Geesthacht. Drei Exemplare von St. Salvatoris wurden restauriert. Manche Eintragungen sind älter als die Kirche selbst – und von großem Wert.

Die Hürden in der Ahnenforschung sind mitunter ganz profaner Natur. „Es gibt Pastoren mit einer fürchterlichen Handschrift“, weiß Geesthachts Stadtarchivar Dr. Jan Klußmann aus eigener Erfahrung. Einige Beispiele dafür sind auch in den alten Kirchenbüchern von St. Salvatoris zu finden. Wobei alt wörtlich zu nehmen ist. Denn das älteste erhaltene Buch, in denen Taufen, aber auch Hochzeiten und Beerdigungen erfasst wurden, ist älter als die 1685 erbaute Kirche selbst.

Drei der Bände, die zeitlich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts reichen, wurden nun restauriert. Das Geld dafür, etwa 1200 Euro, stammt von der Bürgerstiftung „Danke Geesthacht“, die über die Volkshochschule (VHS) Geesthacht von der Notwendigkeit erfahren hatte. An der VHS gibt es regelmäßig Kurse zur Ahnenforschung, insbesondere in diesem Jahr, in dem Geesthacht die Verleihung der Stadtrechte vor 100 Jahren groß feiert.

Was die alten Kirchenbücher von St. Salvatoris verraten

Und bei dieser Ahnenforschung spielen die Kirchenbücher von St. Salvatoris eine entscheidende Rolle. „Sie sind im Grunde ein Einwohnerverzeichnis und für die Ortsgeschichte unverzichtbar“, betont Signe Schuster, die Ahnenforschung für die Kirche leitet. Denn bis 1876 gab es kein Standesamt und auch keine anerkannten Dokumente.

Jeder Pastor hat seine eigene Handschrift und individuelle Art, wie er die Eintragungen führt.
Jeder Pastor hat seine eigene Handschrift und individuelle Art, wie er die Eintragungen führt. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Und auch das Stadtarchiv beginnt erst im Jahr 1870. Anders ausgedrückt: Die Kirchenbücher sind die verborgenen Schätze von St. Salvatoris. Ein nationales Kulturgut, das nach dem Kulturschutzgesetz nicht veräußert werden darf.

Das älteste Kirchenbuch ist älter als die Kirche selbst

Doch warum gibt es überhaupt Einträge, die älter als die Kirche selbst sind? Dies ist ebenfalls in der Geesthachter Ortsgeschichte begründet. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort als „Hachede“ im Jahr 1216. Der älteste erwähnte Kirchbau stammt aus dem Jahr 1230.

Auf der rechten Seiten sind Taufen in Geesthacht aus den Jahren 1679 und 1680 eingetragen.
Auf der rechten Seiten sind Taufen in Geesthacht aus den Jahren 1679 und 1680 eingetragen. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Die alte Petri-Kirche liegt im Bereich des Geesthachter Hafens. Einiges von diesem Bau retteten die Geesthachter 1684 vor den Elbfluten. Mit alten Steinen und dem Inventar bauten sie 1685 die heutige Kirche an der jetzigen Stelle wieder auf. Auch ältere Kirchenbücher blieben erhalten.

Älteste dokumentierte Taufe ist von 1679

Und so ist die älteste dokumentierte Taufe vom 10. Januar 1679. Unter der Überschrift „Was vor Kinder getaufet worden“, steht hinter der Ziffer „1“ Claes & Mette Jungen, Söhnlein Peter. Auch die „Gevattern“ – damals wurden die Taufpaten so bezeichnet – wurden notiert: Peter Balzer von Tesperhude und Cathrin Uhrbrook, Johans Tochter.

Am Grab von Pastor Natus, dem Vater des Geesthachter Stadtwappens (v.l.): Anja Haslach (VHS), Christiane Rux-Droste (Buchbinderin), Axel Brinkmann (Stiftung Danke Geesthacht), Jan Klußmann (Stadtarchivar), Signe Schuster und Pastorin Saskia Offermann mit einem restaurierten Kirchenbuch.  
Am Grab von Pastor Natus, dem Vater des Geesthachter Stadtwappens (v.l.): Anja Haslach (VHS), Christiane Rux-Droste (Buchbinderin), Axel Brinkmann (Stiftung Danke Geesthacht), Jan Klußmann (Stadtarchivar), Signe Schuster und Pastorin Saskia Offermann mit einem restaurierten Kirchenbuch.   © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Uhrbrook ist einer der ältesten überlieferten Nachnamen in der Geesthachter Geschichte. Die sieben Zweige im Stadtwappen stehen für die sieben Familien, die nach in einem alten Verzeichnis sowohl Anfang des 17. Jahrhunderts als auch noch 1910 im Ort lebten. Dies sind Burmeister, Elvers, Kiehn, Koops, Reimers, Rieck und Uhrbrook.

Erstes Kind in St. Salvatoris wurde 1686 getauft

Anhand des ersten Kindes, das 1686 in der neuen Kirche getauft wurde, worüber es eine handschriftliche Randnotiz im Kirchenbuch gibt, lassen sich die Schwierigkeiten der Ahnenforschung anschaulich aufzeigen. Getauft wurde die Tochter Anna Maria, deren Eltern Hein und Magdalena heißen. Den Nachnamen hatte Signe Schuster auf die Schnelle als „Mähling“ entziffert.

Was wie unleserliches Geschreibsel aussieht, wird erst unter der Lupe lesbar. Ahenforscher kämpfen oft mit den Handschriften in alten Aufzeichnungen.
Was wie unleserliches Geschreibsel aussieht, wird erst unter der Lupe lesbar. Ahenforscher kämpfen oft mit den Handschriften in alten Aufzeichnungen. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Später meldete sie sich nochmal bei der Redaktion, der Name heiße doch eher „Wähengs“. „Das ist ein ziemlich ungewöhnlicher Name. Um ganz sicherzugehen, müsste man gucken, ob der Name nochmals vorkommt, zum Beispiel bei weiteren Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen – das dauert aber seine Zeit“, schrieb Schuster.

Verwirrung um den richtigen Nachnamen

Als diese Recherche abgeschlossen war, kam heraus, dass es keine Familie Wäheng in Geesthacht gab. Dafür aber eine Familie Mölheng. „Eine ziemlich verzweigte Familie, die in der fraglichen Zeit häufig in den Kirchenbüchern vorkommt, wenn auch mit unterschiedlichen Schreibweisen eingetragen“, ergänzte Schuster. Dass es sich bei dem Taufeintrag um Familie Mölheng handele, sei dadurch gesichert, weil die Hochzeit der Eltern wie auch die der Sterbedaten der Eheleute unter eben diesem Namen eingetragen seien.

Vor der Restaurierung waren die Kirchenbücher in einem schlechten Zustand.
Vor der Restaurierung waren die Kirchenbücher in einem schlechten Zustand. © bgz | Buchbinderei Rux

Für das Hin und Her entschuldigte sich Schuster. „Aber vielleicht ist dadurch deutlich geworden, dass die Entzifferung so alter Schriften nicht aus dem Handgelenk erfolgen kann und sollte, um zu gesicherten Ergebnissen zu gelangen“, hob Schuster hervor.

Aufwendige Restaurierung für Buchbinderin

Sie hatte sich erst selbst für Ahnenforschung interessiert, nach der Pensionierung dann Kurse im Hamburger Staatsarchiv belegt und sei dann in die Betreuung der Kirchenbücher „so herein geschlittert“, weil niemand sonst in den Pfarrämtern die alten Schriften noch lesen könne.

Vor der Restaurierung waren die Kirchenbücher in einem schlechten Zustand.
Vor der Restaurierung waren die Kirchenbücher in einem schlechten Zustand. © bgz | Buchbinderei Rux

Dass die Kirchenbücher noch im Original bei einer Gemeinde liegen, ist eine Seltenheit. Die meisten sind in den Staatsarchiven. Die Restaurierung der Bücher von St. Salvatoris hat Christiane Rux-Droste von einer Buchbinderei aus Lübeck in einem aufwendigen Verfahren durchgeführt. Dabei geht auch um Fadenheftung. „Wenn sie gut erhalten sind, nähe ich die Bücher von Hand“, erklärte Rux-Droste.

VHS zeigt die Kirchenbücher in einem Kursus

Bei der Volkshochschule leitet Anja Haslach, die Betreuung der Ahnenforschung. Ein Termin sind „Die Kirchenbücher von St. Salvatoris“, bei dem Signe Schuster am 24. September seltene Einblicke in die Kirchenbücher gibt. Der Termin (vhs-geesthacht.de) ist ausgebucht, es gibt eine Warteliste. Bei ausreichender Nachfrage wird ein weiterer Kursus angeboten.

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Dabei können die Teilnehmer beispielsweise auch ganz andere Beobachtungen machen, wenn es um eine vermeintlich unleserliche Handschrift geht. Was auf den ersten Blick wie eine Aneinanderreihung von Buchstaben wirkt, entpuppt sich unter einer Lupe als gestochen scharfe Handschrift, die nur sehr klein ist. „Wie das der Pastor wohl damals gemacht hat, mit dem funzligen Licht, das es damals wohl gab?“, fragt sich Geesthachts Stadtarchivar Jan Klußmann.