Glinde. CDU Glinde hatte Sozialdemokraten den Posten des Bürgervorstehers versprochen, machte dann einen Rückzieher. Das hat Konsequenzen.
Martin Radtke hat eine soziale Ader. Seit Kurzem ist er Vorsitzender des Deutschen Roten Kreuzes in Glinde, war von Juni 2020 bis zum Ende der Wahlperiode als Bürgervorsteher oberster Repräsentant der Stadt und gilt als besonnener Zeitgenosse, der gut vermitteln kann. In seinem neuen Amt als CDU-Fraktionsvorsitzender sind auch andere Qualitäten gefragt, unter anderem Durchsetzungsfähigkeit. Sein Start war alles andere als optimal. „Es ist kein schöner Anfang für mich gewesen“, sagt der 56-Jährige nach dem Eklat um seine Nachfolge als Bürgervorsteher.
Wie berichtet, hatten die Christdemokraten nach der Kommunalwahl im Mai erst keinen Kandidaten in den eigenen Reihen gefunden. Als stärkste Partei hat die CDU das Vorschlagsrecht. Stattdessen bot sie den Posten der SPD an, gebunden an die Person Oliver Sendzik. Bei einer Runde mit den Fraktionsspitzen aller Parteien einigte man sich auf die Personalie. An jenem Tag wurde im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des Parlaments auch die Führung der jeweiligen Ausschüsse aufgeteilt. Kurz darauf machte die CDU aber einen Rückzieher und nominierte den Ortsvorsitzenden Claus Peters. Die Sozialdemokraten werteten das als Wortbruch.
Neun Politiker stimmten gegen Claus Peters als Bürgervorsteher
Der Fraktionsvorsitzende Frank Lauterbach war sauer. Die Aktion habe einen Keil zwischen die Fraktionen getrieben und gezeigt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der CDU nicht möglich sei. Sendzik nannte den Vorgang einen „Skandal“. Bei der Wahl bekam Peters 18 Ja-Stimmen. Neun Parlamentarier votierten gegen ihn, vier enthielten sich. Auch Vertreter der FDP versagten Peters die Unterstützung. Das sagt so einiges aus, wie die Vorgehensweise der CDU betrachtet wird. Und natürlich fällt das auch auf Radtke zurück. Als Fraktionschef ist er in erster Linie dafür zuständig, dass Versprechen eingehalten werden.
Lauterbach macht aber nicht nur Radtke verantwortlich, sondern auch mehrere Fraktionsmitglieder der CDU: „Wir müssen zwar auf sachlicher Ebene zusammenarbeiten, aber ein Vertrauensverlust bleibt bestehen. Die persönlichen Gespräche werden sich auf das Notwendigste reduzieren.“ Die Auseinandersetzungen über das Thema sind für ihn beendet. „Vergessen werden wir das aber nicht, sind menschlich enttäuscht“, ergänzt Lauterbach. Ein bitterer Beigeschmack bleibt also bestehen.
Laut CDU wurden alle Schritte in Fraktion abgestimmt
Zwangsläufig stellt sich die Frage, ob Radtke durch die Vorkommnisse geschwächt ist und ihm die eigenen Leute ein Bein gestellt haben? Schließlich war er es, der die Personalie Sendzik auf den Weg gebracht hatte. Dass seine Partei viele Anrufe und Zuschriften bekommen hat, in denen das Unverständnis zum Ausdruck kam über das Angebot an die SPD, gibt er zu. Es heißt, innerhalb der CDU sei Druck entstanden und habe zu einem Umdenken geführt. Nach Information dieser Redaktion sollen Mitglieder mit Austritt gedroht haben. Bestätigen will das die Parteiführung nicht.
Laut Radtke habe man alle Schritte in der Fraktion abgestimmt. „Ich fühle mich nicht hintergangen, übernehme die Verantwortung und stecke auch die Prügel ein. Ich bin froh, dass jetzt Ruhe eingekehrt ist bei uns.“ Bürgervorsteher Peters sagt, er sehe Radtke nicht geschwächt. „Die Sache ist maximal unglücklich verlaufen, wir haben sie nun ein Stück weit hinter uns gelassen.“
Grüne haben Mitleid mit Sozialdemokrat Oliver Sendzik
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Kopsch bezeichnet die CDU-Gangart auf Nachfrage als „ungeschickt und unprofessionell“. Ob Radtke an Einfluss verloren hat, darüber will er genauso wenig spekulieren wie sein Pendant von den Grünen, Lüder Lückel. Der sagt nur: „Wir hätten so eine Situation von Anfang an vermieden. Mir tut es leid, was Oliver Sendzik und seiner Familie widerfahren ist.“
Die CDU kann jetzt zumindest behaupten, den Wählerwillen umgesetzt zu haben. Mit Peters hat die Stadt einen Bürgervorsteher mit Visionen. So sagte er jüngst dieser Redaktion: „Ich möchte die Innenstadt beleben, Leerstände bekämpfen, den Menschen zeigen, wie viele Vorzüge Glinde hat.“ In der vergangenen Legislatur hat er sich in Ausschüssen zu diversen Themen geäußert und Vorschläge unterbreitet.
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Auf seiner zweiten Parlamentssitzung als Bürgervorsteher machte Peters eine Mitteilung über den Tod von Schleswig-Holsteins ehemaliger Ministerpräsidentin Heide Simonis und zweier früherer Stadtvertreter. Die Art und Weise kam nicht überall gut an. „Das war beschämend und empathielos“, sagt Lauterbach. Von einem harmonischen Miteinander sind Glindes stärkste Parteien derzeit so weit entfernt wie die Erde vom Mars.