Schwarzenbek. Die Zahl der kriminellen Jugendlichen in Schwarzenbek ist moderat. Damit das so bleibt, hat die Stadt ein innovatives Konzept
Schwarzenbek ist eine junge Stadt. Sie gilt als die kinderreichste Kommune in Schleswig-Holstein, knapp jeder vierte Einwohner ist unter 18 Jahre alt. Die Stadt tut viel, um den 4500 Mädchen und Jungen sinnvolle Freizeitangebote, Betreuung und Bildung zu ermöglichen. Ein großer Teil der Kinder und Jugendliche nutzt diese Angebote auch.
Aber es gibt immer junge Menschen, die von solchen Angeboten nicht erreicht werden können und sich mehr und mehr von der Gesellschaft isolieren. Damit wächst die Gefahr, dass die Jugendlichen in Drogenkonsum oder Kriminalität abrutschen. Für solche Fälle hat die Stadt die sogenannte mobil aufsuchende Kinder- und Jugendarbeit eingerichtet. „Ich gehe dahin, wo die Kinder und Jugendlichen sind. Notfalls suche ich sie auch nachts im Wald“, sagt Hüsamettin Dincbas (52).
Schwarzenbek: Mit mobiler Sozialarbeit gegen Jugendkriminalität
Seit gut einem Jahr ist Dincbas auf den Straßen der Stadt, im Jugendtreff und in den Schulen im Einsatz – und das Konzept funktioniert. „Schwarzenbek ist im kreisweiten Vergleich und auch im Landesvergleich eine sichere Stadt“, betonte Heiko Gnodtke, Leiter des Polizeireviers Schwarzenbek, kürzlich im Hauptausschuss. Etwas mehr als 1000 Straftaten gab es im Jahr 2023 in der Europastadt. Im Vergleich: In Geesthacht waren es knapp 2000, in Lauenburg knapp unter 1000. Ein Problem sind wie vielerorts Betrügereien im Internet, mit dem Enkeltrick oder Betrugsmaschen mit falschen Polizeibeamten.
„Das sind Formen der organisierten Kriminalität, die nicht ortsspezifisch sind“, sagte der Erste Hauptkommissar. Ein Problem sind die zahlreichen Graffiti. Weniger dramatisch sieht es bei der Jugendkriminalität aus. „361 Tatverdächtige waren Jugendliche, das sind 51 mehr als in 2022. Aber in 2017 waren es sogar 417. Der Anstieg mag auch damit zusammenhängen, dass es in 2022 noch Beschränkungen durch die Corona-Pandemie gab“, sagte Rena Bretsch, stellvertretende Leiterin des Polizeireviers Schwarzenbek.
Nordost bekommt bald wieder einen Jugendtreff
„Damit die Zahlen niedrig bleiben, tun wir einiges“, betonte Norbert Lütjens, seit 2020 Bürgermeister in Schwarzenbek. Der Sozialpädagoge kennt sich mit der Thematik bestens aus: Zehn Jahre war der heutige Verwaltungschef Stadtjugendpfleger in Schwarzenbek und hat die Probleme hautnah erlebt. Gerade im Stadtteil Nordost gab es immer wieder Straftaten von Jugendlichen oder aber auch Bürger fühlten sich belästigt, weil der Jugendtreff Holzhaus seit Jahren geschlossen ist. Das soll sich allerdings bald ändern
Aber auch der Ritter-Wulf-Platz war lange Zeit trotz der unmittelbaren Nähe zum Polizeirevier an der Compestraße ein Hotspot der Jugendkriminalität. Es gab dort Sachbeschädigungen, Lärmbelästigungen, Pöbeleien und vieles mehr. Deshalb war auch zeitweise eine Videoüberwachung dieses Bereichs im Gespräch.
Anwohner klagen über Lärm und Belästigungen am alten Supermarkt
Es ist im Innenstadtbereich ruhiger geworden, allerdings klagen Anwohner über den Zustand des seit vielen Jahren leerstehenden und immer mehr verfallenden Supermarktes am Verbrüderungsring. Dort rotten sich offenbar in den Abend und Nachtstunden Jugendliche zusammen und sorgen für ein Unsicherheitsgefühl, monierte ein Schwarzenbeker bei der jüngsten Einwohnerversammlung.
„Wir kennen das Problem und haben es im Blick“, versicherte der Bürgermeister. „Gerade in Nordost fehlt das Holzhaus. Die Wiedereröffnung hat leider noch nicht stattgefunden. Aber wir haben dort gleich dahinter im Sierrepark einen Unterstand und ein Spielgelände“, so Hüsamettin Dincbas. Die Situation dort soll auch noch verbessert werden, weil sich Stadtjugendpfleger Sven Kaulbars für die Aufstellung eines neuen Basketballkorbs in diesem Bereich einsetzt.
Spiel und Sport sind ein wichtiger Baustein in der Jugendhilfe
Das ist wichtig, denn Spiel- und Sportangebote sind ein wichtiger Baustein in der mobilen, aufsuchenden Jugendarbeit, weil Dincbas so niedrigschwellig mit den Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kommt. „Ich spiele mit den Kindern und Jugendlichen Fußball oder was auch immer sie wollen. Aber das ist eigentlich nur ein Vorwand, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Auch Musik ist ein gutes Vehikel, um junge Menschen zu begeistern. Wichtig ist, dass ich Vertrauen zu ihnen aufbaue und so herausfinden kann, ob sie Hilfe benötigen“, so der gelernte Erzieher.
Denn Einsamkeit ist ein großes Thema bei Jugendlichen, wie kürzlich eine bundesweite Studie belegt hat. „Ist das auch hier ein Thema?“, fragte der SPD-Politiker Candy Rudolph, als Dincbas den Politikern im Sozialausschuss seine Arbeit vorstellte. „In jedem Fall. Wir haben 4500 Kinder und Jugendliche in unserer Stadt. 1000 erreichen wir nicht mit den Angeboten im Sportverein oder bei uns in der Jugendarbeit. 500 von ihnen isolieren sich sogar total“, so Dincbas.
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Um mit möglichst vielen Jugendlichen, die sonst nicht für Sportvereine oder Jugendtreff erreichbar sind, in Kontakt zu kommen, streift Dincbas mehrmals im Monat nachts durch Parks, Waldgebiete oder aber auch zum ehemaligen Supermarkt am Verbrüderungsring. „Es gibt Kinder und Jugendliche, die haben Berührungsängste. Mitunter sind sie auch Mobbingopfer. Sie wollen angesprochen werden, um sich am öffentlichen Leben zu beteiligen“, so Dincbas.
Gerade der TSV ist auch sehr aktiv mit seinem Projekt, Kinder zum Sport zu bewegen. Deshalb gibt es auch eine enge Kooperation von Stadtjugendpflege und Sportverein. „Aber das ist nicht für alle geeignet. Es gibt Jugendliche, die haben Probleme, sich in solche Strukturen einzugliedern und Regeln einzuhalten. Dafür muss ich eigene Angebote vorhalten“, so der Erzieher.
Der größte Wunsch ist ein Kleinbus und ein zweiter Mitarbeiter
Damit seine erfolgreiche Arbeit weitergehen und noch effektiver werden kann, benötigt er aber unter anderem einen Kleinbus. „Ich muss mit meinen Sportgeräten dahin, wo die Jugendlichen gerade sind. Da ist es ideal, wenn ich alles in einem Bus habe und schnell dorthin kommen kann, wo sich Gruppen von Jugendlichen gerade treffen“, so der Jugendarbeiter.
Aber auf seiner Wunschliste stehen auch weitere Unterstände, zum Beispiel im Stadtpark. „Es ist einfacher, wenn es solche Treffpunkte gibt. Dann kann ich gezielt dahin und muss die Jugendlichen nicht erst irgendwo im Park suchen“, so Dincbas. Sein größter Wunsch ist aber ein zweiter Mitarbeiter, damit die aufsuchende Jugendarbeit das ganze Jahr hindurch angeboten werden kann. Ganz abgeneigt waren die Politiker im Sozialausschuss nach seiner Präsentation nicht.