Glinde. Schulausbau: Gebäude mit Mensa am Tannenweg wird immer teurer. Budget steigt von ursprünglich 7,6 auf 10,8 Millionen Euro.

„Es läuft nicht gut und wird zu Mehrkosten kommen“, sagt Glindes Bürgermeister Rainhard Zug über die Bauarbeiten an der Grundschule Tannenweg, die gerade erweitert wird. Das ist noch diplomatisch ausgedrückt. Zwischen der Stadt und dem Generalunternehmer August Reiners mit Sitz in Bremen herrscht dicke Luft. Es geht um Geld.

Die Firma fordert mehr als vereinbart, wirft der Stadt auch mangelhafte Planung vor. Glinde lässt sich von einem renommierten Anwaltsbüro beraten. Der Streit schwelt seit Längerem. Die Kommune wird die bittere Pille nun schlucken und zahlen. Die Politik hat zugestimmt.

Grundschule in Glinde: Mensa für 520 geplant

Rückblick: Im November 2019 beschließen die Parteien einen Komplex mit Mensa samt Küche, zusätzlichen Horträumen, zehn Klassen- und fünf Differenzierungszimmern. Dafür werden 7,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ein Jahr später legt das beauftragte Architekturbüro einen Entwurf vor.

Das zweigeschossige Gebäude hat 1930 Quadratmeter Nutzfläche. Im Erdgeschoss befindet sich die Mensa. Der 440 Quadratmeter große Speisesaal mit seinen 260 Sitzplätzen ist auf Fünfzügigkeit ausgerichtet. Bei maximal 520 Schülern und Vollauslastung ist das Mittagessen in zwei Schichten angedacht. Derzeit lernen rund 350 Erst- bis Viertklässler an dem Standort.

Nach Baustart im Juni 2022 häuften sich die Probleme

Ein vorläufiger Terminplan sieht so aus: Baubeginn im August 2021 und Fertigstellung nach 24 Monaten. Der Bürgermeister sagt damals, man arbeite daran, die Sache zu verkürzen. Es kommt anders. Das Projekt wird europaweit ausgeschrieben und die Firma August Reiners ausgewählt. Sie verlangt 9,3 Millionen Euro. Der zweite Bieter wäre 3,3 Millionen Euro teurer gewesen. Die Stadt muss nachsteuern. Die Stadtvertreter bewilligen die Budgeterhöhung von 1,7 Millionen Euro im Februar 2022.

Ein Bild von der Baustelle. Ursprünglich wollte Glinde in diesem Sommer fertig sein mit der Erweiterung.
Ein Bild von der Baustelle. Ursprünglich wollte Glinde in diesem Sommer fertig sein mit der Erweiterung. © René Soukup

Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und folglich gestiegenen Materialkosten sieht sich August Reiners plötzlich nicht in der Lage, den Bau zu den angebotenen Konditionen umzusetzen und zögert mit der Vertragsunterschrift. Im März gibt die Stadtvertretung weitere 431.000 Euro frei, um voranzukommen. Glinde deckt die Sache aus bislang nicht veranschlagten Zuschüssen des Bundes. Im Juni ist dann endlich Baustart.

Die Hoffnung, dass es jetzt reibungslos abläuft, ist schnell dahin. August Reiners stellt elf sogenannte Mehrkosten- und Behinderungsanzeigen, einige davon weist Glinde als unberechtigt zurück. Das und noch vieles mehr steht in einer Vorlage, die im nicht öffentlichen Teil des jüngsten Bauausschusses behandelt wurde und dieser Redaktion vorliegt. Zusätzliches Geld wird demnach benötigt für die Planung der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) sowie die Statik. Außerdem sind Mehraufwendungen aufgrund von Fehlzeiten durch Corona-Erkrankungen aufgeführt.

Fertigstellung ist für März 2024 ins Auge gefasst

Fakt ist: Die Arbeiten gehen langsamer voran als geplant. Das bestätigt auch die Verwaltung und nennt aktuell sechs Monate Verzögerung. Inzwischen ist die Fertigstellung für März 2024 ins Auge gefasst. Ob das geschieht, dahinter steht ein dickes Fragezeichen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, das Bauunternehmen habe Mitarbeiter bewusst abgezogen, um den Prozess zu verlangsamen und Glinde unter Druck zu setzen, weiteres Geld zur Verfügung zu stellen. Nachweisbar ist das nicht. Einen Fragen-Katalog dieser Redaktion zum Grundschulausbau ließ August Reiners innerhalb der gesetzten Frist unbeantwortet.

In der Vorlage ist von vielen Gesprächen die Rede und von Drohungen des Generalunternehmens, die Bautätigkeiten einzustellen. Mithilfe von Juristen wurde im Januar 2023 ein Kompromiss erzielt: Man einigte sich auf zusätzliche 420.000 Euro – unter dem Vorbehalt einer vertraglichen Regelung, dass weitere Mehrkosten ausgeschlossen werden. Laut dem Dokument hat August Reiners das Signieren des Kontrakts hinausgezögert und verlangt noch einmal 400.000 Euro.

Glinde hat die Möglichkeit, dem Generalunternehmer zu kündigen. Davon rät das Anwaltsbüro aber ab. „Das wäre die schlechteste Option für alle Beteiligten, Schadensersatzforderungen sind unkalkulierbar“, sagt Rainhard Zug. Zum einen würde das zu einer noch späteren Fertigstellung führen, weil man sich einen neuen Partner suchen müsste. Und dann gibt es die berechtigte Befürchtung, dass es mit diesem teurer wäre als mit August Reiners. Im schlimmsten Fall würden auch bereits erhaltene Fördermittel entfallen.

Kostensteigerung wird durch Mehrerträge bei Gewerbesteuer gedeckt

Der Bauausschuss votierte hinter verschlossenen Türen dafür, das Budget um rund 1,1 Millionen Euro zu erhöhen, 250.000 Euro davon sind Reserve für Rechtsanwalt, Gutachter und unvorhersehbare Baukostensteigerungen. Der Etat liegt nun bei 10,8 Millionen Euro. „Die Verwaltung wird in Zusammenarbeit mit dem planenden Architekturbüro sowie der Anwaltskanzlei die stätischen Interessen hinsichtlich der zukünftigen Einhaltung der angemeldeten weiteren Mehrkosten sowie einer möglichen Reduzierung weiterhin vorantreiben“, heißt es in der Vorlage.

Diese Redaktion konfrontierte Glinder Politiker mit den Mehrkosten. Matthias Sacher (CDU) sagt lediglich: „Wir haben ähnliche Situationen schon bei anderen Bauangelegenheiten gehabt.“ Der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Kopsch: „Natürlich ärgern wir uns, kommen aus der Nummer aber nicht raus. Die Stadt muss bei künftigen Ausschreibungsverfahren das finanzielle Volumen solcher Projekte realistischer einschätzten.“

Die Kostensteigerung für das neue Gebäude auf dem Gelände der 1939 eröffneten Grundschule Tannenweg wird übrigens durch Mehrerträge bei der Gewerbesteuer gedeckt. Der überplanmäßigen Auszahlung muss noch die Stadtvertretung am 22. Juni zustimmen – ein formaler Akt.