Glinde. Stadtverwaltung lässt Bürgerinitiative abblitzen. Die ist verärgert. Das sind die Ergebnisse der Geschwindigkeitsmessung.

Den Widerspruch hat Peter Berndt zügig eingereicht. Der 65-Jährige ist verstimmt ob eines Schreibens der Glinder Stadtverwaltung. Er fungiert als Sprecher einer Bürgerinitiative, die Tempo 30 auf dem Papendieker Redder fordert – und zwar sofort. Die Gruppe hatte einen entsprechenden Antrag gestellt, daraufhin wurden über mehrere Tage an zwei Stellen Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt. An einem Punkt waren nahezu 53 Prozent der Autos zu schnell. Trotzdem wurde das Ansinnen der Anlieger abgelehnt.

Berndt, der seit 34 Jahren in einem Haus in zweiter Reihe an der Kreisstraße 109 lebt, versteht die Welt nicht mehr. Er sagt: „Für jeden normal denkenden Menschen müssten die Zahlen ausreichen, um die Geschwindigkeit zu reduzieren.“ Erlaubt sind maximal 50 km/h. Dass der Wert gesenkt wird, will auch die Politik. Sie kann die Verwaltung allerdings nicht zwingen, eine solche Anordnung zu treffen.

Mehrzahl der Radfahrer nutzt Gehweg aus Angst vor Rasern

„Es gab keinen Spielraum, das Ergebnis ist erwartbar gewesen. Ich hoffe nicht, dass durch diese Sache viel Porzellan zerschlagen ist zwischen der Stadt und dem Kreis. Denn ich habe sehr viel Energie darauf verwendet, dass wir auf kleinen Abschnitten eine Reduzierung hinbekommen nach der Sanierung. Da wurde mir auch Zustimmung signalisiert“, sagt Bürgermeister Rainhard Zug. Glinde kann theoretisch Tempo 30 aussprechen, weil die Kommune eine eigene Verkehrsaufsicht hat. Die Kreisbehörde ist jedoch übergeordnete Instanz und berechtigt, so einen Schritt rückgängig zu machen. Derzeit sieht sie keinen Anlass für eine Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit. Zugs Befürchtung ist diese: Wenn man einmal einen Antrag ablehnt, wie jetzt geschehen, könnte eine Anordnung zu einem späteren Zeitpunkt einkassiert werden.

Das Schreiben an die Bürgerinitiative umfasst statistisches Material bis ins kleinste Detail. Gemessen wurde im Bereich der Einmündung Am Walde rund 100 Meter hinter dem Ortseingangsschild stadteinwärts – durchgängig über 95 Stunden. In dieser Zeit wurden 3548 Fahrzeuge gezählt. 1610 fuhren zwischen 51 und 60 sowie 244 zwischen 61 und 70 km/h, also zu schnell. Beim zweiten Punkt zwischen Sandkamp und Blockhorner Allee waren es 36,5 Prozent von 3024 motorisierten Zweirädern, Autos und Lastwagen. Berndt bemängelt, dass nur in eine Fahrtrichtung kontrolliert wurde. Seine Argumentation: Mehr Geschwindigkeitsübertretungen seien logischerweise auch weitere Gefahrenmomente für Radfahrer und Schüler, die den Papendieker Redder queren.

Initiative sagt, Unfallstatistik der Polizei ist unvollständig

„Die Verwaltung nutzt ihren Ermessensspielraum nicht aus“, sagt der Initiativensprecher. Berndt und seine Mitstreiter haben Videos gedreht als Beweismaterial und es im Rathaus abgegeben. Zu sehen sind zum Beispiel Radfahrer, die den Gehweg nutzen, was sie eigentlich nicht dürfen. Die Mehrzahl macht das allerdings aus Angst vor den vorbeirasenden Autos, die oft zu wenig Abstand halten. Auch das ist dokumentiert per Film, genauso wie Lärmbelästigungen. Hierfür nutzte die Initiative ein Schallmessgerät. „Anhand der durchgeführten Verkehrszählung und der Unfallstatistik der Polizei lässt sich für den Papendieker Redder keine konkrete Gefahr für die o. g. genannten Verkehrsteilnehmer feststellen“, heißt es in dem Ablehnungsbescheid der Stadt. Sie führt für das vergangene Jahr fünf Unfälle mit Begegnungsverkehr und parkenden Fahrzeugen auf sowie einen mit Wild, beruft sich dabei auf die Statistik der örtlichen Polizeidienststelle.

Die Bürgerinitiative vertritt den Standpunkt, dass viele Fälle gar nicht erfasst sind. „Wir haben auch Blechschäden mit Anrainern, bei denen man sich geeinigt hat, ohne die Polizei zu holen“, berichtet Berndt. Das Rathaus schlägt zur „Sicherstellung und Einhaltung der allgemeinen Verkehrsregeln“ Geschwindigkeitskontrollen durch die Polizei vor oder bauliche Veränderungen an der Straße. Für den Bereich Ortseingang werden zum Beispiel seitliche Einengungen erwähnt.

Fahrt hatte die Diskussion um Tempo 30 aufgenommen im Zuge der geplanten Sanierung. Die Schaffung eines Radwegs oder -streifens wäre optimal. Das ist wegen der engen Fahrbahn aber nicht möglich. Rund 100 Zentimeter fehlen. Deshalb plädieren die Parteien für eine Geschwindigkeitsreduzierung. Vertreter von SPD und FDP waren vor geraumer Zeit zu Besuch bei Berndt. Sie versprachen der Initiative Unterstützung. Die Gruppe hatte eine Petition initiiert, 117 Bürger unterschrieben.

Straßensanierungsprojekt soll Mitte 2026 abgeschlossen sein

Die Kreisstraße 109 wird auf einem rund einen Kilometer langen Abschnitt von der Ecke Möllner Landstraße saniert. Das Projekt wurde bereits verschoben. Grund sind Arbeiten an den Versorgungsleitungen, die umfangreicher werden als gedacht und die Planungen in die Länge ziehen. Mehr als ein Dutzend Platanen sind inzwischen abgeholzt – eine vorbereitende Aktion.

Wie berichtet, hatten Kreisbehörde, der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV.SH), Hamburg Wasser und die Stadtverwaltung vor Kurzem einen vorläufigen Zeitplan erstellt. Im Frühjahr 2024 soll Hamburg Wasser den Anfang machen mit der Erneuerung der Leitungen. Es wird zu Teil- und Vollsperrungen der Straße kommen. Ab Juli 2025 geht der LBV.SH an Fahrbahn und Gehweg ran. Das soll ein Jahr dauern. Nun wird auch überlegt, im Anschluss an den sogenannten Vollausbau das weitere Stück Straße bis zur Brücke über die Autobahn 24 mit einer neuen Asphaltdeckschicht zu versehen.

Die Glinder Verwaltung wird jetzt eine Stellungnahme zum Widerspruch verfassen und beide Dokumente an die Kreisbehörde weitergeben. Sollte die Beschwerde der Bürgerinitiative keine Wirkung erzielen, wovon auszugehen ist, kann sie Klage einreichen beim Verwaltungsgericht in Schleswig. Damit hat sich die Gruppe laut Berndt bislang nicht beschäftigt.