Geesthacht. Erste Anlage in Geesthacht wird umgestaltet – und dabei soll es nicht bleiben. Was die WoGee in Geesthacht zum Umdenken gebracht hat
Die Schottergärten in Geesthacht sind vielen ein Dorn im Auge. Ökologisch eine Wüste, und zudem schädlich fürs Mikroklima. Versiegelte Flächen heizen sich viel stärker auf als Grünanlagen und fördern die Hitzebelastung in der Stadt. So gilt die Luft über Schotter in 1,5 Meter Höhe um bis zu 2,5 Grad wärmer als über einer Bepflanzung.
Gibt es nun die Wende zum Besseren? In Geesthacht geht die städtische „Wohnraumentwicklung Geesthacht GmbH & Co“ – kurz WoGee – jetzt mit gutem Beispiel voran. Rund um den 2022 errichteten Neubau an der Ecke Heidestraße/Hugo-Otto-Zimmer-Straße ist der Kies verschwunden. Und die Entschotterung von weiteren Wohnanlagen soll folgen.
WoGee denkt um – und entschottert die Außenanlage an der Hugo-Otto-Zimmer-Straße
Bienen, Hummeln und Schwebfliegen summen nun im neu angelegten Beet herum, Blumen wie Mannstreu wiegen sich im Wind, und die Blätter der Hecke aus Buche und Feldahorn rascheln dazu. Zudem wird in der Nachbarschaft die Anlage zweier großer Wildwiesen für eine nachhaltige Stadtgestaltung unterstützt.
Die Aktion hat durchaus Vorbildcharakter, dessen ist man sich bei der WoGee bewusst. „Mit diesen Projekten wollen wir ein klares Zeichen für den Umweltschutz setzen und die Bedeutung von Grünflächen in der Stadt unterstreichen“, erklärt Alina Manukjan aus dem Team der Wohnraumentwickler. „Wir sind überzeugt, dass naturnahe Flächen nicht nur ökologisch wertvoll, sondern auch für das Wohlbefinden unserer Mieterinnen und Mieter von großer Bedeutung sind.“
Beete und Wildblumenwiesen verbessern das Mikroklima
Der ursprünglich sterile, großflächige Schottergarten an der Hugo-Otto-Zimmer-Straße 11 in Geesthacht wurde durch eine Pflanzfläche mit ökologisch wertvollen Grünpflanzen ersetzt. Nun gedeihen hier Pflanzen wie Duftnessel, Sommerheide, Lavendel, Rispenhortensien und Schleierkraut, die sowohl für Insekten als auch für das Auge attraktiv sind.
Parallel dazu wurden bei den Gebäuden an der Heidestraße 1a und 1b sowie 5 und 7 großzügige Wildwiesen angelegt. Diese Maßnahmen verbessern Mikroklima, Luftqualität und bieten neuen Lebensraum für Insekten und Kleintiere. Auch für die Bewohner der Mehrfamilienhäuser drumherum bedeutet diese Entscheidung für mehr Grün eine gesteigerte Lebensqualität.
Ein Mieter findet es nun „viel besser als vorher“
Bei einem der Mieter im Erdgeschoss, der nun, wenn er auf die Terrasse geht, in einen Garten tritt statt zwischen Kies, kommt die Veränderung gut an. „Viel besser als vorher“, findet der ehemalige Imker, der in seinem Keller einen Vorrat an Moorhonig gebunkert hat.
Geesthacht und die Schottergärten – das ist keine einfache Geschichte. Eigentlich will die lebensfeindlichen Steinschüttungen niemand wirklich in Politik und Stadtverwaltung – und trotzdem scheiterte ein Verbot. Ein Antrag der Grünen, die Steinwüsten zu verbieten, bekam 2019 nur die Unterstützung der SPD. Das reichte nicht. Mit einem Stimmenpatt galt der Antrag als abgelehnt.
In den vergangenen zwei Jahren keine einzige Kontrolle von Schottergärten
Andererseits steht die Stadtverwaltung dem pflanzenlosen Treiben auf Grundstücken ziemlich hilflos gegenüber, wie eine Anfrage der Grünen an die Verwaltung Ende 2023 ans Licht brachte. Demnach wurde seit Oktober 2022 nicht eine einzige Kontrolle von Schottergärten auf illegale, weil zu große Flächenversiegelung durchgeführt. Weder wurden Bußgelder verhängt, noch gab es Anordnungen, Schottergärten zu beseitigen.
Nach Paragraf 8 der Landesbauordnung müssen nicht überbaute Flächen der Grundstücke wasseraufnahmefähig sein und begrünt werden. Schotterflächen gelten als versiegelte Flächen. Errechnet wird der zulässige Anteil der Bebauung mit der Grundflächenzahl wie es im Bebauungsplan oder Paragraf 34 BauGB geregelt ist.
Entfernter Kies wird noch benötigt – als Regenabtropfkante
Auch die WoGee setzte 2022 beim Neubau zunächst auf Steine. Abgesehen von einem kleinen grünen Streifen für die Hecke war das ganze Gebäude umrahmt mit Kies – aus Kostengründen. Das war pflegearm, aufgrund der Baukosten hatte eine schlanke Planung bei den Außenanlagen Priorität gehabt.
„Aber es gibt ja auch übergeordnete Gesichtspunkte. Und die sind dann hier zum Tragen gekommen“, erklärt Friedhelm Ringe das Umdenken. Der Biologe des Geesthachter Nabu wurde als Berater für die Umgestaltung hinzugezogen. Der entfernte Kies wird nun auf Bauhof zwischengelagert. Er wird für Abtropfkante eines Neubaus am Weizenring im Finkenweg Nord weiterverwendet.
WoGee sei auf Veränderungen freudig eingegangen, lobt der Biologe
Initiatorin der Entschotterung war aber Sonja Higgelke. Sie konnte WoGee-Geschäftsführer Markus Prang für eine Begrünung gewinnen, nachdem sie die steinige Bescherung gesehen hatte. Sonja Higgelke ist bei den Geesthachter Grünen aktiv, hat aber als Privatperson gehandelt. „Die WoGee ist auf die Veränderungen leicht und freudig eingegangen“, lobt Friedhelm Ringe.
Vielleicht macht das Beispiel der WoGee ja Schule. Das Konzept der Bepflanzung war, „hauptsächlich insektenfreundlich“, sagt Alina Manukjan. „Die Maßnahmen wurden in enger Zusammenarbeit mit Friedhelm Ringe und Sonja Higgelke erarbeitet, um sicherzustellen, dass die neuen Grünflächen optimal gestaltet werden.“
In Kirschlorbeer- und Ligusterhecken würden Vogelnester durchfallen
Denn es galt, ökologische Fehler bei der Auswahl der Bepflanzung zu vermeiden. „Es gibt aus Unwissenheit gern diesen Griff zu Liguster oder auch Kirschlorbeer“, sagt Prokurist Henning Siegmund. „Liguster als auch der Kirschlorbeer gehen gar nicht“, klärt Friedhelm Ringe auf. Vögel zum Beispiel würden darin nicht brüten. „Nester rutschen durch, und dann kommen die Katzen dran. Das ist von vornherein Mist.“
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Weitere Flächen sollen ökologisch nachgerüstet werden – auch mit Beerenobst
Besser ist ein althergebrachter Klassikermix mit Hainbuche, Feldahorn und Weißdorn, „schon wegen der Blüten und der Früchte. Und weil Vögel darin gut brüten können“, klärt Friedhelm Ringe auf. Wer es nachmachen will: Zum Herbst ist die beste Zeit, um Öko-Büsche zu setzen. „Wir haben bei einer Baumschule über den Gärtner vorbestellt. Das hat drei bis vier Wochen gedauert“, berichtet Alina Manukjan.
Macht das Beispiel Schule in der Stadt? Bei der WoGee selbst auf jeden Fall. Auch andere Häuser sollen in den kommenden Jahren ökologisch nachgerüstet werden. Getestet werden soll auch das Anpflanzen von Beerenobst wie Johannis- und Stachelbeersträucher.