hat es möglicherweise nicht so einfach, den Wolf zu vertreiben. „Das gilt besonders, wenn man mit einer läufigen Hündin unterwegs ist“, erklärt der Experte. „Die könnte für einen Wolfsrüden interessant sein.“ Er empfiehlt in so einem Fall, laut in die Hände zu klatschen und den Hund an der kurzen Leine zu halten.

In der Regel aber verstehen die Hunde die Sprache der Wölfe

Dass er im Wald angeleint werden sollte, ist für den Jäger selbstverständlich. Wichtig sei, dass der Hund nicht vorlaut auf den Wolf reagiere. Denn der ist im Zweifel stärker. In der Regel aber verstehen die Hunde die Sprache der Wölfe und auch ihre Warnungen.

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Getötete Hunde habe es seit 2000, seitdem der Wolf in Deutschland wieder auf dem Vormarsch ist, nur vereinzelt gegeben, sagt Esther. „Da geht es eher um Jagdhunde, denn der Wolf hat gelernt, dass während der Jagd für ihn etwas zu fressen abfallen könnte.“ Und auf dieses Thema ist der Wolf konditioniert. Auf einem gewöhnlichen Waldspaziergang brauche sich niemand Sorgen zu machen. Der Wolfsbetreuer sieht in Schleswig-Holstein durchaus noch Raum für weitere Wolfsrudel.

Auch Pferdebesitzer haben keinen Grund zur Sorge

Auch Pferde gehören in der Regel nicht zum Beuteschema eines Wolfes. „Der Wolf ist ein Allrounder, der sich den Gegebenheiten in Deutschland angepasst hat“, erläutert der Wolfsbetreuer. Gewöhnlich gehe das Raubtier Ärger aus dem Weg und wolle seine Ruhe.

Für Schafe und Ziegen übernimmt das Land Schleswig-Holstein die Materialkosten für Elektro-Schutzzäune. Mehr Informationen gibt es beim Wolfsmanagement und beim Koordinator der Wolfsbetreuer Jens Matzen unter Telefon 0174/633 03 35 oder per Mail an jens.matzen@gmx.de. Dort können auch Wolfssichtungen gemeldet werden.

Wer das Thema vertiefen möchte, hat dazu am Donnerstag, 16. November, dazu Gelegenheit. Ab 16.30 Uhr referieren Andreas Klotz aus Hamburg als Dozent der politischen Bildung und Umweltbildung sowie Torsten Kubbe aus Norderstedt, Leiter der Fachgruppe Wolf im NABU Hamburg, über das Thema „Leben mit dem Wolf“ im Augustinum Aumühle (Mühlenweg 1).