Geesthacht. Nach Angriff eines 13-Jährigen im Mai auf einen Mitschüler hatte das Bildungsministerium Maßnahmen angekündigt. Was umgesetzt wurde.
Ein gutes Vierteljahr ist seit der Messerattacke an der Bertha-von-Suttner-Schule (BvS) in Geesthacht vergangen. Die Bestürzung über die Tat eines 13-Jährigen, der einen Mitschüler (12) am Rücken verletzte, war groß.
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) machte sich kurz hintereinander zweimal vor Ort ein Bild von der Lage. Am Ende stand die Absichtserklärung, die Verhältnisse an der Gemeinschaftsschule verbessern zu wollen. Doch was ist seitdem wirklich geschehen? Und wirkt der Vorfall an der BvS heute noch nach?
BvS Geesthacht: Welche Folgen hatte die Messerattacke?
Ein Kernproblem, mit der die Bertha-von-Suttner-Schule jahrelang zu kämpfen hatte, war eklatanter Lehrermangel. Von den knapp 60 Planstellen war zuletzt eine zweistellige Anzahl unbesetzt geblieben, was zu massivem Unterrichtsausfall führte. Teilweise musste ein Lehrer zwei Klassen beaufsichtigen.
Inzwischen habe sich die Situation „deutlich verbessert“, stellt das Bildungsministerium auf Anfrage fest. Auf der Einschulungsfeier der neuen 5. Klassen konnte Schulleiterin Karen Osnabrügge verkünden, dass elf neue Lehrkräfte an die BvS gekommen seien. Darunter ein neuer Stellvertreter sowie der Koordinator für die Klassenstufen 5 und 6. Für unsere Redaktion war Osnabrügge am Montag nicht zu erreichen.
„Von den insgesamt 57,47 Planstellen, sind – Stand heute – noch acht Stellen zu besetzen, wobei schon klar ist, dass eine weitere Stelle zum 1. Dezember besetzt werden kann“, schreibt der Sprecher des Ministeriums. Die Kollegen im Personalreferat seien kontinuierlich in Personalgesprächen.
Neue Lehrer wurden versetzt oder vom Wechsel „überzeugt“
Ganz freiwillig erfolgten alle Wechsel aber wohl nicht. Einige Lehrkräfte seien von einer Versetzung oder Abordnung überzeugt worden, andere hat das Ministerium aktiv aus anderen Teilen des Landes abgeordnet. Dass sich neue Lehrer lieber eine Bildungseinrichtung in Universitätsnähe (Kiel, Flensburg) suchen, anstatt in den Süden zu wechseln, damit haben viele Schulen in der Region zu kämpfen.
Nach derzeitigem Stand kann an der BvS in den Klassenstufen 5 und 6 im Gegensatz zum vergangenen Schuljahr abgesehen von Religion und Philosophie der gesamte Unterricht nach Lehrplan erteilt werden. Gleiches gilt in den Jahrgängen 7 bis 10 mit einer Kürzung der Stunden im Wahlpflichtfach. „Der Fokus liegt auf der Stärkung der basalen Kompetenzen Lesen, Schreiben und Mathematik. In der konkreten Stundenplangestaltung wird darauf geachtet, dass es zu so wenig Kürzungen wie möglich kommt“, so das Bildungsministerium.
Jüngere Jahrgänge mit Defiziten in sozialer Kompetenz
Regelmäßiger Unterricht und eine gute Betreuung durch die Schulsozialarbeit seien vor allem in den jüngeren Jahrgängen an den weiterführenden Schulen wichtig. „Die Schulen im ganzen Land sind massiv mit den Folgen von Corona beschäftigt. Gerade in den jüngeren Jahrgängen gibt es Defizite in der Sozialkompetenz“, hatte eine Schulleiterin, die namentlich nicht genannt werden wollte, der Redaktion nach dem Vorfall gesagt.
Der schulpsychologische Dienst im Kreis Herzogtum Lauenburg steht weiterhin auch für die Mitglieder der Schulgemeinschaft zur Verfügung. Außerdem unterstütze eine Schulentwicklungsberaterin, die auch Gesundheitswissenschaftlerin ist, die Schule und arbeitet mit dem Kollegium.
Diverse Maßnahmen zur Prävention getroffen
Darüber hinaus laufen Planungen mit den zuständigen Förderzentren im Südkreis und unter Einbeziehung der Gemeinschaftsschulen, um eine temporär-intensivpädagogische Maßnahme (TIP) zu erarbeiten. „Wann es zur Einrichtung einer solchen Maßnahme kommt und das entsprechende Personal gefunden ist, kann derzeit noch nicht gesagt werden“, relativiert der Ministeriumssprecher.
Täter geht inzwischen auf andere Schule
Am Donnerstag, 30. Mai, hatte ein 13-jähriger Schüler einem Zwölfjährigen nach dem Unterricht an der Bushaltestelle vor der Schule ein Messer in den Rücken gestoßen. Der verletzte Junge wurde ins UKE Hamburg gebracht, konnte glücklicherweise aber schon am Folgetag das Krankenhaus wieder verlassen. Beide Kinder waren zuvor schon dem Jugendamt bekannt und lagen miteinander im Streit.
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Für Fälle wie diese, in denen Schulen an ihre Grenzen kommen, soll ein Gewaltpräventionsforum für alle Schularten des Kreises durch das Schulamt organisiert werden. Dabei sollen Experten die Schulen zu weiteren Vorgehen beraten. In dem akuten Fall geht eines der Kinder nach Informationen der Redaktion auf eine andere Schule. Das Bildungsministerium darf aus Gründen des Datenschutzes keine Angaben zu den Beteiligten machen.
An der BvS in Normalität eingekehrt
In der Schule ist derweil weitestgehend Normalität eingekehrt, was auch dem Rat der Schulpsychologinnen entspricht. Einen Sicherheitsdienst gibt es nicht mehr. Über die Veränderungen, die Karen Osnabrügge bei der Einschulung der neuen Fünftklässler gesprochen hatte, wurde im Startbrief für andere Jahrgänge kein Wort verloren.
„Das ist auch gut so, sonst wühlt das die Kinder zu sehr wieder auf“, sagt ein Mitglied des Schulelternbeirates. „Und für die Kinder, die den Vorfall nicht direkt gesehen hatten, war es eh kein größeres Thema gewesen.“ Und auch in der Elternschaft scheint die Schule nicht ein rotes Tuch zu sein. Mit 114 neuen Fünftklässlern wurde die Zahl aus dem Vorjahr um zehn übertroffen.