Glinde. Versprechen gebrochen? Christdemokraten hatten SPD den Posten des Bürgervorstehers zugesagt. Plötzlich kommt alles ganz anders.

Paukenschlag bei der Wahl zum Bürgervorsteher in Glinde: Die CDU möchte anders als angekündigt doch einen Kandidaten aus den eigenen Reihen benennen und zieht ihre Zusage gegenüber der SPD zurück. Wie berichtet, sah es zunächst danach aus, dass die Christdemokraten das Bürgervorsteheramt verschenken würden. Als stärkste Partei der Kommune hat die CDU das Vorschlagsrecht und stellt in der Regel auch den Bürgervorsteher.

Doch Amtsinhaber Martin Radtke hatte schon vor längerer Zeit angekündigt, nicht wieder kandidieren zu wollen. Er hatte den Posten im Juni 2020 übernommen, nachdem Rolf Budde nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben war. Es wurde kein Nachfolger in der Partei gefunden. Deshalb boten sie den Posten der SPD als zweitstärkster Kraft an, schlugen den Sozialdemokraten Oliver Sendzik vor, der bislang stellvertretender Bürgervorsteher war.

CDU-Ortsvorsitzender Claus Peters soll den Posten übernehmen

Bei einer Runde mit den Fraktionsspitzen aller Parteien hatten die Verantwortlichen sich dann auch auf die Personalie Sendzik geeinigt. Eigentlich sollte der 52 Jahre alte Justizvollzugsbeamte, der seit 2008 Mitglied der SPD ist, am Donnerstag, 22. Juni, bei der konstituierenden Sitzung der Stadtvertretung ins Amt gewählt werden.

Doch nun soll alles anders kommen. Die Christdemokraten haben es sich anders überlegt, wollen doch selbst den Bürgervorsteher stellen. Ortsvorsitzender Claus Peters soll das Amt übernehmen. Die SPD ist sauer. SPD-Fraktions- und Ortsvorsitzender Frank Lauterbach sagte auf Nachfrage dieser Redaktion: „Wir haben die Nachricht mit sehr viel Ärger aufgenommen.“

Frank Lauterbach (SPD): „Das ist armselig und charakterlos“

Formal sei das Vorgehen zwar in Ordnung und nicht zu beanstanden. „Aber menschlich gesehen ist das armselig und charakterlos, das muss man einfach so deutlich sagen“, so Lauterbach. Vor allem Oliver Sendzik gegenüber sei das Verhalten „unter aller Kanone“. Lauterbach: „Er wurde so in den Himmel gehoben und dann wurde ihm, auch nur telefonisch, gesagt: ,Nö, wir brauchen dich nun doch nicht mehr’. Das gehört sich einfach nicht.“

Lauterbach kündigte an, bei der kommenden Sitzung eine „deftige Erklärung“ verlesen zu wollen. Wie die SPD sich abgesehen davon verhalten werde, ließ Lauterbach offen. Sicher ist wohl aber, dass das Thema für die SPD so schnell nicht vergessen sein wird. Laut dem SPD-Chef habe die Aktion einen Keil zwischen die Fraktionen getrieben und gezeigt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der CDU nicht möglich sei. Lauterbach: „Man kann sich auf das Wort der CDU nicht verlassen.“ Oliver Sendzik hielt sich auf Nachfrage dieser Redaktion bedeckt, kündigte an, sich am Donnerstagabend zu der Sache zu äußern. Nur so viel: „Es ist ein Skandal.“

CDU habe sich die Kritik der Bürgerinnen und Bürger zu Herzen genommen

Warum die CDU nun doch einen Rückzieher macht, begründete Martin Radtke wie folgt: „Nachdem in der Presse bekannt geworden war, dass Oliver Sendzik Bürgervorsteher werden soll, haben wir sehr viele Anrufe und Zuschriften bekommen. Die Leute fragten, wie es angehen könne, dass sie CDU gewählt haben und nun SPD bekommen.“

Diese Kritik habe man sich zu Herzen genommen und die Entscheidung überdacht. Claus Peters habe sich schließlich bereit erklärt, das Amt zu übernehmen. Der Grund, warum die CDU der SPD den Posten angeboten hatte, sei so nicht mehr gegeben gewesen. „Wenn jemand aus den eigenen Reihen sich für das Amt anbietet, können wir ja gar nicht dagegen sein. Da wir als stärkste Kraft das Vorschlagsrecht haben, haben wir das gemeinschaftlich so entschieden“, so Radtke.

Wie verbindlich war die Zusage? CDU und SPD sind verschiedener Meinung

Direkt am nächsten Morgen habe Radtke Oliver Sendzik, Frank Lauterbach, FDP und Grüne informiert. „Ich kann mir vorstellen, dass die SPD nicht erfreut über die Entscheidung ist. Andererseits bin ich der Meinung, dass sie an unserer Stelle auch nicht anders gehandelt hätten“, so der Noch-Bürgervorsteher.

In der Frage, wie verbindlich die Zusage der CDU an die SPD war, sind die Parteien verschiedener Meinung. Ein eindeutiges Versprechen wollen die Christdemokraten nicht gegeben haben – sondern nur unter der Bedingung, dass sich aus den eigenen Reihen niemand findet. Nichts sei in Stein gemeißelt gewesen.

FDP und Grüne möchten sich aus dem Streit heraushalten

Frank Lauterbach sieht das entschieden anders: „In dem interfraktionellen Gespräch am 7. Juni hat die CDU mitgeteilt, dass sie keinen geeigneten Kandidaten hat. Sie habe mit der SPD Rücksprache gehalten und schlägt Oliver Sendzik von der SPD vor. Eindeutiger geht es nicht. Die CDU versucht jetzt sich mit Halbwahrheiten herauszureden. Das stimmt definitiv nicht.“

Bei den Fraktionsvorsitzenden von FDP und Grünen nachgefragt, hielten diese sich bedeckt. „Das ist eine Sache zwischen der CDU und SPD“, sagte FDP-Fraktionsvorsitzender Thomas Kopsch. „Wir hätten Oliver Sendzik als Bürgervorsteher unterstützt, können aber auch Claus Peters akzeptieren.“ Als „sicherlich unglücklich“ bezeichnete Grünen-Fraktionschef Lüder Lückel, was passiert ist. Aber: „Wir als Grüne halten uns da raus und möchten es nicht kommentieren.“

Bürgervorsteher sind Repräsentanten ihrer Stadt

Normalerweise ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Fraktionen der vorgeschlagenen Personalie für das Bürgervorsteheramt zustimmen. Was am Donnerstag, 22. Juni, ab 19 Uhr im Festsaal im Marcellin-Verbe-Haus (Markt 2) passiert, ist aktuell noch ungewiss. CDU-Ortsvorsitzender Claus Peters jedenfalls würde sich freuen, wenn er Bürgervorsteher werden würde.

Der 52-Jährige wohnt seit 2006 in Glinde. „Ich habe mich mit anderen Bürgervorstehern ausgetauscht, um einzuschätzen, was auf mich zukommt“, so der gebürtige Lübecker. Bürgervorsteher sind Repräsentanten ihrer Stadt und Vorsitzende des Parlaments. Sie rufen unter anderem die Stadtvertretung zu Sitzungen ein, legen mit dem Bürgermeister die Tagesordnung fest und leiten die Sitzungen.

Claus Peters möchte Glinde als Bürgervorsteher weiter nach vorne bringen

Auch mit seiner Familie habe der Ingenieur seine Entscheidung besprochen. Ehefrau, Sohn (17) und Tochter (13) haben grünes Licht gegeben. Menschlich könne er den Unmut der SPD über das Hin und Her verstehen. Aber: „Es geht nicht um irgendwelche vermeintlichen Versprechungen, sondern darum, den Wählerwillen umzusetzen“, so Peters. Die SPD habe die Aussagen der CDU so interpretiert, dass ihnen der Posten zustehe. „Das war aber immer vorbehaltlich“, so Peters.

Er jedenfalls will sich weniger mit der Diskussion, sondern mehr mit dem Fachlichen beschäftigen, sehe er das Bürgervorsteheramt doch als Chance, die Stadt zu gestalten. In dieser Sache hat er einige Ideen. „Ich möchte die Innenstadt beleben, Leerstände bekämpfen, den Menschen zeigen, wie viele Vorzüge Glinde hat“, so Peters. Außerdem habe er das Vabali Spa im Kopf. Peters: „Es ist schön, dass dadurch so viele Menschen nach Glinde kommen. Nun braucht es kreative Ideen, damit die Stadt davon auch profitiert.“